FRANKFURT (dpa-AFX) - Der deutsche Aktienmarkt dürfte in der neuen Woche ganz im Zeichen der Notenbanken und einer möglichen Jahresendrally stehen. Nach einem zuletzt kräftigen Wochenplus, dem Bruch wichtiger Marken und der Bestätigung der lockeren Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) sind die Blicke in den kommenden Tagen vor allem auf den nächsten Zinsentscheid gerichtet, der am Mittwoch in den USA ansteht. Eine Erhöhung durch die Währungshüter der Fed gilt dabei am Markt als ausgemacht.
Nachdem der Dax (DAX) in der Vorwoche den hartnäckigen Widerstand bei 10 800 und die psychologisch wichtige Marke von 11 000 Punkten spielend genommen hat, gehen zahlreiche Charttechniker davon aus, dass der deutsche Leitindex vorerst weiteres Potenzial hat. Innerhalb von vier Handelstagen hatte er einen Satz um rund 6 Prozent nach oben gemacht und war auf Jahressicht in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt. Die nächste charttechnische Schwelle sahen Experten zuletzt bei 11 350 Punkten.
Für das Kursfeuerwerk hatte nach dem eigentlich negativen Ergebnis des italienischen Verfassungsreferendums die Fortsetzung des gigantischen Anleihekaufprogramms durch die EZB gesorgt. "Die seit der Finanzkrise bewährte Gleichung ist mal wieder aufgegangen", kommentierte dies Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba): Politischer Unsicherheit werde mit einer expansiven Geldpolitik begegnet, die zu steigenden Aktienmärkten führe.
Für eine weiterhin positive Vorweihnachtstendenz spricht, dass es Marktbeobachtern zufolge im restlichen Jahresverlauf nur noch wenige Stolperfallen für den Markt gibt. Markus Huber vom Broker City of London Markets etwa verwies jüngst darauf, dass dem Endspurt nach einem positiven Entscheid der europäischen Währungshüter eigentlich nur noch wenig im Weg stehe - auch deshalb, weil der Markt beim Zinsentscheid der Fed am Mittwochabend bereits fest mit einer Erhöhung um 25 Basispunkte rechnet.
Für die Fortsetzung der vor genau einem Jahr in den USA eingeleiteten Zinswende sprechen nach Einschätzung der Postbank gleich mehrere Faktoren. So habe sich die Konjunktur zuletzt deutlich belebt, während sich der Arbeitsmarkt anhaltend robust zeige und die Inflation zuletzt deutlich angezogen habe. "Vor diesem Hintergrund wäre alles andere als ein Zinsschritt eine große Überraschung", so die Postbank-Experten.
Ob es zu einem Endspurt kommt, sehen Börsianer aber mit gemischten Gefühlen. "Angstbarometer in den USA und Deutschland signalisieren Euphorie", sagte Daniel Saurenz von Feingold Research. In solchen Phasen sei es üblich, dass Rallys eher endeten als begännen. "Die längste Wegstrecke sollte schon absolviert sein", sagte der Experte. In Punkten gesprochen habe der Dax bis Jahresende noch Luft bis auf 11 400 Zähler.
Auch Helaba-Experte Markus Reinwand blickt skeptisch auf die nächsten Tage. Er verwies auf historische Muster, wonach ein starker Dezember vor allem dann eintrete, wenn Aktien schon in den ersten elf Monaten gut gelaufen seien. Per Ende November lag der Dax aber noch mit knapp 1 Prozent im Minus. Außerdem sieht Reinwand die Gefahr, dass der Markt in der Vorwoche das Prinzip "Buy the rumour, sell the fact" angewendet haben könnte. Es sei bei Zinsentscheidungen der EZB durchaus üblich, dass der Dax im Vorfeld steige, danach aber etwas durchatme.
Außer der Fed entscheidet in der kommenden Woche auch die Bank of England (beide am Donnerstag) über ihre Geldpolitik. Bei den Briten rechnen die Experten der Großbank HSBC damit, dass eine zuvor für wahrscheinlich gehaltene, weitere Lockerung der Geldpolitik vom Tisch ist. "Die Nachwehen der Brexit-Entscheidung sind derzeit längst nicht so stark, wie die Bank of England zunächst befürchtete", sagte Chefvolkswirt Stefan Schilbe.
Ansonsten füllt sich die Wochenagenda nur allmählich. Der erste potenziell marktbewegende Termin sind am Dienstag die Konjunkturerwartungen des ZEW-Instituts. Am Mittwoch folgen aktuelle Zahlen zur US-Industrieproduktion und den US-Einzelhandelsumsätzen, die angesichts des Weihnachtsgeschäfts besondere Beachtung finden dürften. Am Donnerstag stehen mit den Einkaufsmanagerindizes dann noch wichtige Frühindikatoren von beiden Seiten des Atlantiks auf der Agenda. Die Postbank hält es für möglich, dass die mit dem Wahlsieg von Donald Trump verbundenen positiven Erwartungen an die US-Wirtschaft dabei erste Auswirkungen haben werden.
Auf Unternehmensseite dürften die Bayer-Anleger (4:BAYGN) am Dienstag gespannt über den Atlantik schauen, wenn die Monsanto-Aktionäre (1:MON) über die Mega-Übernahme des US-Saatgutriesen abstimmen. Am Mittwoch werden Jahreszahlen der Kupferhütte Aurubis (4:NAFG) und von Metro (4:MEOG) erwartet. Goldman-Experte Rob Joyce rechnet beim Handelskonzern mit einem Rückgang des operativen Ergebnisses um 5,2 Prozent.
SAP-Aktionäre (4:SAPG) sollten am Donnerstagabend auf die Resultate des Softwarekonzerns Oracle (1:ORCL) für das zweite Quartal achten. Jefferies-Analyst John DiFucci rechnet bei dem US-Konkurrenten mit einem anständigen Ergebnis, das von starken Cloud-Angeboten, aber einer moderateren Entwicklung bei serverbasierter Vor-Ort-Software geprägt sein dürfte.