TEL AVIV (dpa-AFX) - Die Anzeigetafel am Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv ist am Mittwoch voller roter Balken: "Canceled" steht hinter vielen Flügen. Gestrichen sind wegen des Gaza-Kriegs die Maschinen nach Istanbul, Verona und Sofia, nach Stockholm, Paris und auch nach Basel. Genau dorthin wollten die Schweizer Theodor und Gwendolyn Tscholl eigentlich fliegen. Nun stehen sie am Informationsschalter und versuchen, einen Ausweg aus Israel zu finden. "Solange es noch geht", sagen die Tscholls. Solange überhaupt noch Flugzeuge starten und landen.
Am Dienstagabend hatte die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA beschlossen, für 24 Stunden alle Verbindungen nach Tel Aviv zu untersagen. Andere Airlines zogen nach: Lufthansa stellte daraufhin seine Flüge für 36 Stunden ein, auch KLM und Air France fliegen Ben Gurion vorerst nicht an. Am Mittwoch waren 80 von 208 Flügen betroffen - und damit mindestens ein Drittel der durchschnittlich 55 000 Passagiere pro Tag.
Für Israel ist die Annullierung der Flüge ein Desaster. Der Flughafen Ben Gurion gilt als Israels "Tor zur Welt": Zwar besitzt das Land noch kleinere Landeplätze, doch fast alle Auslandsflüge gehen über Ben Gurion. Israel war stets bemüht, sich trotz des Krieges nicht die Normalität nehmen zu lassen. Nun setzt der Schritt der FAA ein Zeichen: Israel ist gefährlich. Selbst jene Touristen, die dem Konflikt bisher getrotzt haben, sind nun in Sorge.
Zehn Tage wollten die Tscholls Urlaub in Israel machen: am Strand liegen, durch Jerusalem schlendern, Museen besuchen. Dann begann der Raketenbeschuss der radikal-islamischen Hamas und Israels Bodenoffensive. In Jerusalem gab es Straßenschlachten und Krawalle, nachts wurde geschossen. Das alles machte dem Paar noch keine Angst. Erst als am Dienstagabend viele Flüge gestrichen wurden, packten die Tscholls ihre Koffer. "Bevor es richtig losgeht", sagen sie.
In der Nacht haben sie einen neuen Flug gebucht, am Morgen ein Taxi aus Jerusalem genommen. Am Flughafen angekommen stellten sie fest: Auch ihr Ausweichflug war gestrichen worden. Nun haben sie ein drittes Ticket gekauft: Für 900 Dollar erwischten sie die letzten zwei Plätze in einer El-Al-Maschine nach Zürich. "Wir hoffen, dass wir das Geld zurückbekommen", sagt Gwendolyn Tscholl. Aber das sei im Moment nebensächlich.
Die meisten Passagiere wurden von ihren Airlines informiert. Einige bemühen sich wie die Tscholls um einen neuen Flug. Doch die Mehrheit scheint schlicht abzuwarten, bis der Flugbetrieb wieder aufgenommen wird: Der Flughafen Ben Gurion ist so leer wie sonst selten. Dort, wo normalerweise Verwandte und Freunde ihre Lieben in Empfang nehmen, stehen am Mittwoch gerade zwei Menschen. Die Gänge vor den Check-ins sind leer, stundenlang wird kein Flug angesagt.
"Bis gestern war es hier noch voll", sagt Liza Dvir, Sprecherin des Flughafens. Sie ist um Diplomatie bemüht, betont mehrfach, dass die FAA jedes Recht habe, eine derartige Entscheidung zu treffen. "Aber Ben Gurion ist ein sicherer Ort", versichert Dvir.
Israel fühlt sich von der Welt im Stich gelassen. Auch die Tscholls glauben, die Annullierung der Flüge habe vor allem politische Gründe. "Mir kommt es vor, als wolle man Israel unter Druck setzen, indem man es von der Welt abschneidet", sagt Theodor Tscholl.
Die israelische Wirtschaft ist von Ben Gurion abhängig: Nicht nur Touristen landen hier, sondern auch Geschäftsleute. Sie alle könnten ihre Reisen nun absagen. Der materielle Schaden lässt sich noch nicht abschätzen, doch der psychologische ist beträchtlich. Verkehrsminister Israel Katz beschrieb die Streichung der Flüge als "Belohnung für den Terror" der Hamas - zu Lasten Israels.um