Frankfurt (Reuters) - Die für Aufschwungzeiten relativ niedrige Inflation bereitet den Währungshütern der Industriestaaten laut EZB-Vizechef Vitor Constancio Kopfzerbrechen.
Dass sich die Verbindung zwischen Teuerung und Auslastung der Wirtschaft offensichtlich löse, mache die Arbeit der Zentralbanken schwieriger, betonte der Portugiese am Freitag auf einer Konferenz in Frankfurt. Konkret würden Interpretation und Kontrolle der Preisentwicklung durch dieses veränderte Kräftespiel komplizierter. Ein solcher "Umbruch" habe bedeutende Folgen für die Geldpolitik, betonte Constancio. Währungshüter in Industrieländern stünden vor einem Rätsel, warum Löhne und Gehälter nicht stärker stiegen.
Die Konjunktur in der Euro-Zone zog zuletzt an. Doch die Inflation ist mit zuletzt 1,5 Prozent nicht in Reichweite der von der Europäischen Zentralbank angestrebten Marke von knapp zwei Prozent, die diese als Idealwert für die Wirtschaft erachtet. In den USA ist eine vergleichbare Entwicklung im Gang: Auch Notenbankchefin Janet Yellen hat jüngst ähnliche Bedenken wie Constancio geäußert.
Experten machen für den gedämpften Preisauftrieb auch die Folgen der Globalisierung und Digitalisierung verantwortlich: Dadurch drängen Billigimporte aus Schwellen- und Entwicklungsländern auf den Markt. Zudem drückt die weit verbreitete Gratis-Kultur im Internet auf die Inflation. Zuletzt hatte auch EZB-Ratsmitglied Ardo Hansson betont, ein Blick auf die "objektive wirtschaftliche Realität" in Zeiten der Globalisierung spreche dafür, dass die EZB mehr Geduld beim Erreichen ihres Inflationsziels aufbringen müsse. Laut Prognosen der EZB-Fachleute wird sie ihr Ziel bis zum Ende des Jahrzehnts verfehlen.