- von Maria Kiselyova und Angus Berwick und Brian Ellsworth
Brüssel/Moskau/Caracas (Reuters) - Nach den USA erhöhen auch andere westliche Staaten den Druck auf Venezuelas sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro.
Die Bundesregierung forderte am Donnerstag ebenso wie die EU Neuwahlen, nachdem am Mittwoch Hunderttausende Menschen gegen Maduro protestiert hatten und Oppositionsführer Juan Guaido sich zum neuen Präsidenten ausgerufen hatte. Dagegen sicherten Russland und die Türkei Maduro ihre Unterstützung zu. Damit wird die Staatskrise in Südamerika zunehmend zu einem internationalen Konflikt. Guaido und andere Regierungsgegner kündigten für die kommenden Wochen weitere Massenkundgebungen an, um Maduro zum Aufgeben zu zwingen. Die Zuspitzung der Krise in einem der wichtigsten Erdöl-Förderländer sorgt weltweit für Unruhe.
"Die Bevölkerung Venezuelas setzt sich mutig für eine freie Zukunft des Landes ein", erklärte in Berlin Regierungssprecher Steffen Seibert. Dafür sei ein politischer Prozess nötig, der in freie Wahlen münden müsse. Ähnlich äußerte sich die EU-Kommission. Auch die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens und Spaniens, Emmanuel Macron, Theresa May und Pedro Sanchez, stellten sich in persönlichen Erklärungen auf die Seite der Regierungsgegner. In Brüssel vermied es allerdings die Kommissions-Sprecherin, Guaido als neuen Präsidenten anzuerkennen. Damit setzt sich die EU von den USA ab, die den 35-Jährigen am Mittwoch umgehend als neuen Präsidenten akzeptiert hatten.
Das russische Außenministerium stärkte Maduro den Rücken und warnte US-Präsident Donald Trump vor einer Militärintervention. Ein solcher Schritt würde ein katastrophales Szenario auslösen, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den stellvertretenden Außenminister Sergej Rjabkow. Venezuela sei ein strategischer Partner Russlands. "Wir haben sie unterstützt, und wir werden sie unterstützen." Rjabkow reagierte damit auf eine Äußerung Trumps, der auf die Frage nach einem US-Militäreinsatz in Venezuela gesagt hatte, alle Optionen lägen auf dem Tisch. Daraufhin brach Venezuela die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab.
AUCH ERDOGAN STELLT SICH HINTER MADURO
Schützenhilfe für Maduro kam auch aus der Türkei: Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte bei einem Telefonat mit dem venezolanischen Kollegen nach Angaben des Präsidialamtes in Ankara: "Mein Bruder Maduro! Bleibe standhaft, wir stehen zu euch." China reagierte verhaltener und sprach sich gegen eine Einflussnahme von außen und gegen Sanktionen aus.
Guaido hatte am Mittwoch der unter der katastrophalen Versorgungslage leidenden Bevölkerung humanitäre Hilfen versprochen. Diese soll im Ausland zusammengestellt und unter Aufsicht des Kongresses, in dem die Oppositionellen die Mehrheit haben, verteilt werden. Um die Hilfsgüter übernehmen zu können, ist in der ersten Februar-Woche ein Protestmarsch geplant.
Eine zentrale Rolle in dem Konflikt spielt das Militär in Venezuela. Bereits am Mittwoch hatte Verteidigungsminister Vladimir Padrino mit Blick auf Guaido erklärt, die Streitkräfte würden keinen von "dunklen" Kräften eingesetzten Präsidenten anerkennen. Der Venezuela-Experte Ronal Rodriguez von der Universität in Bogota in Bolivien kam am Donnerstag zu dem Schluss: "Es trifft zwar zu, dass Guaido international anerkannt ist, aber die Staatsmacht liegt immer noch in den Händen von Nicolas Maduro."
Unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse haben in den vergangenen Jahren über zwei Millionen Venezolaner ihre Land verlassen. Dabei verfügt das Land aufgrund der Erdölvorkommen über bedeutende Bodenschätze. Die politischen Wirren wirkten sich auf internationale Ölkonzerne aus. Anleger zogen sich aus dem russischen Konzern Rosneft zurück. Befürchtet wird ein Machtwechsel in Venezuela und eine Revision von Verträgen. Die italienische ENI-Gruppe teilte mit, die Situation werde aufmerksam beobachtet. Allerdings gebe es noch keine Auswirkungen auf die Förderung, an der ENI (MI:ENI) beteiligt sei.
Die Nachfrage für venezolanischen Staatsanleihen zogen dagegen an. Dahinter steckte die Hoffnung, dass der politische Machtkampf zu einem Ende der Wirtschaftskrise führen könnte.