Vorweg ein kurzer Rückblick: Der ehemalige FTX-CEO Sam Bankman-Fried hat offenbar Kundengelder in Milliardenhöhe dazu genutzt, seinem in Schieflage geratenen – und von seiner (Ex-)Freundin Caroline Ellison geführten – Zweit-Unternehmen Alameda Research Tradingkapital zur Verfügung zu stellen. Dieses wurde dort aber zahlreichen Medienberichten zufolge verzockt. Aufgeflogen war die ganze Chose dann, als sich in der Folge eines „warnenden“ Tweets von Binance-CEO Changpeng Zhao, kurz CZ, ein Bank-Run auf der Handelsplattform einstellte. Diesen konnte FTX ohne die „verlorenen“ Milliarden natürlich nicht schultern und musste kurz drauf entsprechend Insolvenz anmelden. Seit diesem Zusammenbruch werden die Rufe nach mehr Transparenz im Krypto-Sektor stetig lauter. Und es ist nicht verwunderlich, dass hier vor allen Dingen die Aktivitäten der Börsen im Fokus stehen.
Die meisten Broker scheinen gewillt, diese Transparenz bereitzustellen. So waren im November zahlreiche Börsen – unter anderem Coinbase (NASDAQ:COIN), Gate.io, crypto.com, BITFINEX und Huobi – dem Aufruf von CZ gefolgt und hatten sogenannte Proofs of Reserves (PoR) veröffentlicht. In einem solchen Prozess legen Handelsplätze ihre (Krypto-)Reserven offen, um so aufzuzeigen, dass sie über ausreichend Krypto-Assets verfügen, um bei Bedarf allen Auszahlungsanfragen gerecht zu werden. Und genau hier setzt die Kritik von Jesse Powell an, seines Zeichens CEO der Handelsplattform Kraken.
Kraken-CEO Powell kritisiert die Konkurrenz
Powell führt aus, dass es der eigentliche Sinn eines Proof of Reserves-Prozesses ist, „nachvollziehen zu können, ob eine Börse mehr Kryptowährungen verwahrt, als sie ihren Kunden schuldet“. So weit, so gut. Ein Großteil der Plattformen habe nun zwar einen Nachweis über die gehaltenen Assets erbracht, in ihre Veröffentlichungen aber weder die Verbindlichkeiten des Unternehmens noch Konten mit negativen Guthaben miteinbezogen. Somit seien die PoR dieser Handelsplätze nicht aussagekräftig. Bei Konten mit negativen Guthaben handelt es sich in der Regel um Kunden, die sich von der Plattform Geld für gehebeltes Trading leihen. In diesem Zusammenhang zeigte Powell mit dem Finger auch auf den Platzhirsch am Kryptomarkt, Binance: „Das ist kein PoR. Das ist entweder Unwissenheit oder eine absichtliche Falschdarstellung“.
Der Binance-Boss widersprach diesen Vorwürfen. Und wie am Mittwoch nun bekannt wurde, wohl auch aus gutem Grund. So hat CZ mit Mazars eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft damit beauftragt, den Proof of Reserves des Unternehmens einer umfangreichen Überprüfung zu unterziehen. Herausgekommen ist hier offenbar, dass die Krypto-Bestände der Nutzer nicht nur gedeckt, sondern sogar überbesichert sind. Schenkt man dieser Untersuchung Glauben, verfügt Binance also über mehr als genügend Vermögenswerte, um alle existierenden Kunden bei Bedarf umgehend auszubezahlen.
Nochmals zurück zu Jesse Powell und seiner Krypto-Börse Kraken. Hier wurde der Proof of Reserves-Prozess schon im vergangenen Jahr eingeführt. Der Kraken-Website kann man entnehmen, dass die Überprüfung der Reserven durch ein externes Unternehmen realisiert wird – und zwar unter Berücksichtigung von etwaigen Verbindlichkeiten und Konten mit negativen Saldi. Aus Sicht aller Krypto-Anleger kann man nur hoffen, dass sich zukünftig zunehmend auch andere Börsen diesem Best Practice-Beispiel annehmen. Dies würde wohl auch wieder etwas mehr Vertrauen in die im Zuge des FTX-Kollapses stark geschädigte Beziehung zwischen Investoren und Handelsplattformen bringen.
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