von Agnes Lovasz
Die europäischen Aktienmärkte sind im vergangenen Jahr gegenüber ihren Kollegen auf der anderen Seite des Atlantiks zurückgefallen, was die Bewertungen auf ihre niedrigsten Niveaus seit Jahren sinken ließ. Abenteuerlustige Investoren könnten hier Börsenwerte vorfinden, denen hart zu widerstehen ist.
Der Abschlag beim Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) europäischer Aktien gegenüber ihren US-Kollegen “erschien extrem” am Ende des letzten Jahres,meinte Rory Bateman, Kopf für britische und europäische Aktien von Schroders Investment Management aus London in einem Ausblick auf die europäischen Aktienmärkte in 2019.
Die Lücke wurde breiter, als die Steuersenkungen von US-Präsident Donald Trump, die in den USA das Wachstum vorantrieben und es den Unternehmen erlaubten, Geld an ihre Anteilseigner zurückzugeben, auch die US-Aktienkurse beflügelten, sagte Michael Hewson, Chefmarktanalyst bei CMC Markets aus London, in einem Interview. Europäische Aktien litten unter dem zum Stillstand gekommenen Wirtschaftswachstum, den zunehmenden Handelskonflikten und der Abkühlung der Konjunktur in China, denen sich noch die Verunsicherung durch den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU hinzugeselle, sagte er.
Jenseits geopolitischer Widrigkeiten, liegt die Bewertungslücke in den Sektoren begründet, als in den USA Technologie ein stärkeres Gewicht hat, während in Europa Finanzwerte konzentriert sind, sagte Javier Panizo, Portfoliomanager und Analyst für globales Verbraucherverhalten bei Nomura (T:9716) Asset Management aus London, in einem Interview.
Unter den europäischen Aktien, die Nomura favorisiert: Die in London gelistete British American Tobacco (LON:BATS), die in den USA auch als Aktienzertifikat ADR (NYSE:BTI) zu haben ist, der an der Frankfurter Börse gehandelte Autohersteller Daimler AG (DE:DAIGn), ebenfalls als Aktienzertifikat ADR (OTC:DMLRY) in den USA erhältlich, und der Züricher Personaldienstleister Adecco (SWX:SIX:ADEN), der in den USA im Freiverkehr (OTC:AHEXY) gehandelt wird.
1. British American Tobacco
Was macht British American Tobacco derzeit zu einer guten Wahl? Es wird unter dem 10 fachen seines für 2019 erwarteten Gewinns gehandelt, sagt Panizo. Nomura erwartet, dass der Tabakkonzern einen freien Cashflow von 7,3 Mrd Pfund (9,7 Mrd USD) in diesem Jahr generieren wird, genug um die reichliche Dividende zu bezahlen, die die Firma gerade erst um 4% angehoben hat, während genug Geld in der Kasse bleibt, um die Schulden abzustottern. Die gegenwärtige Rendite der Aktie liegt für die britische Anteilsscheine auf 6,44%, während bei den US-Zertifikaten sogar 8,01% drin sind.
Die Anteile des Unternehmens, das Dunhill und Lucky Strike Zigaretten herstellt, haben seit ihrem Rekordhoch vom Mai 2017 fast die Hälfte ihres Wertes verloren. Der gegenwärtige Kurs liegt fast 50% unter dem künftigen Cashflow-Wert von 66,94 Pfund pro Anteilsschein, so die Finanzanalysten von Simply Wall St, deren Berechnungen auf einer Schätzung des freien Cashflows der nächsten 10 Jahre beruhen.
Das Unternehmen verbuchte in 2018 einen Umsatz von 25,76 Mrd Pfund (33,9 Mrd USD), bereinigt um Währungsfluktuationen und den Folgen der Übernahme von Reynolds American (NYSE:RAI) in 2017. Das ist ein Plus von 3,5%, das durch Gewinne von Marktanteilen und Preiserhöhungen zustande kam. Der Gewinn pro Aktie auf der gleichen Grundlage stieg um 11,8% auf 315,5 Pence, berichtete das Unternehmen am 28. Februar.
Die BATS-Aktie steht unter Druck, als die US-Lebens- und Arzneimittelaufsicht Food and Drug Administration (FDA) ein Verbot von Mentholzigaretten erwägt, die als Einstiegsdroge für neue Raucher angesehen werden, sagt Londoner Investmentfirma Hargreaves Lansdowne. Das wäre ein “schwerer Schlag” für British American wegen deren dominanten Position bei Metholzigaretten in den USA, nach der Reynolds-Übernahme, urteilt Hargreaves.
Weiterer Gegenwind kam letzte Woche auf, als das Unternehmen mitteilte, es werde eine Rückstellung in Höhe von 436 Mio Pfund (573 Mio USD) gegen den Gewinn in 2019 vornehmen, nachdem es ein Revisionsverfahren bei einer Sammelklage kanadischer Raucher gegen seine Tochter Imperial Tobacco Canada und zwei Konkurrenten mit verloren hatte. Das Berufungsgericht von Quebec bestätigte ein Gerichtsurteil von 2015, dass die Firmen 15,6 Mrd CAD (11,6 Mrd USD) an Schadenersatz an die Raucher zahlen müssen.
Trotz alledem sagt Panizo von Nomura, er lasse sich von diesen Entwicklungen nicht abhalten. Die Wertberichtigung nach dem Urteil des kanadischen Berufungsgerichts wird keine Barmittelabflüsse nach sich ziehen und im schlimmste Fall, der Schließung der kanadischen Konzerntochter, den Gewinn um 4% verringern, sagte er.
Das regulatorische Risiko “hat wahrscheinlich einen Wendepunkt erreicht”, mit dem Rücktritt von FDA-Kommissar Scott Gottlieb in der letzten Woche, der der Hauptbefürworter einer starken Anti-Tabak-Gesetzgebung war, sagte Panizo und fügte an “die Zukunft der Tabakindustrie liegt klar in einer neuen Generation von Produkten wie Vaping und Erhitzen ohne Verbrennen”. BAT investiert mehr und mehr in neue Produkte, die auf mittlere Sicht zu positiven Ergebnisse führen sollten.
2. Daimler AG
Nomuras Vermögensverwalter mögen auch Daimler, Eigentümer von Mercedes-Benz. Es ist keine offensichtliche Wahl, angesichts der Vielzahl von Herausforderungen, denen sich Europas Autokonzerne in diesem Jahr gegenübersehen, wie sinkende Verkaufszahlen in Europa und China, den möglichen Folgen eines Scheiterns der amerikanisch-chinesischen Handelsgespräche und der Bedrohung durch höhere US-Zölle auf europäische Autos, nachdem US-Präsident Donald Trump das Handelsministerium beauftragt hatte, zu untersuchen, ob Automobilimporte eine Gefährdung der nationalen Sicherheit darstellten.
Striktere Abgasrichtlinien für Diesel, die letztes Jahr in Kraft traten, belasten den Sektor zusätzlich. Und dann kommt noch der Wettbewerb vom Elektroautohersteller Tesla (NASDAQ:TSLA) und Fahrdiensten, die die Autohersteller unter Druck setzen, die Entwicklung elektrischer und hybrider Fahrzeuge voranzutreiben, was erhebliche Investitionen verschlingt.
Panzio meint, Daimler sei ein “qualitativ besseres Unternehmen in einem billigen und in Ungnade gefallenen Sektor”. Die Aktie wird zu einem attraktiven Wert des 6,5 fachen des für 2019 erwarteten Gewinns gehandelt. Und dank Mercedes-Benz hat das Unternehmen eine bessere Markenwahrnehmung als die Konkurrenz.
Es hat sich auch erhebliche Ausgaben für Elektroautos und neue Emissionstechnologie geplant, sagt Panzio weiter. Der Autohersteller plant, in den nächsten fünf Jahren 10 voll-elektrische Autos auf den Markt zu werfen.
Während der Gewinn pro Aktie Daimlers Jahresabschluss vom 15. Februar nach, in 2018 gegenüber dem Vorjahr um 29% auf 6,78 Euro zurückging, trotz eines gestiegenen Umsatzes, rechnet Nomura für dieses Jahr und für 2020 auch beim Gewinn mit Wachstum.
3. Adecco Gruppe
Nomuras dritter Favorit ist Adecco, der größte Personaldienstleister der Welt, dessen Börsenwert beim 10,6 fachen des für 2019 erwarteten Gewinn liegt, was bedeutet, dass der Markt “eine starke Verschlechterung des EU-Arbeitsmarktes, mit einer möglichen Rezession im Ausblick,” schon eingepreist hat, sagt Panizo.
Während die Konjunktur sich in Europa abkühlt, ist eine ausgewachsene Rezession nicht zu erwarten. Von Consensus Economics befragte Analysten erwarten, dass die Wirtschaft des Euroraums mit nur knapp unter 1,6% wachsen wird, womit dieses das zweite Jahr mit einer Verlangsamung wäre, nach einem erwarteten Wachstum von 1,9% im letzten Jahr und 2,4% in 2017, berichtete die Financial Times im Januar.
Das Schweizer Unternehmen wies für das vierte Quartal 2018 einen unerwarteten Verlust von 112 Mio Euro aus, nachdem es eine Abschreibung auf den Goodwill seines Deutschlandgeschäfts vornehmen musste, wegen Gesetzesänderungen bei Leiharbeitern, den Produktionssenkungen im deutschen Automobilbau und der allgemeinen Konjunkturverlangsamung, sagte CEO Alain Dehaze in einem Interview auf Bloomberg TV vom 28. Februar.
Selbst wenn es in Europa langsamer voran geht, sieht das Unternehmen solides Wachstum in den USA und Asien, sagte Dehaze.
Daten von Thompson Reuters zeigen, dass die durchschnittliche Analystenempfehlung für Adecco “Halten" ist. Allerdings haben Analysten traditionell ihre Sorgen über einen strukturellen Rückgang der Margen in dem Geschäft und Adeccos Finanzvorstand bestätigte im vergangenen Monat, dass es schwieriger geworden ist, die Margen in dem schwierigen Wachstumsumfeld zu verbessern, berichtete Reuters. Und dennoch konnte Adecco im vierten Quartal eine Bruttomarge verbuchen, die über den Analystenerwartungen lag, was Panizo “ermutigend” fand.
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