- von Kevin Yao und Elias Glenn
Peking (Reuters) - Die chinesische Wirtschaft ist im zweiten Quartal dank kauffreudiger Verbraucher und investierender Unternehmen überraschend kräftig gewachsen.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von April bis Juni um 6,9 Prozent zum Vorjahreszeitraum zu und hielt damit das zu Jahresbeginn erreichte Tempo. Von Reuters befragte Analysten hatten hingegen einen leichten Rückgang auf 6,8 Prozent erwartet. "Die Wirtschaft machte im ersten Halbjahr weiter stetig Fortschritte", erklärte das Statistikamt am Montag in Peking. "Aber die internationale Instabilität und Unsicherheit bleibt recht groß."
Die Regierung des Landes ist nach den unerwartet guten ersten sechs Monaten auf Kurs, ihr für das Gesamtjahr angepeiltes Wachstumsziel von 6,5 Prozent zu erreichen, nachdem es 2016 mit 6,7 Prozent das kleinste Plus seit 26 Jahren gegeben hatte. "Das sind ermutigende Zeichen für das globale Wachstum", schließlich ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt", sagte Ökonom Craig James vom Wertpapierhändler Commonwealth Securities in Sydney. Allerdings sind die Konjunkturdaten mit Vorsicht zu genießen: Viele Experten macht stutzig, dass sie schon gut zwei Wochen nach Quartalsende veröffentlicht werden, während etwa das viel kleinere Deutschland für eine erste Schätzung vier Wochen mehr benötigt.
Getragen wurde das Wachstum im Frühjahr vom privaten Konsum. So meldete der Einzelhandel im Juni mit 11,0 Prozent das stärkste Umsatzplus seit anderthalb Jahren. Die Industrie produzierte im Juni 7,6 Prozent mehr. So stellten die Stahlunternehmen mit 73,23 Millionen Tonnen so viel her wie noch nie - obwohl die Behörden auf die Schließung unrentabler Betriebe in der Stahl- und Kohlebranche dringen. Auch die Investitionen zogen unerwartet stark an, und zwar um 8,6 Prozent im ersten Halbjahr.
Trotz des kräftigen Wachstums steht die Volksrepublik vor einem Berg von Problemen. Die Verschuldung summiert sich inzwischen auf 277 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Viele neue Kredite werden nur aufgenommen, um Zins und Tilgung für Altschulden stemmen zu können. Auch der wachsende Protektionismus könnte den Exportweltmeister belasten. US-Präsident Donald Trump droht beispielsweise mit Schutzzöllen auf Stahlimporte. Europäische Firmen klagen hier ebenfalls über Billigimporte aus China. Sprengstoff birgt zudem der Nordkorea-Konflikt vor der eigenen Haustür. Auch der Immobilienboom ist vielen Experten unheimlich. Die Regierung versucht mit Restriktionen, eine Preisblase zu verhindern, deren Platzen in eine schwere Wirtschaftskrise münden könnte.
Der Internationale Währungsfonds mahnt deshalb zu Reformen. "Der Reformprozess muss beschleunigt werden, um mittelfristige Stabilität zu sichern und dem Risiko zu begegnen, dass die laufende wirtschaftspolitische Umorientierung zu scharfen Anpassungen führen könnte", warnte der IWF. Die Wirtschaft soll künftig stärker vom Konsum als von den Exporten getragen werden.