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Notenbanken und Regulierungsbehörden sorgen sich zunehmend um Liquiditätsengpässe im Rohstoffsektor. Diese entwickeln sich zu einem handfesten makroökonomischen Risiko. Grund dafür sind die Turbulenzen an den Märkten, die Rohstoffhändlern immer höhere Marginanforderungen abverlangen.
Die Dallas Federal Reserve Bank plädiert für eine Überwachung der Rohstoffmärkte im Hinblick auf makroökonomische Risiken. Analysten der Zentralbank betonten kürzlich, dass Bedenken im Hinblick auf die Liquidität im Fokus von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden lägen.
In einer Mitteilung der Dallas Feed Ökonomen heißt es, dass laufende Entwicklungen „umfassend auf potentielle Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen überwacht werden sollten“.
Die Rolle von Rohstoffunternehmen als Träger von Marktrisiken und Vermittlern ist seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine in den Fokus geraten. Die Unternehmen sehen sich Liquiditätsengpässen ausgesetzt und hatten diesbezüglich schon vor Wochen einen Hilferuf an die Politik gesendet.
Steht Zentralbankintervention am Rohstoffmarkt bevor?
Das Problem: Durch die steigende Volatilität im Handel mit Rohstoffen und die allgemein steigenden Preise in diesem Sektor steigen auch die Marginanforderungen. Ein Großteil des Handels in diesem Bereich findet jedoch an Terminmärkten statt. Rohstoffunternehmen müssen dadurch immer größere Sicherheitsleistungen vorhalten. Häufig reicht die Liquidität nicht aus – dann müssen kurzfristige Kredite herangeschafft werden.
Nicht nur die Ökonomen der Dallas Fed betonen, dass die Schwelle für Zentralbankinterventionen in unregulierten Märkten – und dabei handelt es sich bei den Rohstoffmärkten – hoch sei. Umso bemerkenswerter ist die klare Kommunikation in dieser Hinsicht. Unternehmen aus dem Sektor, so die Dallas Fed, sollten ihre Liquiditätsprofile bewerten und stärken.
Bislang hätten Rohstoffhändler die notwendigen Kredite erhalten. Die aktuelle Situation zeige jedoch Schwachstellen auf, so die Dallas Fed. Insbesondere fürchten die Zentralbanken, dass nur noch einige wenige große Rohstoffhändler Liquidität erhalten.
Diese Verknappung auf einige wenige Akteure könnte dazu führen, dass die verbleibenden Unternehmen leer ausgehen und ihre Märkte nicht bedienen können. Dies wiederum könne negative Rückkopplungseffekte nach sich ziehen: Einen weiteren Anstieg der Rohstoffpreise. Dieser wiederum würde die Marginanforderungen weiter erhöhen und zusätzliche Unternehmen von dringend benötigten Liquiditätskrediten ausschließen.
IWF will Rohstoffhandel strenger regulieren
Den ultimativen Beweis für die Schwäche des Risikomanagements im Rohstoffhandel sehen die Ökonomen aus Dallas im Kollaps des Nickelhandels an der London Metal Exchange (LME). Durch einen Short Squeeze kam es zu massiven Turbulenzen, einer Aussetzung des Handels für sechs Tage und der Stornierung von Transaktionen im Umfang von vielen Milliarden US-Dollar.
Dieses Ereignis hat den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf den Plan gerufen. Die Organisation plädiert dafür, den Rohstoffhandel an wichtigen Börsen strenger zu regulieren.
So müssten die Governance Systeme der Londoner Metallbörse gestärkt werden - auch, um Interessenkonflikte anzugehen. Die Maßnahmen müssten sicherstellen, dass die Konzentration des Handels die Märkte nicht beeinträchtige. Dies teilte der IWF am Dienstag im seinem Global Financial Stability Report mit.
Durch die Stornierung zahlreicher Transaktionen wurde der Investor und chinesischen Nickel- und Edelstahlproduzent Tsingshan Holding Group Co. vor Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Dollar bewahrt. Auch die britische Finanzaufsichtsbehörde FCA sowie die Bank of England haben bereits Untersuchungen zu Governance, Marktaufsicht und Risikomanagement an der LME angekündigt. Diese Maßnahmen sollen auch die Clearingstelle betreffen.
Die LME selbst hatte in einem Statement betont, im Interesse des Gesamtmarktes zu handeln, nahm jedoch die vielfach geäußerten Bedenken zur Kenntnis. Die Börse hat selbst eine interne Untersuchung eingeleitet.
Greift die Krise auf den Bankensektor über?
Dass Zentralbanken und Regulierungsbehörden den Rohstoffhandel stärker in den Blick nehmen, liegt auch an Sorgen um den Bankensektor. Schließlich vergibt dieser zu einem erheblichen Teil die Kredite, die Rohstoffunternehmen nun zusätzlich nachfragen.
So vermeldeten die beiden US Großbanken Goldman Sachs Group Inc (NYSE:GS.N) und JPMorgan Chase & Co (NYSE:JPM.N) einen Anstieg ihrer Risiken in Bezug auf den Rohstoffhandel. Bei Goldmann liegt das Risiko dem Nachrichtendienst Reuters zufolge so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr.
Demnach lag der durchschnittliche tägliche Value at Risk (VaR) im ersten Quartal 2022 bei 49 Millionen USD – ein Anstieg um mehr als 50 % gegenüber dem Vorquartal. Zum Vergleich: Der durchschnittliche tägliche Value at Risk (VaR) im Aktienhandel lag bei 33 Millionen USD, im Devisenhandel waren es 25 Millionen USD. Der Wert zeigt an, wie viel eine Bank in einem bestimmten Vermögenswert an einem einzigen Tag im schlimmsten Fall verlieren könnte.