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Palantir, Gamestop, AMC – das Phänomen der Meme-Stocks

Veröffentlicht am 28.11.2021, 21:33
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In unserer lockeren Folge über die Gemeinsamkeiten von mythischen Geschichten und dem Mythos Börse möchte ich mich dieses Mal mit einem Problem befassen, das einmal mehr unsere Wahrnehmung betrifft und bei Nebenwerten wesentlich öfter zum Zuge kommt als bei den großen Blue Chips dieser Welt. Wer mich kennt, weiß, wie oft ich darauf verweise, dass Wahrnehmung nicht von wahr kommt. Dass wir uns auf diejenigen Nachrichten stürzen, die mit unserer Meinung übereinstimmen, und denjenigen wenig Raum lassen, die diese Meinung in Frage stellen dürften. Das gilt nicht nur bei der Kapitalanlage. Wir stellen den Beitrag von Norbert Betz, Handelsüberwachung der Börse München, vor.

Hinzu kommt, dass wir Informationen zunehmend nicht mehr durch professionell betriebene Filter, sprich Medien, wahrnehmen. Man mag das bedauern als Verlust von Seriosität oder begrüßen als eine Form neuer Freiheit und Individualität jenseits eines vorgebebenen Mainstreams, ändern wird es sich nicht mehr. Je nach Altersgruppe ist uns wichtiger, was auf Facebook (NASDAQ:FB), WhatsApp, Twitter, TikTok, Pinterest (NYSE:PINS), Instagram oder Telegram in unser ganz persönlichen Filterblase verbreitet, als was in Frankfurter, Süddeutscher, Taz oder im TV gegeben wird.

Sogwirkung der sozialen Netzwerke

Wenn in diesen sozialen Netzwerken eine Aktie ausreichend Freunde findet, ein Unternehmen aus nicht immer nachvollziehbaren Gründen gefeiert wird, dann entsteht eine nicht zu unterschätzende Sogwirkung. Schnell hat sich dafür die Bezeichnung Meme-Aktien eingestellt. Eigentlich steht Meme für eine witzige, satirische, nicht selten gesellschaftskritische Botschaft – der Träger ist nicht definiert, es kann ein Kunstwerk, ein Text, ein Video oder Audio sein. Wir könnten es Gesang der Sirenen nennen, immerhin, der Ursprung des Wortes stammt wie bei den Sirenen aus dem Griechischen und leitet sich, grob gesagt, vom Wort für „Nachmachen“ oder „imitieren“ ab.

Wie so oft trat das Phänomen der Meme-Aktien zuerst in den USA auf, durch das Zusammenspiel von kostengünstigem Ordern über Neobroker a lá Robinhood (NASDAQ:HOOD), einem reichweitestarken Sozial-Media Kanal wie Reddit, indem sich Foren (WallStreetBets) von Anlegern austauschen können und Unternehmen wie GameStop (NYSE:GME), die zwar in ihrer Community beliebt waren, denen Fachleute aber keine großen Überlebenschancen einräumten. Es blieb nicht bei dem einen Wert, in rascher Folge erstreckte sich die Gunst der Stunde auf Aktien wie AMC, Blackberry, Nokia (HE:NOKIA), Palantir (NYSE:PLTR) oder windeln.de – ein Ende ist nicht absehbar. Auch an der Börse München erfreuen sich viele dieser Aktien großer Beliebtheit.

Mehr Wette als Anlage

Die einen warnen unbedarfte Anleger vor einem Engagement in diese kurzfristig glühenden Highflyer, die anderen setzen gleich ganze Handelsstrategien speziell für diese Kategorie auf. Aber diese Art der Aktienanlage kommt eher einer Wette als einem seriösen Investment gleich. Das System funktioniert ähnlich wie ein Schneeballsystem, denn reich werden vor allem diejenigen, die diese Aktien von Beginn an pushen. Wer zu spät aufspringt, hat das Nachsehen. In den USA zeigte sich beispielsweise, dass oftmals gerade diejenigen Hedgefonds, die angeblich bekämpft werden sollten, am Ende die besseren Karten hatten, während Tausende Privatanleger Geld verloren. Die meisten nahmen das jedoch sportlich, neue Aktien, neues Spiel.

Gesunder Menschenverstand

Was tun, um nicht in den Sog zu geraten. Lernen wir aus der griechischen Mythologie: Die Sirenen waren Mischwesen aus Mensch und Vogel, manchmal mit weiblichen Brüsten, manchmal mit männlichen Bärten versehen – heute würde man sie wohl als „divers“ bezeichnen. Sie einte ihr wundervoller, betörender Gesang, mit dem sie Seefahrer anlockten, um sie dann um die Ecke zu bringen. Warum, wieso, weshalb steht nirgends geschrieben. Dafür aber, wie man sich ihrem Gesang entziehen kann:

  • Variante 1: Man ist einfach lauter als sie, so handhabte es der Argonaut Orpheus und griff zur Leier.
  • Variante 2: Man hört nicht auf sie, indem man sich die Ohren verstopft (die Gefährten des Odysseus), oder man folgt ihnen nicht, indem man sich an den Mast binden lässt (Odysseus selbst).

Der Gesang der Sirenen war im Übrigen deshalb so verlockend, weil sie in die Zukunft sehen konnten.

Die Initiatoren von Meme-Hypes wissen die Zukunft eindeutig besser zu deuten als die diejenigen, die ihnen folgen. Sie brauchen sich bei der Geldanlage aber weder Wachs in die Ohren gießen noch selbst zur Leier greifen (was sie aber selbstverständlich tun können, wenn sie es können), und festbinden ist auch keine Lösung. Sie sollten vielmehr auf das zurückgreifen, was sich zwischen den Ohren befindet, Ihren guten Menschenverstand. Bilden Sie sich selbst ein Urteil über das zugrunde liegende Geschäftsmodell. Wenn die Fundamentaldaten völlig konträr zur Kursentwicklung laufen, sollten Sie besser und ganz ohne Sirenen einen Abgesang auf den Titel anstimmen. Spekulieren Sie noch oder investieren sie schon.

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