Für Überraschung sorgte letzte Woche die Europäische Zentralbank (EZB), die ihren Leitzins unerwartet um einen halben Prozentpunkt anhob, nachdem sie wochenlang darauf hingewiesen hatte, dass die erste Erhöhung nur einen Viertelpunkt betragen würde. Mit der ersten Anhebung seit 11 Jahren wurde der Einlagensatz von zuvor -0,5 auf jetzt null Prozent angehoben.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärte die Forward Guidance praktisch für tot. In ihrer Pressekonferenz letzte Woche sagte sie, die EZB werde die Zinsen nun auf der Grundlage der eingehenden Daten anpassen, ohne dabei irgendwelche konkreten Ziele festzulegen.
"Durch das heutige Vorziehen des Ausstiegs aus den Negativzinsen können wir zu einem Ansatz übergehen, bei dem Zinsbeschlüsse von Sitzung zu Sitzung gefasst werden", sagte sie.
"Der künftige Pfad unserer Leitzinsen wird weiterhin von der Datenlage abhängen und dazu beitragen, dass wir unser Inflationsziel von 2 Prozent auf mittlere Sicht erreichen."
Die Renditen für Euro-Staatsanleihen sanken unmittelbar nach der überraschenden Anhebung und dem Rückgang des Einkaufsmanagerindex am nächsten Tag, der von 52 im Juni auf 49,4 im Juli unter die Marke von 50 fiel und damit zum ersten Mal seit 2013 eine Schrumpfung der Wirtschaft anzeigte.
Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe, die als Referenzwert für die Eurozone dient, fiel am Freitag kurzzeitig unter die 1 Prozent-Schwelle, ehe sie im Späthandel wieder auf 1,0355 Prozent anstieg - und damit weiterhin gut 20 Basispunkte unter dem Niveau vom Donnerstag lag.
Der EZB-Rat genehmigte auch das so genannte Instrument zur Absicherung der Transmission (TPI), das es der EZB ermöglicht, Anleihen eines beliebigen Euro-Mitgliedstaats in unbegrenzter Höhe zu kaufen, wenn dies erforderlich ist, um zu große Renditeunterschiede zwischen den Ländern zu verhindern.
Die EZB-Notenbanker halten es für notwendig, die Spreads zu beeinflussen, um die effektive Transmission der Geldpolitik zu unterstützen. Die Renditen italienischer Staatsanleihen gingen entsprechend zurück. Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen fiel von ihrem Tageshoch von über 3,7 Prozent auf fast 3,5 Prozent.
Vergangene Woche zerbrach die italienische Regierung, als Ministerpräsident Mario Draghi, ehemaliger EZB-Chef, seinen Rücktritt erklärte und Präsident Sergio Mattarella für den 25. September Neuwahlen ansetzte. Giorgia Meloni, die Gründerin der neofaschistischen Brüder Italiens, gewinnt immer mehr an Popularität und wird als nächste Ministerpräsidentin an der Spitze eines Rechtsbündnisses gehandelt.
In den USA wird erwartet, dass die Notenbanker auf der Sitzung des Offenmarktausschusses in dieser Woche den Schlüsselsatz um einen dreiviertel Prozentpunkt erhöhen werden. Bereits im Vormonat hatte die Fed ihren Leitzins um 0,75 Prozentpunkte erhöht.
Jedoch sind die Meinungen darüber geteilt, ob die Fed das Tempo im September beibehalten wird, oder ob eine spürbare Abkühlung der Wirtschaft sie dazu veranlassen wird, die Straffung der Geldpolitik etwas zurückzufahren.
Der Kernindex der persönlichen Konsumausgaben für Juni, der am Freitag auf der Agenda steht, soll im Jahresvergleich unverändert bei 4,7 Prozent liegen und das, obwohl der Anfang des Monats veröffentlichte Verbraucherpreisindex mit 9,1 Prozent auf ein neues Rekordhoch gestiegen war.
Die Schätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das zweite Quartal rückt am Donnerstag in den Fokus. Der Atlanta Fed GDP Tracker prognostiziert ein negatives Wachstum, was nach dem negativen Wachstumsclip im ersten Vierteljahr technisch gesehen eine Rezession bedeuten würde. Finanzministerin Janet Yellen sagte jedoch am Sonntag, das National Bureau of Economic Research würde angesichts der starken Beschäftigungszuwächse wahrscheinlich nicht von einer Rezession sprechen.
Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe, die als Benchmark für den Treasury-Markt gilt, ist am Freitag unter die 3 Prozent-Marke zurückgefallen. Aufgrund der Zinserhöhungen der Fed war die Rendite in den letzten Wochen kräftig gestiegen, aber die Angst vor einer durch weitere Zinsanhebungen ausgelösten Rezession überwiegt jetzt bei den Anlegern.
Der Einkaufsmanagerindex in den USA ging ebenfalls zurück und erreichte mit 47,5 den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung erhöhte sich zum ersten Mal seit acht Monaten. Die größer als erwartet ausgefallene Zinserhöhung durch die EZB belastete auch die Stimmung der US-Anleger.
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