Anleger sollten nicht davon ausgehen, dass Fed und EZB die Märkte dauerhaft kompromisslos unterstützen können. Die offenkundige Selbstgefälligkeit vieler Anleger erzeugt ein ungutes Gefühl. Dennoch gibt es geld- und fiskalpolitische Gründe, dass die Preise von Risikoanlagen sich weiter nach oben entwickeln könnten. Wir stellen die Analyse von Mark Dowding, BlueBay für die Südseiten der Börse München vor…
Die US-Anleihe- und Aktienmärkte haben 70 Prozent ihrer bis Mitte März aufgelaufenen Verluste wieder wettgemacht. Die Finanzmarktteilnehmer könnten sich jedoch in einer zu optimistischen Weltsicht wiegen. Aus Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern nehmen wir den Eindruck mit, dass die Politik die Wirtschaft nicht unbegrenzt stützen kann. Die Arbeitslosigkeit wird keinesfalls so schnell zurückgehen, wie sie gestiegen ist – die Gesamtnachfrage wird noch einige Zeit lang erheblich beeinträchtigt sein. In einigen Sektoren wird es lange dauern, bis sich die Wirtschaftstätigkeit wieder normalisiert. Die Zahlungsausfälle werden wahrscheinlich steigen, vorrangig im Sektor der ,Old Economy‘.
Vor diesem Hintergrund ist es für uns schwer vorstellbar, dass der Juni an die in den vergangenen zwei Monaten erzielten starken Renditen anknüpfen kann. Weiterhin hängt in der zweiten Jahreshälfte die Gefahr einer zweiten Infektionswelle mit erneuten Lockdown-Maßnahmen in der Luft. Immerhin scheint es, dass die Spannungen zwischen den USA und China im Zusammenhang mit dem Handelskonflikt ad acta gelegt werden, auch wenn die Androhung direkter Sanktionen gegen China nach den Entwicklungen in Hongkong immer wahrscheinlicher zu werden scheint.
Treibt Wunschdenken die Anleger?
Die Anlegerstimmung auf dem europäischen Markt hat sich indes verbessert: Die Vorschläge der EU-Kommission bezüglich des Recovery-Fonds und Aussagen der Europäischen Zentralbank (EZB), die darauf hinzudeuten scheinen, dass eine Aufstockung des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) im Zuge der Sitzung des EZB-Rates in der ersten Juni-Woche angekündigt wird, sorgen für Wohlwollen.
Daher gilt bei Ausbleiben schlechter Nachrichten in einem Umfeld, in dem die Risikopositionierung relativ leicht fällt, dass die Preise von Risikoanlagen sich durchaus weiter nach oben entwickeln könnten. Hierbei spielt auch hinein, dass sich der aktuelle Konjunkturzyklus auffallend von früheren Zyklen unterscheidet. Daher ist es möglich, dass die jetzige Rezession ganz anders verläuft als frühere Rezessionen. Dennoch kann man sich nur schwer dem Gefühl entziehen, dass Anleger derzeit in gewissem Maß von Selbstgefälligkeit und Wunschdenken getrieben werden. Die US-Notenbank dürfte es freuen: Sie kann ihr Pulver trocken halten. Zwar hat sie signalisiert, die Märkte zu stützen, falls sie zu ihren Tiefstständen vom März zurückkehren sollten – aber von diesen Niveaus haben sich die Bewertungen inzwischen sehr weit entfernt. Wir erwarten, dass der Wille der US-Notenbank zu intervenieren sich verstärken wird, wenn die Märkte besonders schwach sind.
Gewaltige Geldprogramme stützen die Weltwirtschaft
Im Moment sieht es so aus, als würde die Summe der gewaltigen geld- und fiskalpolitischen Anstrengungen, mit der die Weltwirtschaft vor dem Schlimmsten der Covid-19-Krise geschützt werden soll, die Finanzmärkte stützen. Aber Marktteilnehmer bewegen sich auf einem gefährlichen Terrain sobald sie davon ausgehen, dass Fed und EZB die Märkte dauerhaft kompromisslos unterstützen können.