FRANKFURT (dpa-AFX) - Die deutsche Chemieindustrie kommt trotz Euro-Schwäche und niedriger Ölpreise nicht wirklich in Schwung. "Der Aufwärtstrend ist zwar zu erkennen. Er wirkt aber kraftlos", sagte der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Marijn Dekkers, am Mittwoch in Frankfurt. Es fehlten nachhaltige Impulse von der Weltwirtschaft. Er erhöhte wegen der Euro-Schwäche aber die Umsatzprognose fürs Gesamtjahr.
Die drittgrößte Industriebranche in Deutschland rechnet für 2015 statt eines Rückgangs um 0,5 Prozent nun mit 0,5 Prozent höheren Umsätzen. Insbesondere im Ausland läuft es besser. Im ersten Halbjahr legte die Produktion zwar zu, aber der Umsatz habe sich wegen sinkender Preise nur schleppend entwickelt.
"Alles in allem erwarten wir in den kommenden Monaten einen moderaten Aufwärtstrend", dämpfte Dekkers die Erwartungen. Die Produktion dürfte 2015 weiterhin um 1,5 Prozent zulegen, während die Erzeugerpreise um 2,0 Prozent sinken. Laut einer ersten Schätzung legte die Produktion im ersten Halbjahr um 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Die Preise für Chemikalien sackten hingegen wegen niedrigerer Ölpreise und einer zum Teil scharfen Konkurrenz um 3,0 Prozent ab, so dass der Umsatz nur um 0,5 Prozent auf 96,5 Milliarden Euro zulegte. Die Anlagen waren dabei zu 84,5 (Vorjahreszeitraum: 85,0) Prozent durchschnittlich ausgelastet.
"Die Halbjahresbilanz gibt keinen Anlass zum Jubeln - aber auch keinen Grund zum Klagen", sagte Dekkers, der auch Chef des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer ist. Pharmazeutika und Spezialchemikalien liefen weiterhin gut. Zudem wachse die Produktion in der Basis-Chemie wieder. Das Produktionswachstum falle für eine Aufschwungphase aber schwach aus. Insbesondere das Inland blieb im ersten Halbjahr wegen negativer Preiseffekte schwach. Die Euro-Abwertung beflügelte aber den Export. Zweistellig legt die Branche in Nordamerika, Lateinamerika und Asien zu.
Positive Signale gab es zur Jahresmitte auch bei den Preisen. Die Chemikalienpreise zogen wieder an. Gut ausgelastete Kapazitäten etwa in der Spezialchemie, die weitere Abwertung des Euro und wieder steigende Ölpreise machten laut Dekkers die Trendwende möglich. In den nächsten Jahren dürfte sich die Auslastung weiter erhöhen. Dies dürfte auch Preisspielräume eröffnen und sich auch positiv auf die Ertragskraft der Branche auswirken. Der Standort Deutschland leide aber unter hohen Energie- und Arbeitskosten. Das Billigöl in den USA mache diesen Standort besonders attraktiv. Eine Investitionsentscheidung für Deutschland werde immer schwieriger, mahnte Dekkers.
Auf den Arbeitsmarkt schlägt das noch nicht durch. In Erwartung eines Fachkräftemangels in den kommenden Jahren stellte die Branche zuletzt vermehrt ein. Auch im ersten Halbjahr legte die Zahl der Beschäftigten trotz der schwachen wirtschaftlichen Dynamik um ein Prozent auf 447 000 Mitarbeiter zu. Für die zweite Jahreshälfte sei aber kein weiterer Aufbau zu erwarten.