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Kurzzeitig keimte Hoffnung bei den tausenden Anlegern auf, die noch Hinterlegungsscheine auf russische Aktien wie Lukoil (MCX:LKOH), Gazprom (MCX:GAZP) oder Sberbank (MCX:SBER) besitzen. Die Abwicklungsgesellschaft Clearstream hatte eine Umtauschmöglichkeit angekündigt – machte aber nur Stunden später einen Rückzieher.
Im Zuge der Sanktionen gegen Russland wurde das Land vom Kapitalmarkt weitgehend abgeschnitten. Dies betrifft auch deutsche Anleger, die in russische Aktien investiert haben. Die meisten Privatanleger investieren nicht direkt in die Titel, sondern kaufen sogenannte Hinterlegungsscheine (Depositary Receipts, DRs).
Anleger sitzen auf Aktien von Gazprom, Lukoil, Sberbank und Co.
Anfang März war der Handel mit den Hinterlegungsscheinen auf russische Aktien ausgesetzt worden. Der Verkauf war somit nicht mehr möglich. Privatanleger könnten allenfalls ein Depot in Russland eröffnen und die Hinterlegungsscheine dort in echte Aktien umtauschen. Für die meisten Privatanleger scheidet diese Möglichkeit jedoch aus. Zumal selbst dann ein Transfer des Verkaufserlöses auf ein deutsches Konto nicht zwingend möglich wäre.
Werden die DRs nichts innerhalb einer festgelegten Frist in Aktien umgewandelt, kommt es gemäß den Bedingungen zu einem Zwangsverkauf. Zu welchen Kursen und Bedingungen dieser erfolgt und wie Anleger dann an ihr Geld kommen, entscheiden letztlich die russischen Behörden.
Letzten Donnerstag hatte die in Luxemburg ansässige Abwicklungs- und Verwahrgesellschaft Clearstream vielen Anlegern Hoffnung gemacht. Das Unternehmen kündigte an, die Umwandlung in echte Aktien auf Antrag wieder vorzunehmen. Dies wäre möglich, wenn ein (zumeist amerikanischer) DR Agent, der Originalaktien verwahrt, den Umtausch unterstützt. Ein solcher Umtausch verstößt anders als der Handel nicht gegen Sanktionen.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass russische Unternehmen und Institutionen an dem Umtausch kein Geld verdienen. Dies scheint derzeit möglich, da die russische Zentralverwahrstelle NSD für die Übertragung russischer Aktien zu oder von Depots von DR Agenten bis zum Jahresende keine Gebühren erheben will.
Nur Stunden nach der Ankündigung blies Clearstream die Aktion jedoch wieder ab. Unter Verweis auf die Unsicherheit im Hinblick auf die Art und den Umfang von Umwandlungsprozessen in Russland werden vorerst doch keine Anträge auf Umwandlung angenommen. Anders gesagt: Das Unternehmen kann nicht ausschließen, mit der Annahme von Anträgen an irgendeiner Stelle gegen die Sanktionen zu verstoßen.
Zehntausende Anleger betroffen?
Wie viele Anleger Hinterlegungsscheine auf russische Aktien in ihren Depots halten, ist unbekannt. Offizielle Statistiken von BaFin, Bundesbank oder Finanzministerium gibt es nicht. Laut Handelsblatt rechnet allein die ING (AS:INGA) mit mehreren tausend Fällen in ihren Kundenstamm. Insgesamt dürfte somit eine klar fünfstellige Anzahl von Anlegern betroffen sein.
Viele russische Aktien waren aufgrund des Rohstoffbezugs und der hohen Dividendenrenditen bei Anlegern sehr beliebt. Allzu gut haben sich die Kurse der beliebtesten Titel allerdings nicht entwickelt. Die Gazprom Aktie stürzte beim Kriegsausbruch von rund 330 auf unter 200 RUB ab. Aktuell notiert das Papier bei ca. 160 RUB.
Auch wenn ein Umtausch in echte Aktien und die anschließende Umwandlung in einen amerikanischen Hinterlegungsschein möglich wäre: Vollständige Entwarnung gäbe es in diesem Fall dennoch nicht. Clearstream teilt auf einer FAQ Seite für institutionelle Kunden ausdrücklich mit, dass amerikanische DR Agenten aus Sicht der russischen Behörden zu den „unfriendly jurisdictions“ gehören und es unklar sei, wie diese Agenten in der Lage sein könnten, die zugrunde liegenden Aktien zu verkaufen.
Nicht-russische Investoren sind zum Handel in Russland nur zugelassen, soweit sie von aus „friendly jurisdictions“ stammen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass einem amerikanischen DR Agenten ein Deal mit einem Investor in einem Land gelingt, das in Russland zum Handel zugelassen ist.