WASHINGTON (dpa-AFX) - Das weltweite Finanzsystem muss nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds (IWF) wieder mehr auf eigenen Füßen stehen. Es sei an der Zeit, dass sich Industrie- und Schwellenländer von der jahrelangen Unterstützung der lockeren Geldpolitik durch die Notenbanken zusehends lösten. Dazu fordert der IWF in seinem am Mittwoch erschienenen Bericht zur Finanzstabilität auf. Im Kern gehe es darum, von "liquiditätsgetriebenen" zu "wachstumsgetriebenen" Finanzmärkten zurückzukehren, sagte Jose Vinals, Leiter der Finanzmarktsparte beim IWF.
Insgesamt hat sich aber die Stabilität der Finanzmärkte nach Einschätzung des Fonds in den vergangenen Monaten erhöht. Verwiesen wird unter anderem auf die konjunkturelle Erholung in den USA, ein größeres Zutrauen in den Euroraum und erste Erfolge Japans im Kampf gegen Deflation und Wachstumsschwäche. Auch hätten zahlreiche Schwellenländer damit begonnen, auf den seit Mitte 2013 erfolgten Abzug von Kapital zu reagieren.
Dennoch sieht der IWF zahlreiche Herausforderungen. In den USA müsse sichergestellt werden, dass der Übergang von einer lockeren zu einer strafferen Geldpolitik reibungslos verlaufe, sagte Vinals. Nachdem die US-Notenbank Fed bereits Ende 2013 damit begonnen hat, ihre zur Konjunkturbelebung aufgelegten Wertpapierkäufe schrittweise zurückzufahren, rechnet der Fonds mit einer ersten Zinsanhebung Mitte 2015. Die Auswirkungen der Zinswende auf andere Industriestaaten und die Schwellenländer könnten beträchtlich sein, warnte der IWF.
In den USA sieht der Fonds unter anderem Risiken in den Märkten für hochverzinsliche Anleihen (High Yield Bonds) und für Bankkredite an Darlehensnehmer mit geringerer Bonität (Leveraged Loans). Die hohe Aktivität in diesen Märkten resultiere aus der Renditesuche der Investoren im aktuellen Niedrigzinsumfeld, was die Gefahr von Fehleinschätzungen der Risiken berge. Insbesondere aufsichtsrechtliche Regelungen könnten helfen, eine überbordende Risikoübernahme zurückzuführen, schreibt der IWF.
Die Schwellenländer sieht der IWF besonders anfällig gegen eine absehbare geldpolitische Straffung in den USA. Vinals verwies auf den jahrelangen Zustrom ausländischen Kapitals, den problemlosen Zugang zu internationalen Kapitalmärkten und das niedrige Zinsniveau. Steigende Zinsen und schwächere Landeswährungen könnten nun erheblichen Druck auf die aufstrebenden Staaten ausüben.
Für China nannte Vinals als größte Herausforderung die Entschuldung des Schattenbankensektors, der für einen großen Teil der landesweiten Kreditvergabe steht. Der Übergang zu Märkten, die mehr auf marktwirtschaftlich Prinzipien basierten, müsse geordnet und im richtigen Tempo erfolgen. "Kommt die Anpassung zu schnell, können Turbulenzen entstehen." Erfolge die Umstellung zu langsam, könnte sich die Anfälligkeit des Finanzsystems erhöhen.
Im Euroraum müssten Banken und Unternehmen ihre Bilanzen weiter stärken, fordert der IWF. Japan sollte seiner lockeren Geld- und Fiskalpolitik Strukturreformen folgen lassen. Die Auswirkungen der Krise zwischen der Ukraine und Russland hielten sich bislang in Grenzen. Die politischen Risiken seien aber hoch, eine Eskalation des Konflikts könnte die Finanzmärkte stark belasten.