- Nach dem Abverkauf am Freitag aufgrund der jüngsten Geschäftszahlen hat sich der Kurs von NKE seit November halbiert
- Die hohen Lagerbestände sind ein Problem, jedoch nicht nur für Nike
- Bei diesen niedrigen Kursen können Anleger eine Bodenbildung bei NKE erwarten, sofern sie von der Antwort auf eine simple Frage überzeugt sind
In diesem Bärenmarkt haben bereits etliche namhafte Aktien atemberaubende Rückgänge erlitten. Der übergroße Kurzsturz von Nike (NYSE:NKE) kam dennoch etwas überraschend.
Nachdem die NKE-Aktie am 5. November mit einem Allzeithoch knapp unter 176 USD aus dem Handel gegangen war, ist sie in weniger als 11 Monaten um 53 % abgestürzt und hat mehr als 140 Mrd. USD ihrer Marktkapitalisierung verloren.
Quelle: Investing.com
Während das Ausmaß des Kurseinbruchs überraschend ist, so ist die Tatsache, dass die Nike-Aktie Probleme hat, nicht weiter überraschend. Der gesamte Markt ist auf Talfahrt: Der S&P 500 Index, dem auch Nike angehört, ist seit dem 5. November um 24 % abgesackt.
Die Probleme mit überquellenden Warenlagern, die das enttäuschende erste Quartal von Nike kennzeichneten, sind indes kaum ein Einzelfall. Selbst bei den größten Einzelhändlern des Landes, darunter Walmart (NYSE:WMT) und Target (NYSE:TGT), haben sich in diesem Jahr Überbestände an Bekleidung aufgetürmt. Nach einem Kaufrausch in den Jahren 2020 und 2021 geben die Verbraucher weltweit ihr Geld im Jahr 2022 lieber wieder für andere Dinge aus.
Diese Verbrauchertrends bescherten Unternehmen wie Nike in der Zeit nach der Pandemie glänzende Ergebnisse. Die Rechnung für diese Performance wird jetzt fällig.
Langfristig gesehen ist NKE auf diesen Niveaus jedoch für Anleger mit einer ganz einfachen Überzeugung attraktiv: Nike ist nach wie vor die gleiche innovative, marktführende Lokomotive, die es vor der Pandemie war. Das ist wahrscheinlich auch der Fall und Grund genug, um nach dem Kurssturz vom Freitag zumindest über eine kleine Position in NKE-Aktien nachzudenken.
Das Bewertungsproblem
Wie wir bereits mehrfach erwähnt haben, bedeutet die Tatsache, dass eine Aktie stark gefallen ist, keinesfalls, dass sie ein Kauf ist. Dieser Markt, in dem bereits viele Aktien um 50 % und dann noch einmal um 50 % (oder mehr) gefallen sind, hat vielen Anlegern diese schmerzhafte Lektion erteilt.
Und NKE-Aktie ist selbst mit einem Rückgang von 50 % noch kein Wahnsinnsschnäppchen. Die Aktie wird immer noch zum 23-fachen des Gewinns der letzten zwölf Monate gehandelt. Und in diesen letzten vier Quartalen ist das Ende des Kalenderjahres 2021 enthalten, als die Konsumausgaben noch robust waren.
Wenn man bedenkt, dass die Gewinne im ersten Quartal um 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgegangen sind und dass die mit einem Anstieg um 44 % überquellenden Warenlager von Nike darauf hindeuten, dass noch einige Quartale mit margenminderndem Ausverkauf bevorstehen, könnten die Zahlen für das Geschäftsjahr 2023 noch schlechter ausfallen. Es ist durchaus möglich, dass Investoren, die NKE nach diesem Rückgang "billiger" kaufen, immer noch das 25-fache des diesjährigen Gewinns, wenn nicht mehr, bezahlen.
Das mag durchaus ein solides Multiple sein. Es entspricht in etwa dem Niveau, auf dem NKE 2016 und 2017 gehandelt wurde. Aber es ist nicht unbedingt ein Multiplikator, der nahelegt, dass NKE absurd billig ist. Es scheint eher so zu sein, dass die Anleger vor einem Jahr übertrieben optimistisch waren, als dass sie jetzt zu pessimistisch sind.
Das spricht für NKE
Bei näherer Betrachtung gibt es jedoch auch gute Gründe, die für ein Engagement in NKE-Aktien sprechen. Der Markt hat die NKE-Aktie bereits vor der Pandemie neu bewertet. Zu Beginn des Jahres 2020 wurde NKE mit dem 35-fachen der vergangenen 12-Monats-Gewinne gehandelt. Überzeugt waren die Investoren vor allem von der Innovationskraft des Unternehmens und dem Potenzial des Direktvertriebs an den Endkunden.
Langfristig betrachtet, stellt sich eine einfache Frage: Warum sollte dieses bullische Argument für Nike jetzt plötzlich nicht mehr gelten? Sicher - das Unternehmen muss sich mit kurzfristigen Herausforderungen auseinandersetzen. Aber zumindest nach Ansicht des Managements bleibt die Innovation auf der Höhe der Zeit: In der Telefonkonferenz zu den Ergebnissen des ersten Quartals schwärmten die Führungskräfte von "futuristischen" Materialien sowie von einer Reihe neuer Sneakers. Das Direktgeschäft ist während der Pandemie gut gewachsen, und langfristig wird Nike zumindest einen Teil der während dieser Zeit hinzugewonnenen Kunden auch längerfristig binden.
Und auch der Wettbewerb bleibt weiterhin im Rückspiegel des Unternehmens. Die Aktie von Adidas (OTC:ADDYY) notiert auf einem Sechs-Jahres-Tief, Under Armour (NYSE:UAA) ist auf dem niedrigsten Stand seit 2011. Als Unternehmen sieht Nike ähnlich aus wie vor drei Jahren, auch wenn ihm einige potenziell schwierige Quartale bevorstehen.
Die langfristige Betrachtung
Sicherlich hat sich eins geändert: Die Zinsen. Diese Veränderung wirkt sich auch auf das Bewertungskalkül einer Aktie wie NKE aus. 2019 waren die Anleger bereit, mehr Geld für sichere Nike-Gewinne zu zahlen, als US-Staatsanleihen eine geringere Rendite abwarfen als heute.
Aber wie gesagt, die NKE-Aktie ist relativ zu den Gewinnen günstiger (sowohl historisch als auch mit Blick auf die Zukunft, selbst wenn die Wall-Street-Schätzungen für dieses Jahr nach unten korrigiert werden). Auch in absoluten Zahlen ist sie günstiger: Die Aktie ist seit Anfang 2020 um 18 % gefallen. Beide Faktoren preisen in gewisser Weise das Ende des so genannten "TINA"-Umfelds (There Is No Alternative) für US-Aktien ein.
Ich persönlich fände es prima, wenn die Nike-Aktie noch billiger werden würde. In diesem Markt ist das sicherlich möglich. Es gibt dennoch genügend gute Argumente, die bereits heute für Nike sprechen, immerhin ist es eines der besten Unternehmen der Welt. Zumindest hat der gesamte Markt noch vor ein paar Jahren genau das geglaubt. Wenn dieser Optimismus zurückkehrt, dann sollte auch die Nike-Aktie ihre jüngsten Verluste wieder wettmachen und sich in höhere Kursregionen bewegen können.
Offenlegung: Vince Martin besitzt derzeit keine Positionen in den hier erwähnten Wertpapieren.