- Wie auch andere Unternehmen hat sich die JD-Aktie von den Tiefstständen des letzten Monats kräftig erholt.
- Die Kursgewinne sind aufgrund der guten Ergebnisse und der attraktiven Bewertung durchaus nachvollziehbar.
- Die Länderrisiken sind bekannt, doch wer bereit ist, diese Risiken einzugehen, sollte sich JD genauer ansehen.
Was in einem Monat alles geschehen kann. Vor vier Wochen erreichte die Aktie von JD.com (NASDAQ:JD) ein Zwei-Jahres-Tief, als die Aktien in einer einzigen Sitzung um 13 % fielen. Der Grund waren Befürchtungen, dass die neue Führung in China mittelfristig ein Risiko für das Wirtschaftswachstum des Landes darstellen könnte.
Seit diesem Schlusskurs hat sich JD jedoch um rund 53 % erholt. Auch die Wettbewerber Alibaba (NYSE:BABA) und Pinduoduo (NASDAQ:PDD) haben zugelegt. Zwar spielte dabei auch der freundlichere US-Markt eine Rolle, doch der eigentliche Treiber war wohl die Erkenntnis, dass chinesische Einzelhändler einfach zu billig geworden sind.
Nach dieser Erholung mag man vielleicht meinen, die Gelegenheit sei bereits vorbei. Das ist jedoch nicht unbedingt der Fall. Die Performance von JD in einem schwierigen Umfeld ist immer noch beeindruckend. Und selbst nach der Kurserholung von den Tiefstständen des letzten Monats ist die Bewertung der Aktie immer noch attraktiv.
Die Risiken sind offensichtlich. Die chinesische Konjunktur steht nach wie vor auf wackeligen Beinen, da eine Immobilienblase befürchtet wird. Ausländische Investoren in JD.com besitzen technisch gesehen immer noch nicht das Unternehmen selbst, sondern eine Holdinggesellschaft mit Sitz auf den Cayman-Inseln. (Weitere Einzelheiten finden Sie auf Seite 6 der jüngsten 20-F-Einreichung bei der Börsenaufsicht SEC.)
Für einige Anleger ist JD aufgrund dieser Risiken völlig indiskutabel. Für alle anderen könnte der Titel zumindest einen Blick wert sein.
Starke Ergebnisse im 3. Quartal
Auf den ersten Blick ist der Q3-Bericht von JD.com beeindruckend. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um 11 % gestiegen. Der bereinigte operative Gewinn hat sich mehr als verdoppelt.
Im Gesamtkontext betrachtet ist der Bericht aber sogar noch besser, als die wichtigsten Kennzahlen vermuten lassen. Die Messlatte für JD.com lag bereits recht hoch: Der Umsatz war im Vorjahresquartal schon um 25 % gestiegen. Das Betriebsergebnis ging zwar im 3. Quartal 2021 zurück, im Zweijahresvergleich stieg der operative Gewinn allerdings im dritten Quartal 2022 um 77 %.
Und natürlich wurden die Ergebnisse in einem schwierigen operativen Umfeld erzielt. COVID-Lockdowns wirken sich auch weiterhin negativ auf die Nachfrage aus, während gleichzeitig die Kosten steigen. Dennoch gelang es JD.com, die Gewinnmargen im Berichtsquartal deutlich auszubauen, weil das Unternehmen die Früchte von Investitionen in der Vergangenheit erntete.
Die JD-Aktie sieht günstig aus
Trotz der im 3. Quartal bewiesenen Stärke und selbst nach der jüngsten Erholung sieht die JD-Aktie günstig aus. In den letzten vier Quartalen belief sich der freie Cashflow laut der Gewinnmitteilung für das 3. Quartal auf insgesamt 3,6 Mrd. USD.
Diese Zahlen signalisieren ein Verhältnis von Kurs zu Free-Cashflow (Kurs/FCF) von etwa 24. Aber selbst dieser Multiplikator wird der Attraktivität der Bewertung nicht gerecht. JD schloss das 3. Quartal mit rund 24 Mrd. USD an liquiden Mitteln in der Bilanz ab (nach Abzug der Verbindlichkeiten). Zieht man diese Nettoliquidität ab, sinkt das Verhältnis Kurs/FCF auf etwa 17x.
Für ein Unternehmen, das in diesem Tempo wächst, ist das ein günstiger Multiplikator. Und es ist ein niedriger Multiplikator für ein Unternehmen mit Zukunftsaussichten wie denen von JD.com.
So ist es keine Überraschung, dass das durchschnittliche 12-Monats-Kursziel der Wall Street-Analysten bei 78 USD liegt, was einem Aufwärtspotenzial von 39 % entspricht.
Warum JD.com weiteres Wachstumspotenzial hat
In den letzten Jahren hat JD.com enorme Effizienzsteigerungsmaßnahmen unternommen, insbesondere im Logistik-Bereich. Im Gegensatz zu Alibaba, das in erster Linie als Marktplatz fungiert, besitzt und versendet JD.com seine Waren selbst.
Diese Investitionen und diese Leistungsfähigkeit haben JD.com einen Vorteil gegenüber seinem größeren Konkurrenten verschafft. Infolgedessen hat das Unternehmen in den letzten Jahren Marktanteile erobert.
Dieser Trend dürfte sich auch in Zukunft fortsetzen, vor allem, wenn ein gewisses Maß an Normalität in den chinesischen Alltag zurückkehrt. In der Zwischenzeit entwickelt sich JD Logistics zu einer bedeutenden Wachstumsquelle: Der Umsatz stieg im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 39 %.
Das Potenzial in Asien ist offensichtlich enorm: JD.com hat nahezu 600 Millionen aktive Kunden und immer noch viel Raum für weiteres Wachstum. Mit Hilfe des Logistiknetzwerks sollte das Unternehmen in der Lage sein, diesen Kundenstamm bestmöglich zu bedienen und gleichzeitig eine Basis für eine künftige Margenexpansion zu schaffen, die zu einem kontinuierlichen Gewinnwachstum führt.
Es gibt aber auch Risiken
Ich möchte noch einmal betonen, dass JD keine perfekte Investment-Story ist. Die Länder- und Governance-Risiken dieser Anlage stehen sehr konkret im Raum.
Ein weiterer Risikofaktor ist die Wettbewerbssituation. Ich habe im Sommer an dieser Stelle geschrieben, dass Pinduoduo die beste Wette auf chinesischen Einzelhandelswerte mit hoher Marktkapitalisierung sein könnte. PDD ist seither nur geringfügig gestiegen – die Aktie könnte also auch weiterhin eine gute Anlage sein.
Allerdings hat PDD eigene Risiken und nach einem Anstieg von 20 % seit Jahresbeginn eine viel höhere Bewertung. JD.com scheint - zumindest auf relativer Basis - eine risikoärmere Alternartive zu sein. Alles in allem gibt es hier ein gutes Anlageargument - für Investoren, die bereit sind, in China zu investieren.
Offenlegung: Vince Martin besitzt derzeit keine Positionen in den hier besprochenen Wertpapieren.