Die derzeitigen Entwicklungen um den schwedischen Modegiganten H&M (ST:HMb) in China sollten anderen großen Marken eine Warnung sein, denn wie sich zeigt, kann es dort auch einem bedeutenden und etablierten Unternehmen ganz schnell an den Kragen gehen. Gezeichnet vom Handelskrieg und von der Coronapandemie ist China zunehmend misstrauisch gegenüber ausländischen Firmen geworden und dies bekommt H&M nun mit voller Härte zu spüren. Auslöser (oder auch Gelegenheit) war die Entscheidung der Modefirma, keine Baumwolle aus der umstrittenen Region Xinjiang mehr zu beziehen. Ein anschließender Post in Chinas Kurznachrichtendienst Weibo, in dem H&M seine Sorge über Zwangsarbeit in Xinjiangs Baumwollindustrie äußerte, zog heftige Reaktionen nicht nur in den Sozialen Medien nach sich. Reklametafeln wurden heruntergerissen, Läden wurden geschlossen und H&M ganz generell von den E-Commerce- und Social-Media-Webseiten sowie von den online Landkarten des Landes getilgt. Auch die langwierigen Bemühungen des Unternehmens, eine Bindung zu den chinesischen Verbrauchern aufzubauen, wurden damit zunichtegemacht.
Während die chinesische Regierung behauptet, in Xinjiang Separatismus und religiösen Extremismus unter den dort lebenden Uiguren zu bekämpfen, ist inzwischen zu erkennen, dass es sich bei den zahlreichen Camps, die in dem auch Ost-Türkistan genannten Gebiet entstanden sind, eher um moderne Arbeits- und Umerziehungslager handelt, deren letztendliches Ziel die Auslöschung der überwiegend muslimischen Bevölkerung dort ist. Die Aufdeckung dieser brutalen Verletzung von Menschenrechten hat für internationale Empörung gesorgt, im Zuge derer sich viele westliche Marken von Xinjiang distanziert haben. Während aber andere Firmen, wie Nike (NYSE:NKE) und Adidas (DE:ADSGN), dadurch nur einen leichten Rückgang der Verkaufszahlen haben hinnehmen müssen, sind diese bei H&M im vergangenen Quartal um 41% gesunken. Grund dafür könnte die reservierte Beziehung des Modeunternehmens zur chinesischen Regierung sein, denn bei den örtlichen Behörden steht es nicht besonders hoch im Kurs. H&M zahlt kaum Steuern und hat das Sponsoring von regierungsgestützten Veranstaltungen bislang abgelehnt. Auch zählt Schweden zu den Ländern, die am meisten öffentliche Kritik an China üben. Gegenbeispiel ist die japanische Firma Uniqlo, Chinas beliebtestes Bekleidungsgeschäft. Laut eines Regierungsstatements zahlt kein fremdes Modeunternehmen mehr Steuern oder beschäftigt mehr Menschen.
China ist allerdings kein Handelsplatz, den H&M einfach links liegen lassen könnte. Im letzten Quartal war es noch immer unter den 10 wichtigsten Absatzmärkten der schwedischen Firma und mehr als ein Drittel ihrer Zulieferer sind dort ansässig. Das weiß auch H&Ms CEO Helena Helmersson, die betont, mit vollem Engagement dabei zu sein, das Vertrauen der Kunden, Kollegen und Geschäftspartner in China zurückzugewinnen. Doch die Strategien dafür dürften ein wahrer Balanceakt werden. H&M muss seine Verkaufszahlen erhöhen, aber sich bedeckt halten, um keinen weiteren Social-Media-Aufruhr zu provozieren. Das Unternehmen muss eine bessere Beziehung zur chinesischen Regierung aufbauen, aber Kunden in Europa und in den USA dabei nicht vor den Kopf stoßen. Und all das, während sich chinesische Verbraucher ohnehin mehr und mehr eigenen Marken zuwenden. H&Ms Zukunft in China bleibt also erst einmal unklar. Deutlich wird aber, dass Politik und Wirtschaft hier immer näher zusammenrücken.
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