KIEW/MOSKAU/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Nach massivem internationalen Druck hat Russland einige seiner Soldaten von der Grenze zur Ukraine abgezogen. Kremlchef Wladimir Putin informierte Kanzlerin Angela Merkel am Montag in einem Telefonat, dass er den Rückzug angeordnet habe, wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mitteilte. Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete, ein Bataillon sei nach einer Übung aus der Region Rostow am Don in die Kasernen zurückgekehrt. Die Nato will ihre Präsenz im Osten zwar verstärken, auf eine Entsendung von Truppen aber verzichten.
Die Ukraine wirft Russland vor, als Drohpotenzial in der Krim-Krise Zehntausende Soldaten an der Grenze zusammengezogen zu haben, was Moskau bestreitet. US-Außenminister John Kerry erklärte bei einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Paris, jeder Fortschritt in der Ukraine müsse den Rückzug der russischen Verbände von der Grenze beinhalten. "Diese Truppen schaffen ein Klima der Angst und Einschüchterung in der Ukraine", sagte Kerry.
Einen Durchbruch brachte das Treffen in der Nacht zum Montag nicht. "Wir haben unterschiedliche Ansichten zu ihrer Entstehung", sagte Lawrow. "Aber wir wollen gemeinsam Berührungspunkte zur Lösung der Lage in der Ukraine suchen." Kerry betonte, es werde "keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine" geben.
Am Montag berichtete zunächst die Übergangsregierung in Kiew von einem Rückzug russischer Einheiten. "Die Anzahl der Soldaten verringert sich, eine genaue Zahl ist aber schwer zu nennen", sagte Alexander Rosmasnin vom Verteidigungsministerium. Später bestätigte das russische Verteidigungsministerium, dass ein Bataillon - das sind mehrere hundert Soldaten - in die Kaserne zurückgekehrt sei.
Putin erklärte nach Angaben der Bundesregierung in dem Gespräch mit Merkel, dass er den Teilrückzug angeordnet habe. Nach Angaben des Kreml unterstrich er zugleich die Notwendigkeit einer Stabilisierung der Lage in der Ukraine. Wichtig sei zudem eine Verfassungsreform in der Ex-Sowjetrepublik. Dabei müssten die Interessen der Bürger aller Regionen in der Ukraine berücksichtigt werden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier wertete den Teilrückzug als "kleines Entspannungssignal".
Die Nato will ihre militärische Präsenz im Osten des Bündnisgebietes zwar verstärken, eine demonstrative Entsendung von Truppen in die Nato-Staaten Litauen, Lettland, Estland oder Polen ist jedoch nicht geplant. Die Außenminister der 28 Nato-Staaten wollen am Dienstag in Brüssel auch nichtmilitärische Unterstützung für die Ukraine beschließen.
Deutschland wird sich an einer Verstärkung der Überwachung des Luftraums der drei baltischen Staaten beteiligen. Es will auch mit einem Schiff an einem Marinemanöver in der östlichen Ostsee teilnehmen. Die militärische Präsenz im Baltikum werde "im bestehenden Format" verstärkt, hieß es in Brüssel. Schon seit 2004 wird der Luftraum von Litauen, Lettland und Estland in "Rotationen" von jeweils vier Monaten durch andere Nato-Staaten überwacht.
Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew stellte der Bevölkerung der Krim bei einem überraschenden Besuch weiteres Geld aus Moskau in Aussicht. Dabei sagte der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin der Bevölkerung eine Erhöhung des Solds für Armeeangehörige und der Renten zu. Investoren versprach er zudem Steuererleichterungen. Medwedew ist der bisher ranghöchste Politiker der Moskauer Führung, der die Halbinsel seit ihrem international nicht anerkannten Russland-Beitritt besuchte. Das Außenministerium in Kiew protestierte in einer diplomatischen Note.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sorgte unterdessen mit einem Vergleich zwischen Russlands Vorgehen auf der Krim und der Annexion des Sudetenlandes 1938 durch Nazi-Deutschland für Wirbel. Vor Schülern in Berlin warnte er vor einem Kollaps der Ukraine und vor Anarchie, was Russland einen Grund zum Einmarschieren geben könnte. Mit Blick auf ein solches Szenario sagte Schäuble: "Das kennen wir alles aus der Geschichte. Mit solchen Methoden hat schon der Hitler das Sudetenland übernommen - und vieles andere mehr."/wn/DP/zb