Der Etat-Streit in den USA geht weiter.Gleichzeitig nähert sich der Termin, an dem der US-Regierung quasi das Geld ausgeht, da sie keine weiteren Schulden machen darf. In den Medien wird der 17. Oktober als Stichtag angegeben, obwohl es der US-Regierung unter Umständen wahrscheinlich sogar mit vielen Tricks gelingen kann, dass es erst gegen Ende des Monats wirklich kritisch wird. Denn Ende Oktober und Anfang November stehen hohe Zinszahlungen an. Hier sollen nach Angaben der Analysten dann auch keine Tricks mehr helfen.
Markt hält sich vergleichsweise gut
Dafür, dass der Streit im Kongress zwischen Republikaner und Demokraten als „verhärtet“ tituliert wird, halten sich die Märkte erstaunlich gut. Auch wenn die aktuell leichten Kursverluste sicherlich mit diesen politischen Börsen zusammen hängen. Und genau diese vermeintliche Gelassenheit ist es, die mir etwas Sorgen bereitet. Wenn Sie mich schon länger lesen, wissen Sie, dass ich immer vergleichsweise beruhigt bin, wenn der Markt Ereignisse „einpreist“ – in diesem Fall also über fallende Kurse abbildet.
Das Überraschungspotenzial
Das hat einen Grund. Eine wichtige Frage im täglichen Börsenallerlei lautet nämlich: Wo liegt das Überraschungspotenzial für die Anleger? Wenn also die Kurse angesichts einer bevorstehenden Krise brav einbrechen, liegt die Überraschung darin, dass eben diese Krise ausbleibt. Das haben wir Anfang des Jahres im Zusammenhang mit der Fiskalklippe erlebt.
Wenn aber eine mögliche Krise eben nicht durch fallende Kurse einpreist wird, gehen die Anleger davon aus, dass die Krise abgewendet wird. In diesem Fall liegt das Überraschungspotenzial auf der anderen Seite.
Und so können wir, Stichtag heute, Folgendes festhalten: Sollte es zu einer Einigung im US-Kongress kommen, werden wir zwar eine kurze Erleichterungsrally erleben, die jedoch schnell wieder ausläuft, eben weil es sich nicht um ein unerwartetes Ereignis handelt. Dann wird schnell wieder Börsen-Alltag gespielt. Und dieser Alltag heißt zurzeit: US-Berichtsaison (siehe Steffens Daily von gestern).
Sollten aber die USA tatsächlich zahlungsunfähig werden, besteht ein erhöhtes Crash-Potenzial. Dieses würde jedoch abgeschwächt, wenn mit der Annäherung an den 17. Oktober oder Ende Oktober die Kurse weiter nachgeben oder sogar stark fallen.
Da wir leider nicht in die Köpfe der beteiligten Politiker schauen können, bleibt uns nur übrig abzuwarten, was passiert. So unbefriedigend das auch sein mag.
Was tun?
Was kann man angesichts solcher Szenarien tun. Es gibt diverse Möglichkeiten:
1. Alles verkaufen.
Vorteil: Kein Verlustrisiko
Nachteil: Man muss eventuell deutlich höher wieder einsteigen, wenn es zu einer Einigung und einer Erleichterungsrally kommt. Und selbst dann ist es nicht sicher, ob es nach dieser Erleichterungsrally nicht doch wieder eine größere Konsolidierung gibt, weil zum Beispiel die Berichtssaison enttäuscht.
Man hat zwar kein Verlustrisiko, aber das Risiko, entweder nicht mehr in den Markt zu kommen oder zu sehr hohen Kursen einzusteigen.
2. Absichern (hedgen)
Hier gibt es viele Missverständnisse. Wenn man seine ganze Position absichern würden, in dem man eine gleichgroße Gegenposition eingeht oder entsprechend gehebelt investiert, ist es gleichzusetzen mit Punkt
1: Alles verkaufen.
Absichern macht meistens nur Sinn für große Fonds oder bei großen Depots. Wenn Sie viele Positionen im Depot haben, kann es einfacher sein, eine Gegenposition (Zertifikat, Option, Futurekontrakte, etc.) aufzubauen. Aus folgendem Grund: Wenn Sie all die Positionen verkaufen müssten, wäre das ein riesiger Aufwand. Indem Sie eine Hedge-Position aufbauen, brauchen Sie nur eine oder wenige (gehebelte) Positionen zu erwerben, um sich marktneutral zu stellen. Das ist meistens deutlich billiger und schneller.
3. Teilverkauf / Teilabsicherung
Eine weitere Möglichkeit ist es, Teilverkäufe vorzunehmen oder wie wir es machen, sukzessive mit fallenden Kursen auszusteigen. Das jedoch nur, um das freigewordene Kapital über tiefe Limits wieder zu investieren.
Diese Variante bürgt natürlich auch Risiken: Es gehört viel Erfahrung dazu, bei Krisen entsprechend vorsichtig und emotionslos auszusteigen und dann auch wieder den richtigen Einstieg zu finden. Doch selbst wenn das gelingt, bleiben Risiken: In einem Crash könnten auch tiefliegende Limits einfach weiter abverkauft werden, oder man verpasst sehr starke Gegenbewegungen.
Und trotzdem hat diese Variante, die Investitionsquote an die Risiken anzupassen und mit freiwerdendem Geld tiefe Limits in den Markt zu legen, sich in den vergangenen Crashs als überaus erfolgreich herausgestellt.
Der entspannte Langfristanleger
Wenn Sie jedoch langfristiger Anleger sind (auf Sicht von mindestens 10 Jahren) und noch Kapital an der Seitenlinie haben, sollten Sie nicht oder nur sehr dosiert aussteigen. Sie können dann bei stark fallenden Kursen Geld investieren. In diesem Fall sollten Sie sich vor Augen halten, dass ein Crash nichts weiter ist als eine Art Sommerschlussverkauf. Sie erhalten die Aktien, die Sie immer schon mal haben wollten, zu unglaublichen Schnäppchenpreisen. Wobei das natürlich nur für fundamental stabile Unternehmen gilt, die auch in einem länger anhaltenden Crash durchaus überleben werden. Ansonsten besteht immer noch die Gefahr der Unternehmenspleite. Einfacher ist es da, direkt in einen Index, zum Beispiel über ETF’s, zu investieren. Hier schalten Sie das Insolvenz-Risiko der Einzelunternehmen aus. Im Dax ist noch keine Angst zu erkennen
Und damit zum Schluss ein kurzer Blick auf den DAX:
Der DAX kämpft zurzeit lediglich mit dem Hoch vom 22.05.2013 bei 8.557 Punkten (siehe schwarzer Pfeil) und befindet sich zudem immer noch über der Mittellinie des aktuellen Aufwärtstrends (schwarz gestrichelte Linie). Aus charttechnischer Sicht ist also im DAX noch überhaupt nichts Bearishes geschehen.
Der Chart spiegelt damit die möglichen Gefahren in keiner Weise wieder. Und damit sind wir wieder bei oben geschriebenem.
Jochen Steffens
Stockstreet GmbH