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Der Dow Jones legte im Oktober die beste Monatsperformance seit 1976 hin. Nach der jüngsten Zinserhöhung der US-Notenbank Federal Reserve macht sich jedoch wieder Unsicherheit am Aktienmarkt breit. Ist die Zuversicht der Anleger im Hinblick auf das Ende des Zinserhöhungszyklus begründet? Was hat die Fed bei der Zinserhöhung gestern wirklich durchblicken lassen?
Die Kräfteverhältnisse sind klar: Solange die Zinsen weiter steigen, stehen die Aktienmärkte unter Druck. Der Wendepunkt am Aktienmarkt kann kommen, wenn alle weiteren Zinserhöhungen der Notenbanken im Wesentlichen eingepreist sind. Doch wann ist dies der Fall? Um dies herauszufinden analysieren Marktbeobachter die Kommentare der US-Notenbank in allen Details.
Jerome Powell: Achten Sie auf das Ziel und nicht auf das Tempo
Am Mittwoch hatte die Federal Reserve den Leitzins in den USA erwartungsgemäß um 75 Basispunkte angehoben. Der Leitzins liegt nur einer Spanne zwischen 3,75 % und 4 %.
Überraschender als die Zinserhöhung war jedoch, was Fed Chef Jérôme Powell den Marktteilnehmern mitteilte. Powell zufolge sollten die Märkte sich nicht auf die Geschwindigkeit des Zinsanstiegs, sondern auf das Zinsniveau an dessen Ende konzentrieren. Der Notenbankchef ließ zudem durchblicken, dass die sogenannte Endrate – also das finale Zinsziel der Fed – steigen wird. Eine Verlangsamung des Zinsanstiegs bedeute nicht dessen kurz bevorstehendes Ende.
Zunächst hatte der Aktienmarkt mit Zugewinnen auf einen Kommentar reagiert. Die Fed ließ verlauten, dass sie bei der Bestimmung des Tempos zukünftiger Zinserhöhungen die bereits erfolgten Zinsschritte sowie die Verzögerungen in der Wirkung auf Inflation und Konjunktur berücksichtigen werde.
Entscheidend war jedoch etwas anderes: Powell sagt, dass selbst bei langsameren Zinsanstiegen letztlich ein höheres Zinsniveau erreicht werden könnte, als die Notenbank bei der Septembersitzung dachte.
Anders gesagt: Wahrscheinlich kommt es zur Absenkung der Geschwindigkeit wie von den Märkten erhofft. Doch sehr wahrscheinlich ist nach zwei weiteren Zinserhöhungen um jeweils 25-50 Basispunkte noch nicht Schluss.
Im kommenden Jahr könnte ein Leitzins von 6 % oder sogar höher erreicht werden – bislang hatten die Marktteilnehmer darauf vertraut, dass das Ende der Fahnenstange bei 4,6 % erreicht sein würde wie es die Notenbank im September angedeutet hatte.
Es gibt gute Gründe für einen höheren Zins: Die Inflationsrate liegt jenseits von 8 %, die Lohnzuwächse jenseits von 5 %. Größere Anzeichen für Entspannung sind bislang nicht zu sehen.
Bis zu welchem Niveau steigen die US Leitzinsen?
Die Markteilnehmer sind nach der jüngsten Notenbanksitzung deshalb weiter sehr verunsichert. Die entscheidende Frage: Wie hoch werden die Zinsen letztlich steigen?
Dies entscheidet darüber, wie weit die Anleihekurse fallen, in welchem Umfang institutionelle Anleger vom Aktien- in den Bondmarkt umschichten, welchen Belastungen der Goldmarkt noch ausgesetzt ist, wie viele Unternehmen aufgrund ungünstiger Finanzierungskonditionen in die Knie gezwungen werden und vieles mehr.
Powell sagte, die Nominalzinsen müssten über der Inflationsrate liegen. Bei einer Inflationsrate von zum Beispiel 6,5 % im kommenden Jahr würde daraus ein Zinszielbereich von 7 % abgeleitet.
Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Die entscheidende Frage: Bezieht sich die Forderung des Notenbankchefs nach einem positiven Realzins auf die Vergangenheit oder die Zukunft? Ist die Gesamtinflationsrate oder nur die Kerninflationsrate gemeint?
Im Zweifel wird es Powell zufolge eher zu viele als zu wenige Zinserhöhungen geben – letzteres sei der schwerer zu behebende Fehler. Marktteilnehmer befürchten, dass die Notenbank über das Ziel hinaus schießen und eine harte Rezession auslösen konnte.
Das Ende des aktuellen Zinserhöhungszyklus ist dennoch unbekannt. Die Unsicherheit an den Märkten dürfte deshalb bleiben, die Bedingungen für einen Turnaround noch nicht gegeben.