Die türkische Lira befindet sich weiter im Sturzflug. Am Montag sank sie zum Euro auf 6,2990 - ein neues Rekordtief. Ein Dollar kostete in der Spitze 5,4265, auch das entspricht einem neuen Allzeittief.
Auf Sicht von einem Jahr verlor die türkische Lira zum US-Dollar knapp 50 Prozent an Wert, zum Euro etwas weniger als 48 Prozent. Betrachtet man die Wertentwicklung der letzten 3 Jahre, so hat sich der Wechselkurs EUR/TRY mehr als verdoppelt, während der USD/TRY um satte 90,83 Prozent gestiegen ist.
Allein im zurückliegenden Monat hat der USD/TRY um 12,10 Prozent aufgewertet, während der EUR/TRY um etwas mehr als 10 Prozent zulegte.
Wechselseitige Sanktionen als Zünglein an der Waage
Grund für die jüngste Dynamisierung der Abwärtsbewegung der türkischen Lira war, dass die Türkei den US-Pastor Andrew Brunson nicht aus der Haft entließen, sondern in einen Hausarrest überstellte. In der Folge erließ US-Präsident Donald Trump Sanktionen gegen zwei türkische Minister. Als Antwort auf Trump kündigte der türkische Machtinhaber Erdogan am Wochenende umgehend Sanktionen gegen zwei US-Minister an.
Die jüngste Sanktionswelle aus den beiden Staaten ist aber nicht nur als Reaktion auf die Inhaftierung des US-Pastors Brunson zu verstehen. Auch die US-Unterstützung der syrischen Kurden ist Erdogan ein Dorn im Auge.
Viel wichtiger wiegt aber ist die Tatsache, dass Erdogan und auch andere Regierungsvertreter in Ankara insgeheim glauben, dass der Putschversuch im Juli 2016 vom amerikanischen Geheimdienst CIA organisiert wurde. Was tatsächlich im Hintergrund abläuft, weiß niemand, aber die Türkei glaubt, dass die Nichtauslieferung des islamischen Geistlichen Fethullah Gülen, der als Initiator des Putschversuches gilt, ein Fingerzeig dafür ist, dass die CIA da ihre Finger mit im Spiel hatte.
All dies entlud sich in den wechselseitigen Sanktionen der letzten Tage. Ob da noch mehr kommt? Ich weiß es nicht, möglich ist es aber. Das Opfer des politischen Dramas bleibt aber wahrscheinlich die türkische Lira.
US-Türkei-Sanktionen nur als Spitze des Eisbergs
Die US-Sanktionen sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Schließlich hat die Türkei ein handfestes Inflationsproblem. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 pumpte die Regierung in Ankara Milliarden in die angeschlagene Wirtschaft. Mit Erfolg, da die schrumpfende Wachstumsraten im vierten Quartal 2016 sich nur als einmaliger Ausrutscher darstellte. In der Folge blühte die türkische Wirtschaft richtig auf und produzierte Traum-Wachstumsraten.
Aufgrund des vielen Geldes im Finanzsystem und den hohen Wachstumsraten stieg die Inflation in ungeahnte Höhen. Die Zentralbank steuerte nicht dagegen, und sie konnte/kann es vielleicht auch nicht, weil Erdogan sie daran hinderte, die Leitzinsen zu erhöhen.
Erst als alle Dämme brachen und die Inflation im März 2018 weiter über 10 Prozent lag, erhöhte die türkische Zentralbank die Zinsen auf einer Sitzung von 8 Prozent auf 16,50 Prozent. Mittlerweile liegt der Leitzins bei 17,75 Prozent. Ob das ausreicht, die Inflation zu dämpfen, ist fraglich.
Denn die türkischen Anleihekurse befinden sich weiter im Tiefenrausch und so kletterte die Rendite zehnjähriger türkischer Staatsanleihen heute auf 19,23 Prozent. Die zweijährige Rendite liegt bei 21,30 Prozent.
Grundsätzlich ist es so, dass Investoren einen Renditeaufschlag erhalten sollten, wenn sie ihr Geld über einen längeren Zeitraum ausleihen. Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zwei Jahren werfen in der Regel weniger ab als Papiere mit zehnjähriger Laufzeit. Direkt nach dem Putschversuch 2016 hat sich dieses Verhältnis jedoch umgekehrt. Laut der Renditekurve besteht daher das Risiko einer Rezession, auch wenn sich das noch nicht in den Wachstumsraten widerspiegelt.
Sollte die Wirtschaft der Türkei in eine Rezession schlittern, dann droht dem Land ein Teufelskreis, aus dem es sich so schnell nicht wieder erholen wird.
Die hohen Renditen mögen auf den ersten Blick interessant ausschauen, aber wenn man die Inflation abzieht, bleibt kaum etwas übrig. Ohne ausländisches Geld könnte die Türkei bald unter einem Berg von Schulden begraben liegen.
Grundsätzlich sollte die Zentralbank die Leitzinsen aufgrund der hohen Inflation weiter erhöhen, bis eine nachhaltige Abschwächung der Teuerungsrate erkennbar ist. Jedoch ist dies in der aktuellen Konstellation unwahrscheinlich, da Erdogan niedrige Zinsen lieber hat. Er will damit das künstlich hochgepushte Wachstum aufrechterhalten.
Fazit:
Erst wenn Erdogan von seinem Hardliner-Standpunkt abrückt, die Unabhängigkeit der Notenbank nicht mehr angreift und seinen Stolz überwinden kann, auch in Bezug auf eine Sanktionsspirale gegen die USA, dann besteht die Möglichkeit auf eine sinkende Inflation bei einer gleichzeitig sich stabilisierenden türkischen Lira. Die Türken würden es begrüßen und man kann es ihnen nur wünschen, dass es am Ende dann auch so kommt!
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