- von Hans-Edzard Busemann
Dresden/Düsseldorf (Reuters) - In der AfD ist der Machtkampf um die Ausrichtung der Partei entschieden.
Die Vorsitzende Frauke Petry kündigte am Dienstag in Dresden an, wegen einer zunehmenden Radikalisierung die AfD zu verlassen. "Ich habe fünf Kinder, für die ich Verantwortung trage, und am Ende muss man sich auch noch im Spiegel anschauen können", sagte die 42-Jährige vor Journalisten. Deutschland brauche dringend politische Veränderungen. "Aber wir sehen unsere Partei nicht mehr in der Lage, diese in die Hand zu nehmen." Auch ihr Ehemann, NRW-Landeschef Marcus Pretzell, kündigte an, die Partei zu verlassen. In Berlin wurden die Kontrahenten von Petry, die Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel, zum Vorsitzenden-Duo der ersten AfD-Fraktion im Bundestag gewählt.
Petry steht seit Juli 2015 an der Spitze ihrer Partei. Unter ihrer Führung entwickelte sich die AfD, die sich ursprünglich unter ihrem früheren Vorsitzenden Bernd Lucke gegen die Euro-Politik der Bundesregierung richtete, zu einer rechtspopulistischen Partei mit Fokus auf der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Am Montag hatte sie bei einem spektakulären Auftritt angekündigt, der AfD-Bundestagsfraktion nicht angehören zu wollen. Sie nutzte dazu eine gemeinsam mit Co-Parteichef Jörg Meuthen sowie Weidel und Gauland anberaumte Pressekonferenz in Berlin.
"Das ist die logische Konsequenz aus dem, was passiert ist", sagte Petry am Dienstag. Ihre Ziele hätten sich nicht verändert, sie wolle nach wie vor einen Politikwechsel mit Blick auf die nächste Bundestagswahl 2021. Gauland begrüßte Petrys Schritt: "Ich bin dankbar, dass sie diesen Weg jetzt gegangen ist." Er halte nicht viel von Parteiausschlussverfahren: "Es ist gut, dass sie das Problem jetzt auf diese Weise gelöst hat."
Petry hatte bei der Wahl am Sonntag in Sachsen ein Direktmandat für die AfD gewonnen, die Partei wurde in dem Bundesland zudem stärkste Kraft vor der CDU. Seit Monaten wird sie aber von der Parteispitze um Meuthen, Gauland und Weidel gemieden. Hinzu kamen Querelen in ihrem sächsischen Landesverband, der sich zunehmend von Petry distanzierte.
Petry, die selbst einmal den Begriff des "völkischen" wieder salonfähig machen wollte, galt zuletzt eher als gemäßigte Vertreterin der AfD. Beim Parteitag im April war sie mit einem Antrag gescheitert, die AfD auf einen vergleichbar gemäßigteren Kurs festzulegen. Ihr Vorstoß richtete sich gegen die Rechtsausleger in der AfD, die vom Thüringer Landeschef Björn Höcke symbolisiert werden. Höcke wird wegen fremdenfeindlicher Äußerungen, unscharfer Abgrenzung zur NPD und abwertender Äußerungen zum Berliner Holocaust-Mahnmal bundesweit kritisiert. Gauland zählt zu seinen Anhängern ebenso wie andere Mitglieder der Parteispitze.
Petry sagte am Montag im ZDF: "Ich möchte, dass die Themen zukünftig dominieren, und nicht die abseitigen Äußerungen, die wir in der Vergangenheit gehört haben." Dienstag erklärte sie, sie habe viele positive Zuschriften bekommen. Ob darunter auch Abgeordnete seien, könne sie noch nicht sagen.
WEITERER LANDTAGSABGEORDNETER WILL AFD-FRAKTION VERLASSEN
Pretzell, der auch Europa-Abgeordneter der AfD ist, erklärte in Düsseldorf: "Mein Entschluss beruht ausschließlich auf meiner nicht sehr optimistischen Einschätzung der Entwicklung der AfD." Der "Welt" sagte er ergänzend: "Wir sind übereingekommen, dass ich zum kommenden Freitag aus der Landtagsfraktion und auch aus der Partei austrete." Mit Pretzell erklärte ein weiterer Landtagsabgeordneter, er werde die Fraktion verlassen. Auch in Sachsen kündigten neben Petry weitere zwei Abgeordnete die Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag auf. Bereits am Montag hatten vier der 17 Abgeordneten der AfD-Fraktion im Schweriner Landtag ihren Austritt angekündigt und dies mit der Radikalisierung der Partei begründet.
In Berlin wurden Gauland und Weidel, die sich gemeinsam zur Wahl gestellt hatten, mit 86 Prozent der Stimmen der 93 Abgeordneten zu den beiden Vorsitzenden der AfD-Fraktion gewählt. Gegenkandidaten gab es nicht. "Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden", sagte Weidel. Die AfD-Fraktion war vollzählig. Mit Petry hatte die Fraktion 94 Mandatsträger gehabt.
Zu Beginn der Sitzung hatte sie erklärt, bisher seien keine Abwanderungstendenzen unter den neuen Abgeordneten zu erkennen. Gauland sagte, er hoffe, dass keine Abgeordneten Petrys Beispiel folgen würden, schränkte aber ein: "Aber ich kann jetzt im Moment in Köpfe nicht schauen."
Gauland signalisierte, sich im Ton mäßigen zu wollen: "Der Wahlkampf ist zu Ende. Und natürlich ist die Sprache im Wahlkampf eine andere als im Parlament. Das ist doch ganz klar." Gauland hatte unter anderem mit der Forderung, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, in Anatolien "zu entsorgen", Empörung ausgelöst. Zudem sprach er sich dafür aus, stolz auf die militärischen Leistungen der Wehrmacht zu sein. Man solle den Deutschen nicht mehr die Nazi-Diktatur vorhalten.