Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
wir befinden uns ohne Zweifel in einer der stürmischsten Börsenphasen der vergangenen Jahrzehnte. Noch nie gab der DAX in seiner 30-jährigen Geschichte rund 40 Prozent in nur vier Wochen ab. Starke Nerven sind gefragt. Neben den Aktienmärkten bebten vor allem auch die Rohstoffmärkte, besonders das Öl.
Auslöser der Turbulenzen waren neben der Konjunktursorgen wegen der Corona-Ausbreitung auch gescheiterte Gespräche einiger großer Öl-Staaten bezüglich einer Förderbegrenzung. Aufgrund der Sorgen um die Weltwirtschaft und einer damit verbundenen geringeren Nachfrage nach Rohöl hatten die erdöl-exportierenden Länder über Förderkürzungen beraten. Vor wenigen Tagen wurde klar, dass man sich nicht auf eine Förderkürzung einigen kann. Infolgedessen gab es einen historischen Kursrutsch im Öl.
In der folgenden Abbildung ist die Entwicklung des Öls der amerikanischen Sorte WTI seit Herbst 2018 dargestellt (in US-Dollar je Barrel, Candlestick-Chart, eine Kerze entspricht einem Tag):
Bereits in den vorherigen Wochen standen die Ölpreise unter massivem Verkaufsdruck. Die Sorge vor den Folgen der Corona-Krise belastete die Notierungen. Der Ausbruch des Coronavirus und die damit verbundene Schwächung der Konsumnachfrage lässt die Ölnachfrage sinken. Am stärksten sind die Fluggesellschaften und Reisekonzerne betroffen, da Flüge gestrichen und Reisen abgesagt werden.
Warten auf die Erholung
Nach dem historischen Crash am Ölmarkt erholten sich die Notierungen bislang nicht. Erst gestern schien sich der Energieträger zu stabilisieren – zumindest vorerst. Ein Barrel der US-Worte WTI kostet aktuell 29,28 Dollar, was einem Plus von 2,3 Prozent entspricht. Für die europäische Öl-Sorte Brent werden 30,12 Dollar bezahlt. Dies ist ein Aufschlag von 1,1 Prozent im Vergleich zum gestrigen Preis. Im Zuge der Verwerfungen am Rohölmarkt wurden auch die Aktien der öl-abhängigen Unternehmen abgestraft. So gut wie alle Öl-Aktien rutschten um 30 bis 50 Prozent ab – selbst die großen, konservativen Titel.
Amerikanische Öl-Industrie im Blickpunkt
Die Auswirkungen des Öl-Crashs können wir bislang nur erahnen. Eines steht fest: Der niedrige Ölpreis setzt vor allem der US-Industrie zu. Die zahlreichen öl-nahen Unternehmen bekommen richtig Probleme, sollte sich der Ölpreis unter 45 Dollar etablieren. Kein Wunder, dass die großen Öl-Ausrüster und Explorer an den Börsen unter besonders hartem Verkaufsdruck standen.
Zum Problem wird nun unter anderem auch die hohe Verschuldung einiger der US-Ölproduzenten. Schlimmer sieht es noch für die US-Schieferöl-Industrie aus. Beim aktuellen Ölpreis dürfte sich deren Geschäftsmodell schnell in Luft auflösen. Keines der Unternehmen dürfte nach Expertenschätzungen bei dem momentanen Ölpreis kostendeckend arbeiten können.
Während der niedrige Ölpreis für die alten Industriezweige in den USA zur Belastungsprobe wird, kommt der Preissturz des Rohstoffs für andere Unternehmen gelegen. Die europäischen Branchen Chemie, Automobil, Pharma, Industrie etc. profitieren eher von einem niedrigen Ölpreis. Kurzfristig sorgt die jüngste Entwicklung sicherlich für Turbulenzen, mittelfristig kommt es jedoch einem „großen Konjunkturpaket“ gleich.
Freundliche Grüße aus Köln
Bernd Raschkowski