Börsen-Zeitung: Die Notenbank-Rally, Börsenkommentar 'Marktplatz', von
Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots) - Nur noch drei kümmerliche Stellen haben die
Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe am Donnerstag nach der
Ratssitzung der Europäischen Zentralbank von ihrem bei 1,12%
liegenden Rekordtief vom Juli 2012 getrennt. Experten gehen davon
aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein neues Tief erreicht
wird. Im mittleren Laufzeitenbereich wird es wahrscheinlich schon in
der neuen Woche so weit sein. Die neue Bundesobligation wird aller
Voraussicht nach einen rekordniedrigen Kupon von 0,25% tragen und
auch auf diesem Niveau noch genug Abnehmer finden.
Von einer Flucht der Investoren in sichere Häfen kann dennoch
nicht die Rede sein. Schließlich sind bei den Marktteilnehmern
gleichzeitig auch Risiko-Assets gefragt. Bundesanleihen und
Treasuries steigen zwar, werden jedoch von anderen Anlageinstrumenten
übertroffen. Im Bondbereich gilt dies neben Unternehmenspapieren
derzeit insbesondere für die Anleihen der Peripheriestaaten.
Am Freitag ist nach der italienischen nun auch die spanische
Staatsanleihe unter die Renditeschwelle von 4% gesunken, die sie
zuletzt im Oktober 2010 berührt hatte. Auch die Aktienmärkte sind
zeitgleich mit den Top-Staatsanleihen gestiegen. Der Dax streifte am
Freitag nach dem US-Arbeitsmarktbericht sein Rekordhoch von 8152
Punkten aus dem Jahr 2007, in New York kletterten die führenden
Indizes Dow und S&P500 auf neue Höchststände.
Der Gleichklang, mit dem vom Risikoprofil her derart
unterschiedliche Assets auf zum Teil rekordhohe Niveaus gestiegen
sind, ist nur auf den ersten Blick widersprüchlich. Letztlich ist er
eine direkte Folge der weltweit ultralockeren Geldpolitik und macht
eine ihrer Risiken, die Bildung spekulativer Blasen, sichtbar.
Eine Liquiditätsschwemme in noch nie dagewesenem Ausmaß sowie
Zinsen nahe null und in Europa die Zusage der EZB, gegebenenfalls
unbegrenzt Anleihen bedrängter Euro-Staaten aufzukaufen, treiben
sowohl sichere Häfen als auch Risiko-Assets - mit Ausnahme der
Rohstoffe - nach oben.
Und die Notenbank-Rally wird noch eine Weile anhalten. Denn die
Währungshüter haben klar signalisiert, dass sie derzeit nicht daran
denken, den Fuß vom Pedal zu nehmen. Im Gegenteil: Japans Zentralbank
fährt Vollgas, die amerikanische Fed hat erklärt, das Volumen ihrer
Anleihekäufe von 85 Mrd. Dollar pro Monat bis auf Weiteres
beizubehalten, und die EZB hat am Donnerstag angekündigt, an der
Vollzuteilung bis mindestens Mitte 2014 festzuhalten, und außerdem
angedeutet, dass der Einlagenzins noch in den negativen Bereich
gedrückt werden könnte.
Die verzerrenden Effekte, die im Grunde genommen nichts anderes
bedeuten als die Außerkraftsetzung des Marktes, werden damit noch
eine Weile erhalten bleiben. Es kann also ohne Weiteres geschehen,
dass in Kürze sowohl der Dax als auch die Notierungen der
Bundesanleihen auf Rekordhöhen klettern.
Die ökonomischen Grundtatsachen können von den Notenbanken
allerdings nicht außer Kraft gesetzt werden. Unabhängig von der Frage
ihrer Angemessenheit oder Notwendigkeit steht fest, dass die
außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen bereits zu erheblichen
Fehlbewertungen an den Märkten geführt haben, die eines Tages
korrigiert werden - und das wird teuer.
Wären die Bewertungen der Bundesanleihen oder der amerikanischen
Treasuries fundamental gerechtfertigt, müsste sich die Weltwirtschaft
in einem schlimmen Zustand befinden. Eine schwere Rezession stünde
aber im Widerspruch zu den seit dem Jahr 2009 deutlich gestiegenen
Notierungen an den Aktienmärkten. Aus fundamentaler Sicht muss also
eines von beidem - entweder die Bewertung an den Aktienmärkten oder
die von den Staatsanleihen bester Bonität erreichten Niveaus - falsch
sein.
Zwar ist die aktuelle konjunkturelle Situation des Euroraums als
trostlos zu bezeichnen. Die Weltwirtschaft insgesamt - das haben die
neuesten Arbeitsmarktdaten der USA untermauert - ist jedoch weit von
einer Rezession entfernt. Auch wenn sich die Inflationsseite derzeit
konstruktiv zeigt, spricht somit alles dafür, dass vor allem am
Anleihemarkt eine Fehlbewertung vorliegt. Wann diesem Zustand der
Fehlbewertung durch ein Zurückfahren der monetären
Lockerungsmaßnahmen die Basis entzogen wird, ist derzeit kaum
vorauszusehen. Fest steht aber, dass eine geldpolitische Wende
gravierende Auswirkungen für Staatsanleihen haben und ihren Haltern
schmerzhafte Wertverluste bringen wird.
(Börsen-Zeitung, 4.5.2013)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Christopher Kalbhenn.
Frankfurt (ots) - Nur noch drei kümmerliche Stellen haben die
Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe am Donnerstag nach der
Ratssitzung der Europäischen Zentralbank von ihrem bei 1,12%
liegenden Rekordtief vom Juli 2012 getrennt. Experten gehen davon
aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein neues Tief erreicht
wird. Im mittleren Laufzeitenbereich wird es wahrscheinlich schon in
der neuen Woche so weit sein. Die neue Bundesobligation wird aller
Voraussicht nach einen rekordniedrigen Kupon von 0,25% tragen und
auch auf diesem Niveau noch genug Abnehmer finden.
Von einer Flucht der Investoren in sichere Häfen kann dennoch
nicht die Rede sein. Schließlich sind bei den Marktteilnehmern
gleichzeitig auch Risiko-Assets gefragt. Bundesanleihen und
Treasuries steigen zwar, werden jedoch von anderen Anlageinstrumenten
übertroffen. Im Bondbereich gilt dies neben Unternehmenspapieren
derzeit insbesondere für die Anleihen der Peripheriestaaten.
Am Freitag ist nach der italienischen nun auch die spanische
Staatsanleihe unter die Renditeschwelle von 4% gesunken, die sie
zuletzt im Oktober 2010 berührt hatte. Auch die Aktienmärkte sind
zeitgleich mit den Top-Staatsanleihen gestiegen. Der Dax streifte am
Freitag nach dem US-Arbeitsmarktbericht sein Rekordhoch von 8152
Punkten aus dem Jahr 2007, in New York kletterten die führenden
Indizes Dow und S&P500 auf neue Höchststände.
Der Gleichklang, mit dem vom Risikoprofil her derart
unterschiedliche Assets auf zum Teil rekordhohe Niveaus gestiegen
sind, ist nur auf den ersten Blick widersprüchlich. Letztlich ist er
eine direkte Folge der weltweit ultralockeren Geldpolitik und macht
eine ihrer Risiken, die Bildung spekulativer Blasen, sichtbar.
Eine Liquiditätsschwemme in noch nie dagewesenem Ausmaß sowie
Zinsen nahe null und in Europa die Zusage der EZB, gegebenenfalls
unbegrenzt Anleihen bedrängter Euro-Staaten aufzukaufen, treiben
sowohl sichere Häfen als auch Risiko-Assets - mit Ausnahme der
Rohstoffe - nach oben.
Und die Notenbank-Rally wird noch eine Weile anhalten. Denn die
Währungshüter haben klar signalisiert, dass sie derzeit nicht daran
denken, den Fuß vom Pedal zu nehmen. Im Gegenteil: Japans Zentralbank
fährt Vollgas, die amerikanische Fed hat erklärt, das Volumen ihrer
Anleihekäufe von 85 Mrd. Dollar pro Monat bis auf Weiteres
beizubehalten, und die EZB hat am Donnerstag angekündigt, an der
Vollzuteilung bis mindestens Mitte 2014 festzuhalten, und außerdem
angedeutet, dass der Einlagenzins noch in den negativen Bereich
gedrückt werden könnte.
Die verzerrenden Effekte, die im Grunde genommen nichts anderes
bedeuten als die Außerkraftsetzung des Marktes, werden damit noch
eine Weile erhalten bleiben. Es kann also ohne Weiteres geschehen,
dass in Kürze sowohl der Dax als auch die Notierungen der
Bundesanleihen auf Rekordhöhen klettern.
Die ökonomischen Grundtatsachen können von den Notenbanken
allerdings nicht außer Kraft gesetzt werden. Unabhängig von der Frage
ihrer Angemessenheit oder Notwendigkeit steht fest, dass die
außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen bereits zu erheblichen
Fehlbewertungen an den Märkten geführt haben, die eines Tages
korrigiert werden - und das wird teuer.
Wären die Bewertungen der Bundesanleihen oder der amerikanischen
Treasuries fundamental gerechtfertigt, müsste sich die Weltwirtschaft
in einem schlimmen Zustand befinden. Eine schwere Rezession stünde
aber im Widerspruch zu den seit dem Jahr 2009 deutlich gestiegenen
Notierungen an den Aktienmärkten. Aus fundamentaler Sicht muss also
eines von beidem - entweder die Bewertung an den Aktienmärkten oder
die von den Staatsanleihen bester Bonität erreichten Niveaus - falsch
sein.
Zwar ist die aktuelle konjunkturelle Situation des Euroraums als
trostlos zu bezeichnen. Die Weltwirtschaft insgesamt - das haben die
neuesten Arbeitsmarktdaten der USA untermauert - ist jedoch weit von
einer Rezession entfernt. Auch wenn sich die Inflationsseite derzeit
konstruktiv zeigt, spricht somit alles dafür, dass vor allem am
Anleihemarkt eine Fehlbewertung vorliegt. Wann diesem Zustand der
Fehlbewertung durch ein Zurückfahren der monetären
Lockerungsmaßnahmen die Basis entzogen wird, ist derzeit kaum
vorauszusehen. Fest steht aber, dass eine geldpolitische Wende
gravierende Auswirkungen für Staatsanleihen haben und ihren Haltern
schmerzhafte Wertverluste bringen wird.
(Börsen-Zeitung, 4.5.2013)
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