Die Börsen befinden sich derzeit sehr klar im Sog der nahenden EZB-Sitzung, auf der nach dem Wunsch und der Erwartung der Anleger eine Senkung des Einlagezinses sowie eine Ausweitung des QE-Programms bekanntgegeben wird. Anders lässt es sich kaum erklären, dass der Euro immer schwächer wird und die Aktien- und Rentenmärkte im Gleichklang steigen, während negative Nachrichten sehr schnell beiseite gewischt werden. Sowohl die Anschläge von Paris als auch der Abschuss einer russischen Militärmaschine im syrisch-türkischen Grenzgebiet konnten jeweils nur einen Tag lang für Verunsicherung an den Börsen sorgen. Und selbst ohne die sonst nötigen Impulse der US-Märkte, die am Donnerstag feiertagsbedingt geschlossen blieben, konnten die Aktienkurse hierzulande kräftig zulegen.
Was kann die Märkte nach der EZB-Sitzung noch treiben?!
Auch wir können uns vorstellen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am kommenden Donnerstag die Geldschleusen noch etwas weiter öffnen wird. Entsprechend hatten wir auch darauf hingewiesen, dass die Aktienkurse kurzfristig noch Potential haben. Doch ebenso hatten wir angemahnt, dass wir für die Zeit danach skeptisch sind. Und daran hat sich nichts geändert. Es stellt sich weiterhin die Frage, was die Märkte nach der EZB-Sitzung noch treiben könnte.
Geduldig bis zur EZB-Sitzung warten
Wir haben daher im „Geldanlage Premium Depot“ in dieser Woche bewusst keine Änderungen vorgenommen. Vor allem auf neue Aktien-Positionen haben wir verzichtet. Stattdessen nähern wir uns eher der Aufnahme einer Short-Position. Aber da die Kurse bis zum 3. Dezember noch etwas steigen können, warten wir noch etwas ab.
Die Citigroup geht inzwischen davon aus, dass die EZB am kommenden Donnerstag den Einlagensatz um weitere 20 Basispunkte senken und ihr Anleihekaufprogramm ab Januar um 15 Mrd. Euro (auf dann 75 Mrd. Euro pro Monat) aufstocken und um sechs Monate verlängern wird. Obwohl auch wir uns vorstellen können, dass die EZB noch einmal aktiv wird, sehen wir eigentlich anhand der konjunkturellen Lage kaum eine Notwendigkeit dafür. Schauen wir uns einmal die jüngsten Daten aus Europa an:
Alle Indexwerte der Einkaufsmanager signalisieren Expansion der Wirtschaft Europas
Zu Beginn der Woche galt die Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer zunächst den Stimmungsindikatoren. Am Montag wurde die erste Schnellschätzungen zu den Umfrageergebnissen unter den deutschen und europäischen Einkaufsmanagern veröffentlicht, die als guter Frühindikator für die Nachfrage der Unternehmen in den kommenden Monaten gelten. Und demnach befindet sich die Eurozone auf dem Weg zur stärksten Erholung in einem Quartal seit viereinhalb Jahren. Denn der gemeinsame Einkaufsmanagerindex für Industrie und Dienstleister (Composite PMI) legte im Berichtsmonat November um 0,5 auf 54,4 Zähler zu und kletterte damit überraschend auf den höchsten Stand seit 54 Monaten. Der Index für das verarbeitende Gewerbe in der Eurozone konnte ebenfalls um 0,5 auf aktuell 52,8 Punkte zulegen, was der höchste Stand seit 19 Monaten ist. Auch der Indexwert für den Dienstleistungssektor zeigte eine spürbare Verbesserung und stieg für den gemeinsamen Währungsraum von 54,1 auf 54,6 Punkte. Damit liegen alle Werte der Einkaufsmanagerindizes im Expansionsbereich (über 50 Punkte), weshalb sie als Vorlaufindikator auf eine Fortsetzung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone hindeuten. Optimistisch stimmt auch die Tatsache, dass die Dynamik bei der Schaffung neuer Stellen im Dienstleistungssektor in Deutschland auf dem höchsten Stand seit 2011 und in der Eurozone sogar seit 2010 liegt.
Ifo-Index bläst in das gleiche Horn
Für das europäische Zugpferd Deutschland stiegen der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe von 52,1 im Oktober auf 52,6 Punkte und der Indexwert für den Dienstleistungssektor von 54,5 auf 55,6 Zähler.
Am Dienstag überraschte dann ein weiterer Stimmungsindikator positiv. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im November auf 109,0 Punkte und damit den höchsten Stand seit Juni 2014 gestiegen. Analysten hatten im Konsens nur mit einem im Vergleich zum Vormonat Oktober unveränderten Indexwert von 108,2 Punkten gerechnet.
Damit bewegt sich auch dieser Indikator auf einem Niveau, das auf ein weiterhin solides BIP-Wachstum in Deutschland und Europa im vierten Quartal hindeutet.
Geldmenge und Kreditvergabe wachsen dynamisch
Am Donnerstag wurde dann bekannt, dass die Geldmenge im Euroraum im Oktober deutlicher stärker angewachsen ist als erwartet. Nach Angaben der EZB stieg die Geldmenge M3 mit einer Jahresrate von 5,3%, nachdem sie im Vormonat noch bei 4,9% gelegen hatte. Ökonomen hatten „nur“ mit einem Anstieg von 5,0% gerechnet. Im Durchschnitt der Monate August bis Oktober stieg die Geldmenge auf Jahressicht um 5,1% an. Seit dem Frühjahr 2014 hat sich die Wachstumsdynamik der Geldmenge M3 in der Eurozone kontinuierlich beschleunigt und zuletzt auf hohem Niveau gehalten.
Das lag auch daran, dass mehr Kredite vergeben wurden. Im Oktober waren es 2,3% mehr als im Vorjahresmonat, womit sich auch hier das Wachstum beschleunigte. Im September hatte die Kreditvergabe im Vorjahresvergleich um 2,1% zugelegt. Die Kreditvergabe an Private nahm um 0,9% zu, nach 0,7% im September. Im Mai 2014 hatte die Jahresrate noch mit 2,3% im negativen Bereich gelegen.
Sind weitere EZB-Maßnahmen noch erforderlich?
Vor diesem Hintergrund ist es auch kein Wunder, dass insbesondere einige Vertreter Deutschlands inzwischen weiteren Geldpolitischen Maßnahmen der EZB skeptisch gegenüberstehen. Nach Bundesbank-Präsident Weidmann sprach sich in dieser Woche auch EZB-Direktorin Lautenschläger dagegen aus.
Rohstoffmarkt signalisiert Schwäche im Welthandel
Wir sehen angesichts der positiven Konjunkturaussichten aktuell nur einen einzigen Grund für neue Maßnahmen durch die EZB: die sehr wahrscheinlich am 16. Dezember stattfindende Zinswende in den USA. Denn diese könnte sich auch auf das Zinsniveau in Europa auswirken. Und da wird die EZB gegensteuern wollen. Zudem belastet der durch die anstehende Zinswende der Fed bereits stärker werdende US-Dollar den Rohstoffmarkt, auf dem die Preise für Basismetalle wie Kupfer, Nickel und Aluminium in den vergangenen Tagen erneut Mehrjahrestiefs erreichten. Der Kupferpreis fiel auf den tiefsten Stand seit 2009, Nickel rutschte sogar auf das tiefste Niveau seit 12 Jahren. Und auch mit dem für die Frachtschifffahrt wichtigsten Index ging es kräftig abwärts. Der Baltic Dry Index, der die Entwicklung der Charterraten auf den wichtigsten Seehandelsrouten widerspiegelt, brach alleine seit Mai um 60% ein und rutschte mit unter 500 Punkten sogar auf das Allzeittief seiner 30-jährigen Geschichte.
Da der Index als Frühindikator für die Entwicklung des Welthandels gilt, signalisiert dieser Einbruch eine Schwäche des weltweiten Wachstums.
Der Druck auf die Inflationsraten zwingt EZB zum Handeln
Und ein weltweit schwaches Wachstum führt zusammen mit sinkenden Rohstoffpreisen dazu, dass die Inflationsrate auch in Zukunft nicht in Richtung der EZB-Zielmarke steigen wird. Daher ist für Ökonomen inzwischen so gut wie sicher, dass die EZB am 3. Dezember noch einmal die Geldschleusen weiter öffnet. Zumal die Notenbanker ihre Hinweise darauf in den vergangenen Tagen wiederholt haben. Und in ihrem halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht, den die Anleger gestern bewerten durften, sieht die EZB, ganz im Gegensatz zur Deutschen Bundesbank, trotz der bisherigen Niedrigzinspolitik kaum systemische Risiken für das Finanzsystem. Sie verweist lediglich auf die Gefahr abrupter Veränderungen an den Finanzmärkten. Gemeint dürften damit schnelle und heftige Korrekturbewegungen sein. Und dies passt wiederum zu unserer DAX-Prognose.
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Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Geldanlage
Sven Weisenhaus
(Quelle: Geldanlage-Brief vom 29.11.2015)