Die Zeiten der Fehlinformation sind leider schlimmer geworden. Da reicht es nicht mehr, bloß Überschriften zu scannen oder hitzige Diskussionen in den sozialen Medien zu verfolgen. Gerade in turbulenten Börsenphasen zahlt es sich aus, den kompletten Bericht zu lesen und sich selbst ein Bild zu machen. Manche Investoren haben diese Lektion in der Trump-Ära 1.0 schmerzhaft gelernt, und unter Trump 2.0 scheint das Risiko sogar noch höher zu sein – vor allem wegen der teils extremen Kursbewegungen und der aktuell hohen Bewertungen.
Ein passendes Beispiel ist die Meldung vom Samstag, dass Trump angeblich Smartphones und Chips von den wechselseitigen Zöllen ausnimmt. In den sozialen Medien wurde schnell behauptet, Trump würde nachgeben. Doch man sollte genau hinsehen: Es handelt sich um die 140%-Zölle, die alles zum Erliegen bringen würden, wenn sie tatsächlich durchgesetzt würden. Dieser Schritt wirkt zwar wie ein Zurückrudern, aber die 20%-Zölle im Zusammenhang mit Fentanyl bleiben bestehen.
Gleichzeitig kursieren Berichte, die USA könnten sich nicht mehr ausschließlich auf China bei der Herstellung kritischer Technologien wie Halbleiter, Chips, Smartphones und Laptops verlassen. Daher steht im Raum, bestimmte Industriezweige – etwa Autos, Stahl, Pharma, Chips – mit spezifischen Zöllen zu belegen, um eine faire und wirksame Anwendung zu garantieren. Sprich: Ein Zollsatz fällt weg, ein anderer könnte bald kommen.
Wenige Stunden nach der ersten Meldung hieß es, Trump werde am Montag weitere Infos zu Chipzöllen vorlegen. Schon länger wird spekuliert, dass das Trump-Team mehr Produktion in den USA sehen will, statt in China. Daher dürfte es entweder bald zusätzliche Zölle geben oder zumindest eine Ankündigung solcher Maßnahmen. Ich wäre überrascht, wenn Technologiegüter auf magische Weise verschont blieben, während andere Produkte fleißig besteuert werden. Trotzdem könnten die Kurse am Montag erst einmal steigen, solange sich die Hintergründe noch nicht richtig herumsprechen. Wie lange dieser Effekt hält, hängt davon ab, wann Trump erneut das Thema Technologiezölle aufgreift. Vielleicht nur ein halber Handelstag.
Derweil wäre es interessant zu sehen, ob der S&P 500 die Kurslücken bei 5.455 und 5.660 Punkten schließt und wie der Markt darauf reagiert. Das könnte viel über den aktuellen Marktcharakter verraten.
Diese Woche ist außerdem Steuerwoche, und das allgemeine Konto des US-Finanzministeriums (TGA) dürfte um rund 400 Milliarden Dollar steigen. Das TGA steht derzeit bei rund 315 Milliarden Dollar und ist somit fast leergeräumt. Steigt es wie geplant, müssten sich die Reserven der Banken um denselben Betrag verringern, was sie in den Bereich von 3,0 bis 3,1 Billionen drücken würde.
Bei steigenden Engpässen könnten die allgemeinen Sicherheitenzinsen und damit auch der Tagessatz für besicherte Übernachtfinanzierungen anziehen. Die Reserven werden sich nur langsam erholen, weil das TGA nun mal schwach gefüllt ist und erst allmählich abfließt. Wenn also die Reserven erst einmal abrutschen, dauert es, bis sie wieder hochkommen.
Zusätzlich dürfte das Bargeld aus staatlichen Wohnungsfinanzierungsagenturen (GSE) Mitte der Woche in den Repo-Markt und die Reverse-Repo-Fazilität fließen. Dadurch steigt möglicherweise das Reverse-Repo-Volumen, drückt die Bankenreserven unter 3 Billionen und kann für einen weiteren Liquiditätsengpass sorgen.
Alles in allem würde es mich nicht wundern, wenn ein anfänglicher Kursanstieg schnell verpufft – besonders wenn eine der genannten Kurslücken beim S&P 500 geschlossen wird und der Index anschließend steckenbleibt. Aber wir werden sehen, wie es sich tatsächlich entwickelt.