FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 19. November. Wegen der Annäherung von West und Ost interessieren sich Anleger für russische Aktien. Gesetzt wird auf ein Ende der Sanktionen.
Nicht nur an europäischen und US-amerikanischen Börsen stehen die Zeichen in dieser Woche eindeutig auf Grün, auch die lange von Rückschlägen geplagte russische Börse kann mit kräftigen Kursgewinnen aufwarten. Hintergrund ist das Tauwetter in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen nach den Anschlägen in Paris. Die Staatschefs Russlands und der USA sprechen wieder miteinander, es eint der gemeinsame Feind, der IS.
"An den Märkten wird auf eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland gehofft", erklärt Jan Vrbsky von der Baader Bank. "Dann könnte es für die russische Wirtschaft wieder leichter werden." Die Sanktionen machen dem Land zu schaffen, noch schwerer lastet aber der niedrige Ölpreis. Für 2015 rechnet der IWF mit einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent, für 2016 immerhin noch mit einem Minus von 0,6 Prozent.
In Rubel nahe Jahreshoch
Der jüngste Anstieg des russischen Aktienindex RTS ist der zweite Anlauf in diesem Jahr: Das auf US-Dollar lautende Börsenbarometer hatte sich nach kräftigen Verlusten in der zweiten Jahreshälfte 2014 bis zum Mai dieses Jahres deutlich erholt, danach ging es aber wieder nach unten. Der RTS fiel zwischen Mai und Ende August von 1.082 auf 724 Punkte, aktuell sind es 889 Zähler. Der Aktienindex Micex, der auf Rubel lautet, zeigt ein anderes Bild: "Der Micex nähert sich seinem Jahreshoch aus dem Februar", bemerkt Vrbsky.
VTB überrascht mit guten Quartalszahlen
Seit dem Tief Ende August um 30 Prozent zugelegt hat die russische Bank VTB, das zweitgrößte Kreditinstitut des Landes, das sich zu 60 Prozent in Staatshand befindet. "Dem vorausgegangen war aber eine regelrechte Achterbahnfahrt", bemerkt Walter Vorhauser von Oddo Seydler.
Im Dezember 2014 kostete die an der Börse Frankfurt als GDR gehandelte VTB (WKN A0MQ3G) 1,18 Euro, im Mai dieses Jahres über 2,80, im August 1,65 und aktuell 2,15 Euro. "Die Bank hat mit guten Zahlen für das dritte Quartal überrascht", meldet der Händler.
VTB hat einen Gewinn von umgerechnet 96 Millionen US-Dollar erwirtschaftet, für die ersten neun Monate schreibt die Bank aber noch rote Zahlen. "Wenn sich die Lage in Russland weiter stabilisiert, könnte noch Potenzial da sein." Für 2016 erwarte VTB nämlich einen satten Gewinn von 750 Millionen US-Dollar.
Sberbank Top-Performer
Mit einem noch kräftigeren Kursplus kann die Sberbank aufwarten, wie Vrbsky berichtet. An der Börse Frankfurt kletterte der Kurs des ADR (WKN A1JB8N) von 3,80 Euro im August auf aktuell 6,70 Euro. Ebenfalls deutlich nach oben ging es zuletzt für ADRs von Lukoil (WKN A1420E) und Gazprom (WKN 903276). Seit Jahresanfang ist die Notierung von Lukoil von rund 32 auf derzeit 37 Euro gestiegen. "Das ist angesichts des Ölpreises schon erstaunlich, andere Ölkonzerne haben viel mehr gelitten." Gazprom trete aufs Jahr gerechnet hingegen auf der Stelle. "Gazprom ist ein sehr politischer Wert."
Rosneft: Chinesen haben Interesse
Ein Plus von 38 Prozent seit August verzeichnet der Ölkonzern Rosneft, an der Börse Frankfurt ebenfalls als GDR gehandelt (WKN A0J3N5): Aktuell liegt der Kurs bei 4 Euro nach 2,90 im August, Ende 2012 waren es allerdings noch über 7 Euro. "Im ersten Halbjahr sind Gewinn und Umsatz zwar zurückgegangen, das zweite Quartal ist aber besser ausgefallen als das erste", stellt Vorhauser fest. Rosneft komme zugute, dass viel Öl an der St. Petersburger Rohstoffbörse Spimex verkauft werde. "Dadurch ist Rosneft unabhängiger vom US-Dollarkurs." Auftrieb könnten zudem Änderungen in der Eignerstruktur bringen: "Der Staat will sich von 19,5 Prozent an Rosneft trennen, und die Chinesen zeigen Interesse."
Nur für Mutige
Analysten gehen davon aus, dass russische Aktien von einem Ende oder einer Aufweichung der Sanktionen stark profitieren würden, bei Ölwerten wird zusätzliche Phantasie durch einen wieder anziehenden Ölpreis gesehen, Banken könne ein dann wieder besserer Zugang zum internationalen Kapitalmarkt zugute kommen. "Russische Aktien sind spekulative Anlagen, allerdings sind die Risiken nicht mehr so hoch, wie sie einmal waren", bemerkt Vorhauser. Vrbsky zufolge wird die russische Börse stark von der Politik beeinflusst. "Außerdem ist es eine sehr rohstofflastige Börse, viel hängt am Ölpreis."
von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse (DE:DB1Gn) AG
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© 19. November 2015
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.