Frankfurt (Reuters) - Nach der Kursrally zum Wochenanfang macht sich unter den Anlegern in Europa wieder etwas Ernüchterung breit.
Der Dax legte am Mittwochvormittag 0,4 Prozent zu auf 13.214 Punkte, der EuroStoxx50 lag 0,3 Prozent im Plus bei 3454 Zählern. An den Märkten trete nach der Euphorie über den Coronavirus-Impfstoff nun allmählich der Realitätscheck ein, sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. “Selbst, wenn die Zukunft jetzt wieder rosiger aussieht: bis dahin müssen sich alle noch gedulden - Politiker, Bürger, Unternehmen, Investoren - und sich mit den aktuellen Gegebenheiten auseinandersetzen.”
Anleger nahmen bei Aktien eine Neubewertung vor und machten bei Gewinnern der Coronavirus-Krise zum Teil Kasse. Dagegen standen die Verlierer der Pandemie auf den Kaufzetteln der Investoren. So zogen Titel der Reisebranche am Vormittag rund ein Prozent an, während Tech-Firmen zunächst nachgaben. “Der Markt irrt sich nicht - wir wissen, wer während Covid profitiert hat, und es war fast unvermeidlich, dass es bei einem Ende von Covid eine Kehrtwende geben würde”, sagte Luca Paolini, Chefstratege bei Pictet Asset Management.
SEKTOR-ROTATION
Die Nachricht, dass der in der Entwicklung befindliche Impfstoff der Mainzer Firma Biontech (NASDAQ:BNTX) und ihres US-Partners Pfizer (NYSE:PFE) das Risiko einer Corona-Infektion um 90 Prozent verringere, hatte am Montag weltweit ein Kursfeuerwerk ausgelöst. Einer Analyse von Reuters zufolge belief sich das Handelsvolumen auf fast zwei Billionen Dollar. Damit gehörte der Montag zu den geschäftigsten Handelstagen seit März, als die Angst vor den Folgen der Pandemie die Finanzmärkte erschütterte.
“Sie haben eine große Rotation miterlebt, die gezeigt hat, wie schief die Positionierung war”, sagte Richard Saldanha, Portfoliomanager bei Aviva Investors. Auch in anderen Bereichen passten Investoren ihre Bewertung den durch den Fortschritten beim Impfstoff geänderten Aussichten an. So wandten sich Anleger vom “sicheren Hafen” Bundesanleihen ab. Im Gegenzug stieg die Rendite der zehnjährigen Titel auf ein Zwei-Monats-Hoch von minus 0,456 Prozent.
Die aufgehellten Aussichten für die Wirtschaft trieben auch die Ölpreise weiter an. Ein Barrel der Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich 3,3 Prozent auf 45,06 Dollar je Barrel. Auch US-Leichtöl WTI notierte mit 42,84 Dollar je Barrel mehr als drei Prozent fester. Auch ein überraschend starker Rückgang der Rohöllagerbestände in den USA sorgte für positive Stimmung. Damit haben die Ölpreise in dieser Woche mehr als 13 Prozent zugelegt.
Zunehmend rückten wieder die Bilanzen der Unternehmen in den Fokus der Anleger. So feierten Anleger die ermutigenden Geschäftsaussichten von Bechtle (DE:BC8G). Die Aktien des IT-Systemhauses sprangen in der Spitze um 13,7 Prozent auf ein Drei-Wochen-Hoch. Das Unternehmen profitiert vor allem von einer durch die Corona-Pandemie verstärkten Nachfrage nach Homeoffice-Ausrüstungen.
Der Energiekonzern E.ON (DE:EONGn) legte bis zu 2,1 Prozent zu, nachdem die Quartalszahlen die Erwartungen leicht übertroffen haben. Positiv werteten Händler zudem, dass der Konzern durch die aktuellen Lockdown-Maßnahmen mit keinen größeren Belastungen mehr für das Ergebnis 2020 rechnete. Dagegen gaben Continental-Aktien rund ein Prozent nach. Unter dem Strich droht dem weltweit drittgrößten Autozulieferer aus Hannover ein weiteres Verlustjahr in Folge.