Für das Handelsblatt ist die Sache schon völlig klar: „Nicht nur EZB-Präsident Mario Draghi, sondern praktisch die gesamte Spitze der europäischen Notenbank hat jetzt die nächste milliardenschwere Geldspritze für kommenden Monat angekündigt. Die lange erwartete Bazooka wird kommen, die EZB hat sich definitiv festgelegt.“, war dort zu lesen.
Nach den Worten des EZB-Chefvolkswirts Peter Praet klingt die Sache noch etwas weniger klar. Er äußerte, dass negative Einlagenzinsen ein möglicher Teil einer Kombination von Maßnahmen seien.
BIP-Wachstum bleibt hinter Erwartungen zurück
Doch aktuelle Wirtschaftsdaten deuten tatsächlich darauf hin, dass die Redaktion des Handelsblatts durchaus Recht behalten könnte. So berichtete Eurostat in der vergangenen Woche, dass die jährliche Inflationsrate im Euroraum im April 2014 zwar immerhin auf 0,7% leicht gestiegen ist, gegenüber 0,5% im März, …
(Quelle: Eurostat)
(Quelle: Eurostat)
… das BIP allerdings im Vergleich zum Vorquartal im ersten Quartal 2014 im Euroraum lediglich um 0,2% und in der EU um 0,3% gestiegen sei. Damit hat sich das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone überraschend nicht beschleunigt. Die Wirtschaft wuchs nur genauso stark wie im Schlussquartal 2013.
(Quelle: Eurostat)
Rechnet man Deutschland mit seinem erneut soliden Wachstum von 0,8% auch noch aus dem Gesamtwert heraus, hat die Wirtschaft im gesamten Rest der Eurozone zum Jahresauftakt lediglich stagniert.
Highlights waren dabei neben Deutschland mit besagtem 0,8%-Wachstum noch Spanien mit 0,4%. Eher enttäuschend hingegen fiel das Wachstum in Portugal und Zypern mit jeweils -0,7% und den Niederlanden mit -1,4% aus. Frankreich gelang aufgrund der Konsumzurückhaltung nach der Mehrwertsteuererhöhung im Januar lediglich ein Nullwachstum. Italien schrumpfte überraschend um 0,1 % gegenüber dem Vorquartal.
Exportprobleme
Probleme macht auch der Export. So verringerten sich die Ausfuhren des Euroraums in den Rest der Welt im März 2014 gegenüber Februar 2014 (saisonbereinigt) um 0,5%. Da sich die Einfuhren mit 0,6% noch stärker reduzierten, stieg der Handelsbilanzüberschuss dennoch an, von 14,2 Mrd. Euro im Februar auf 17,1 Mrd. Euro im März.
Handelsbilanzüberschuss führt zu steigendem Euro
Der Handelsbilanzüberschuss ist übrigens auch ein Grund für den hohen Euro-Kurs, der derzeit so kritisiert wird. Denn wenn mehr Waren exportiert als importiert werden, wird auch der Euro stärker nachgefragt. Denn die Ausländer müssen die Waren aus dem Euro-Raum mit Euros bezahlen. Selbst wenn sie dies nicht tun, muss der europäische Exporteur die ausländische Währung, die er für seine Waren erhält, in Euro eintauschen. Diese Nachfrage nach dem Euro bei gleichzeitig höherem Angebot ausländischer Währungen führt zu einem steigenden Euro-Wechselkurs.
Verbale oder reale Interventionen?
Ob die Zentralbanker in Frankfurt vor diesem Hintergrund weiterhin nur mit lautem Nachdenken über eine weitere geldpolitische Lockerung die tatsächliche Umsetzung ersetzen, wird sich im Juni zeigen.
Dem Kauf von Staatsanleihen nach Vorbild der US-Notenbank Fed erteilte der eingangs erwähnte EZB-Volkswirt Praet jedenfalls eine Absage. „Ich denke, dazu würde es erst kommen, wenn sich die Konjunktur und die Inflation in der Euro-Zone deutlich schlechter entwickeln als von uns erwartet.“, sagte der Volkswirt. Trotz einiger Mäkel zeigen die jüngsten (BIP-)Daten jedenfalls nicht das Bild einer Währungsunion, die in eine bösartige Deflationsspirale abrutscht.
Die EZB bereitet die Märkte anscheinend auf reale Interventionen vor
Laut dem Handelsblatt soll das EZB-Ratsmitglied Yves Mersch am Donnerstag allerdings gesagt haben: „Wir arbeiten an einer breiten Palette von Instrumenten, die sogar die blühende Fantasie von Journalisten und Analysten übertreffen könnten.“ Und dann wurde es sogar noch konkreter: „Sie werden nach der nächsten Ratssitzung eine sehr genaue Vorstellung von diesen Instrumenten haben.“
Es scheint also so, dass die EZB und ihre Mitglieder die Märkte aktuell mit kleineren, aber deutlichen Hinweisen auf neue Maßnahmen am 5. Juni vorbereiten. Bei Betrachtung der weiteren Konjunkturdaten zum Euroraum und der EU würde uns dies inzwischen auch nicht mehr verwundern. Aber dazu in einer der nächsten Ausgaben mehr.
Die Märkte positionieren sich entsprechend
An den Märkten sind die Botschaften jedenfalls bereits angekommen. In vorauseilendem Gehorsam verkauften Investoren den Euro und kauften Anleihen. So fiel der Euro innerhalb einer Woche von fast 1,40 Dollar unter 1,37 Dollar. Drei Cent in einer Woche sind auf dem Devisenmarkt Welten. Der Bund Future stieg dagegen im Eiltempo an. Die Renditen von Bonds aus Italien, Irland oder Belgien fielen sogar auf den niedrigsten Stand aller Zeiten. Für uns handelt es sich hierbei um eine Übertreibung am Rentenmarkt.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Sven Weisenhaus
- Chefredakteur Geldanlage-Brief -