Die Einführung neuer Zölle hat zuletzt wieder für Schlagzeilen gesorgt – vor allem, weil sie die Sorge vor einer möglichen Rezession verstärkt. Ein zentraler Punkt dabei: Die Verbraucher könnten durch höhere Preise zusätzlich belastet werden.
Auch wenn Berichte wie der aktuelle Beschäftigungsbericht noch ein solides Wirtschaftswachstum zeigen, muss man im Hinterkopf behalten: Diese Daten erfassen die Lage immer mit etwas Verzögerung – und spiegeln die neuesten Entwicklungen oft nicht direkt wider.
Wir haben es hier schon öfter betont: Der amerikanische Verbraucher ist das Rückgrat der US-Wirtschaft – rund 70 % des BIP hängen direkt vom privaten Konsum ab.
Nach dem Konjunktureinbruch zur Corona-Zeit ging das BIP durch die umfangreichen Hilfsprogramme zunächst steil nach oben – vor allem, weil viele Haushalte plötzlich mehr auf die hohe Kante legten. Trotzdem hat sich am langfristigen Anteil des Konsums an der Gesamtwirtschaft seit den 2000er-Jahren kaum etwas verändert.
Das liegt vor allem daran, dass die Menschen trotz höherer Ersparnisse mit steigender Inflation zu kämpfen hatten – viele kamen finanziell kaum über die Runden.
Das folgende Schaubild macht das ganze Dilemma deutlich: Die blaue Linie zeigt die Sparquote der privaten Haushalte, die rote Linie hingegen steht für die jährlich nötige Verschuldung – also das, was gebraucht wird, um die Lücke zwischen inflationsbereinigten Lebenshaltungskosten und dem verfügbaren Einkommen bzw. den Ersparnissen zu schließen.
Wie man sehen kann, reichte das Einkommen der Verbraucher um die Jahrtausendwende nicht mehr aus, um den gewohnten Lebensstandard zu halten – selbst mit Ersparnissen war das nicht mehr zu stemmen.
Dass viele Haushalte gezwungen waren, sich zunehmend zu verschulden, um den Konsum aufrechtzuerhalten, erklärt auch, warum der Konsumanteil am BIP in diesem Zeitraum kaum gewachsen ist – trotz steigender Preise und scheinbarem Wirtschaftswachstum.
Das eigentliche Problem liegt in der zunehmend angespannten finanziellen Lage der Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Viele in diesen Gruppen haben ihre während der Pandemie angesparten Rücklagen inzwischen komplett aufgebraucht – und greifen jetzt verstärkt zu hochverzinsten Krediten, um finanzielle Lücken zu schließen.
Ein alarmierendes Signal kommt dabei von der Federal Reserve in Philadelphia: Demnach ist der Anteil der Kreditkartenkonten, bei denen nur noch die Mindestbeträge zurückgezahlt werden, im dritten Quartal 2024 auf 10,75 % gestiegen – ein neuer Rekordwert.
Diese Zahl ist nicht nur ein Warnsignal für die finanzielle Stabilität vieler Haushalte – sie deutet auch auf eine mögliche Liquiditätskrise hin, die sich breiter durch die Wirtschaft ziehen könnte.
Hinzu kommt, dass immer mehr Verbraucher mit ihren monatlichen Kreditkartenzahlungen in Rückstand geraten.
Im dritten Quartal 2024 lag der Zinssatz für überfällige Kreditkartenschulden – also solche, die seit mehr als 30 Tagen nicht beglichen wurden – bei 3,52 %. Das entspricht einem Anstieg um 33 Basispunkte gegenüber dem Vorjahr.
Zum Vergleich: Im zweiten Quartal 2021, also auf dem Tiefpunkt der Pandemie, lag dieser Wert noch bei gerade einmal 1,57 %. Inzwischen hat sich der Satz damit mehr als verdoppelt – ein weiteres Zeichen dafür, wie sehr sich die finanzielle Belastung für viele Haushalte verschärft hat.
Besonders beunruhigend ist auch der zunehmende Griff zu „Jetzt kaufen, später zahlen“-Angeboten. Was dabei besonders ins Auge sticht: Diese Zahlungsmethode wird inzwischen nicht mehr nur für größere Anschaffungen genutzt, sondern immer häufiger für alltägliche Dinge wie Lebensmittel.
Aktuelle Umfragen zeigen, dass immer mehr Verbraucher Plattformen wie Klarna und Affirm (NASDAQ:AFRM) nutzen, um ihren Wocheneinkauf zu finanzieren. Dabei war diese Art der Ratenzahlung ursprünglich für Konsum- und Luxusgüter gedacht – nicht für Grundbedürfnisse. Dass Anbieter wie Affirm jetzt gezielt in den Lebensmittelbereich expandieren, ist ein deutliches Warnsignal: Die Leistbarkeit von Lebensmitteln ist zu einem ernsthaften Problem geworden.
Schulden sind für viele Menschen inzwischen nicht mehr nur ein Finanzierungsinstrument – sie sind eine Frage des Überlebens.
Vor diesem Hintergrund kommt Trumps Handelskrieg zur Unzeit. Die Verbraucher zeigen schon jetzt klare Anzeichen von finanzieller Erschöpfung. Laut aktuellen Daten der Fed und den jüngsten Unternehmensberichten sind die Ersparnisse, die den Konsum in den Jahren 2021 und 2022 noch gestützt haben, weitgehend aufgebraucht.
Was bleibt, ist eine schwache Konsumbasis, die zunehmend auf Kredite angewiesen ist – selbst für das Nötigste. Zwar hat die Inflation zuletzt etwas nachgelassen, doch das Grundproblem bleibt bestehen. Und inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass die akuten Risiken nicht mehr nur Inflation heißen, sondern auch Rezession und sogar Deflation wieder auf dem Tisch liegen.
Das Verbrauchervertrauen sinkt
Der finanzielle Druck auf die Verbraucher zeigt sich längst nicht mehr nur in einzelnen Indikatoren – er schlägt sich inzwischen auch in den Unternehmensgewinnen und in den Aussagen der Unternehmenslenker nieder.
Doug McMillon, CEO von Walmart, machte in der jüngsten Ergebnis-Telefonkonferenz deutlich, dass viele Kunden finanziell stark unter Druck stehen. Er sprach davon, dass sie zunehmend „Verhaltensweisen zeigen, die auf Stress hindeuten“ – zum Beispiel, indem sie bei Alltagsprodukten sparen. Besonders eindrücklich seine Warnung: „Bei vielen Kunden ist das Geld weg, bevor der Monat vorbei ist.“
Auch Todd Vasos, CEO von Dollar General, zeichnete ein besorgniserregendes Bild. Seinen Aussagen zufolge kämpfen die Kunden seines Unternehmens mehr denn je. Manche seien inzwischen gezwungen, selbst bei lebensnotwendigen Dingen wie Medikamenten oder Hygieneartikeln Abstriche zu machen, um sich Lebensmittel oder Benzin leisten zu können.
Er brachte es auf den Punkt: „Diese Kunden gehen Kompromisse ein, wie wir sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben.“
Auch Jane Fraser, CEO der Citigroup, meldete sich mit einem ähnlichen Befund zu Wort. Sie stellte fest, dass viele Verbraucher „vorsichtiger werden“ und sich auf kleinere, günstigere Anschaffungen konzentrieren. Das mag zunächst nach rationalem Konsumverhalten klingen, ist aber ein klassisches Anzeichen für eine defensive Grundhaltung – die oft mit rezessiven oder sogar deflationären Phasen einhergeht.
Wenn sich das Verhalten der Konsumenten im großen Stil von „Was möchte ich?“ zu „Was brauche ich unbedingt?“ verschiebt, hat das unweigerlich Folgen – für die gesamte Wirtschaft.
Fasst man all die verschiedenen Vertrauensindikatoren in einem Index zusammen, ist die enge Verbindung zum BIP wenig überraschend.
Dieser Vertrauensverlust der Verbraucher hat übrigens auch direkte Auswirkungen auf die Inflationsrate – was nicht wirklich überraschend ist.
Preise entstehen schließlich im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Wenn die Nachfrage zurückgeht, dann sinken die Preise – und zwar so lange, bis sie wieder auf einem Niveau liegen, bei dem die Verbraucher bereit (oder überhaupt in der Lage) sind, zuzuschlagen.
Das gilt für Produkte genauso wie für Dienstleistungen oder ganze Wirtschaftsbereiche.
Die aktuellen Daten stützen genau diese Entwicklung. Die realen Konsumausgaben der privaten Haushalte – also die wichtigste Komponente des BIP – gehen spürbar zurück. Auch das einst optimistische GDPNow-Modell der Atlanta Fed hat seine Prognosen inzwischen deutlich nach unten angepasst. Der Grund: Die Ausgaben für Waren und Dienstleistungen sind zurückgegangen.
Damit zeigt sich jetzt auch die Wirkung der hohen Zinssätze, die von der Fed ursprünglich eingeführt wurden, um die Inflation einzudämmen. Sie entfalten nun eine bremsende Wirkung – denn Kredite werden teurer und schwerer zugänglich, bestehende Schulden kosten mehr.
Auch der Immobilienmarkt bleibt davon nicht unberührt. Die Zahl der Baugenehmigungen und Baubeginne ist in den letzten sechs Monaten merklich gesunken – parallel dazu ist das Vertrauen unter Bauunternehmen zurückgegangen. Besonders auffällig: Immer weniger Menschen kaufen erstmals Wohneigentum. Gerade diese Gruppe gilt häufig als Frühindikator für die finanzielle Lage der breiten Verbraucherschicht – und ihre Zurückhaltung spricht Bände über die wachsenden Sorgen rund um das Thema Leistbarkeit.
Zusammen mit dem zusätzlichen Druck durch höhere Steuern – konkret: Zölle – ergeben diese Entwicklungen ein klares Warnsignal für die Wirtschaft insgesamt.
Das Risiko einer Rezession (und Deflation) hat sich deutlich erhöht
Die aktuellen Zahlen deuten klar auf ein wachsendes Rezessionsrisiko hin.
Deflation hängt stark mit der Entwicklung von Wirtschaftswachstum, Löhnen und Zinsen zusammen. Und es ist wenig überraschend: Wenn die Wirtschaft in eine Rezession rutscht, sinkt in der Regel auch die Inflation – einfach deshalb, weil die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen einbricht.
Auch wenn die Inflation sich bisher als ziemlich hartnäckig erwiesen hat, zeigen der jüngste Rückgang bei den Anleiherenditen und den Löhnen doch eine klare Tendenz: Die Kaufkraft der Verbraucher dürfte im Laufe dieses Jahres weiter unter Druck geraten – und damit wohl auch die Nachfrage spürbar nachlassen.
Wenn Zölle eingeführt werden – also faktisch eine zusätzliche Steuer für Verbraucher – steigt die finanzielle Belastung. Und wie frühere Daten zeigen, haben Zölle in solchen Fällen keinen stimulierenden Effekt auf die Wirtschaft.
Wenn Verbraucher weniger ausgeben, reagieren Unternehmen oft mit Zurückhaltung bei Investitionen – also mit sinkender Nachfrage – und passen gleichzeitig ihre Beschäftigung an. Weniger Investitionen und weniger gezahlte Löhne sind die Folge.
Wie sich zeigt, bewegen sich die geplanten Investitionsausgaben der Unternehmen ziemlich eng im Einklang mit den realen privaten Investitionen, die ins BIP einfließen – auch wenn es hier kurzfristig Schwankungen gibt.
Zwar spiegeln die aktuellen Zahlen noch nicht direkt die Auswirkungen der neuen Zölle wider, aber sie deuten bereits auf ein deutlich schwächeres Wachstum hin. Unsere Einschätzung ist: Die Investitionsaussichten haben sich in den vergangenen Wochen spürbar eingetrübt.
Wir sehen aktuell eine echte „Erosion der Nachfrage“, ausgelöst durch steigende Inputkosten infolge neuer Zölle – und das in einem Umfeld, in dem das Verbraucherverhalten ohnehin schon geschwächt ist. Diese Kombination aus schwacher Nachfrage und höheren Kosten dürfte, wenn kein externer Schock eintritt – etwa durch ein Ereignis wie ein neues „Ölembargo“ – zu höherer Arbeitslosigkeit, schwächerem Wachstum und wachsendem deflationärem Druck führen.
Ohne einen solchen Angebotsschock aber – also in einer Lage, in der sich viele Konsumenten die angebotenen Waren schlicht nicht mehr leisten können – bleibt den Anbietern häufig nichts anderes übrig, als ihre Preise zu senken, um überhaupt noch Käufer zu finden.
Gleichzeitig verschärfen die aktuellen Kreditbedingungen das Rezessionsrisiko zusätzlich. Die Banken haben die Vorgaben für Kredite an Verbraucher und Unternehmen deutlich angezogen, während die Rückstände bei Kreditkartenzahlungen merklich zunehmen – besonders stark betroffen: Kreditnehmer im Alter zwischen 18 und 39 Jahren.
Die jüngste Umfrage der Federal Reserve unter leitenden Kreditsachbearbeitern zeigt: Die Verfügbarkeit von Krediten nimmt weiter ab. Für viele Menschen, die sich ohnehin schon finanziell am Limit bewegen, wird es dadurch noch schwieriger, sich kurzfristig über Wasser zu halten.
All das markiert einen kritischen Wendepunkt: Der US-Verbraucher – bisher die treibende Kraft hinter dem Wachstum – droht nun zur Belastung für die Wirtschaft zu werden. Und wenn fast 70 % des BIP auf dem privaten Konsum beruhen, ist ein schwacher Verbraucher nicht nur ein Risiko, sondern ein systemisches Problem.
Die Rufe nach einer Kehrtwende in der Geldpolitik werden deshalb lauter – viele Marktteilnehmer rechnen inzwischen mit bis zu vier Leitzinssenkungen der Fed noch in diesem Jahr.
Vorerst bleibt die Lage allerdings kompliziert: Die Inflation liegt weiterhin über dem Zielwert, der Arbeitsmarkt kühlt sich nur schrittweise ab – und das schränkt den Spielraum der Fed ein. Eine zu schnelle Zinssenkung könnte den Preisdruck erneut befeuern.
Doch am Ende könnten genau die Zölle, die jetzt eingeführt wurden, die Nachfrage so stark dämpfen, dass die Sorge um Inflation bald von ganz anderen wirtschaftlichen Risiken abgelöst wird – nämlich von einer spürbaren Wachstumsverlangsamung oder gar einer Rezession.
Das Fazit: Der amerikanische Verbraucher ist finanziell am Ende. Das Sparpolster ist aufgebraucht, das Lohnwachstum verliert an Dynamik, und Kredite werden immer teurer. Die Unternehmen in den USA haben diese neue Realität bereits erkannt – viele geben inzwischen vorsichtige Ausblicke für das laufende Jahr. Selbst der bislang robuste Technologiesektor zeigt erste Anzeichen einer nachlassenden Nachfrage, vor allem in verbrauchernahen Bereichen.
Wenn das Lohnwachstum nicht wieder anzieht oder die Zinsen deutlich sinken, wird der finanzielle Druck auf die Haushalte weiter steigen. Das bedeutet: Eine Rezession wird wahrscheinlicher – und mit ihr rückt Deflation als unmittelbare Bedrohung für die US-Wirtschaft stärker in den Fokus.
Auch wenn das Thema Deflation aktuell noch nicht mehrheitsfähig ist – sollte die Nachfrage weiterhin so stark erodieren, dann wird der Rückgang der Konsumnachfrage zum drängenderen Problem.
Sinkende Realeinkommen und ein nahezu erschöpftes Kreditangebot sind jetzt schon Warnsignale, die nicht ignoriert werden sollten.
Anleger und politische Entscheidungsträger wären daher gut beraten, ihren Blick weniger auf die Inflation zu richten – und mehr auf die wachsenden Probleme der Verbraucher. Genau dort könnte der nächste wirtschaftliche Schock für die USA seinen Ursprung nehmen.