Berlin/Kiew (Reuters) - Die von prorussischen Separatisten besetzten Gebiete in der Ostukraine drohen nach Ansicht der Bundesregierung komplett von der Ukraine abgeschnitten zu werden.
"Wir sind ernsthaft beunruhigt über fortschreitende Abspaltungstendenzen", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, am Mittwoch in Berlin. Die Separatisten hätten de facto ukrainische Betriebe enteignet. Russland erkenne Pässe aus den von Separatisten kontrollierten Gebiete an. In der sogenannten Volksrepublik Donezk sei der russische Rubel als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt worden. Der Westen wirft Russland vor, die prorussischen Separatisten auch mit Waffen zu unterstützen. Russland hat 2014 bereits die ukrainische Halbinsel Krim annektiert.
"Die souveräne Staatlichkeit der Ukraine ist nicht verhandelbar", sagte der Sprecher des Außenministeriums. Die jetzt in den Separatistengebieten beschlossenen Maßnahmen liefen Geist und Buchstaben des 2015 geschlossenen Minsker Friedensabkommens zuwider. Dieses hat die Wiedereingliederung der Gebiete in ukrainisches Staatsgebiet zum Ziel.
Neue EU-Sanktionen gegen Russland sind nach Angaben der Bundesregierung trotz der Abspaltungstendenzen nicht geplant. Hintergrund dürfte auch sein, dass es in der EU schon schwierig war, die bereits gegen Russland verhängten Sanktionen nochmals zu verlängern.
Die Bundesregierung übte aber auch scharfe Kritik an der ukrainischen Regierung. Denn die Regierung in Kiew stoppte den kompletten Güterverkehr mit den von Separatisten gehaltenen Gebieten in der Ostukraine. Präsident Petro Poroschenko berief am Mittwoch dazu eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheits- und Verteidigungsrates ein. Die Maßnahme sei notwendig, um eine Destabilisierung der Situation im Land zu verhindern, sagte er. Die pro-russischen Rebellen wurden zudem aufgefordert, beschlagnahmte Unternehmen zurückzugeben. "Unser Wunsch ist es, sozialen Unfrieden zu verhindern", betonte Poroschenko. Die Aussetzung des Güterverkehrs werde so lange aufrechterhalten, bis die Rebellen die Kontrolle über eine Reihe von in der Ukraine registrierten Unternehmen zurückgäben, sagte der Sekretär des Sicherheitsrates, Oleksandr Turtschynow. Vor allem Firmen des ukrainischen Oligarchen Rinat Ahmetow sind von der Beschlagnahme durch die Separatisten betroffen.
Hintergrund ist aber auch, dass radikale ukrainische Nationalisten Eisenbahnverbindungen unterbrochen hatten, um den Transport von Kohle aus dem Osten zu verhindern. Ein Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen die Demonstranten hätte die innenpolitischen Spannungen in der Ukraine noch verstärkt.
"Eine solche Entscheidung ... befördert eher noch die Abspaltungstendenzen im Donbass", warnte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert forderte, dass die Blockade der Eisenbahnverbindungen für Kohletransporte aus dem Osten wieder aufgehoben werden sollte.
Beide betonten, die Bundesregierung wolle dennoch am Minsker Friedensabkommen festhalten. Es gebe keine andere Grundlage für die Gespräche, sagte Seibert. Der Sprecher des Außenamtes betonte, die Abstimmungen im sogenannten Normandie-Format (Russland, Ukraine, Deutschland, Frankreich) würden solange fortgesetzt, wie die Konfliktparteien dies wünschten.