Alle paar Monate kommen irgendwelche Nachrichten aus China und die Aktien stürzen ein. Wer heute in sein Depot schaut und sich seine chinesischen Aktientitel ansieht, wird nicht glücklich sein. Die Wertpapiere erleben derzeit den schlimmsten Handelstags seit der Weltfinanzkrise 2008. Auch Giganten, wie Tencent (HK:0700), Alibaba (NYSE:BABA) oder JD.com (NASDAQ:JD), krachten dabei ein. Gerade diese Titel verloren heute im zweistelligen Prozentbereich und setzen somit eh schon andauernde Korrekturen fort – sehr zum Ärger der Anleger.
Natürlich ist die erste Frage, warum das denn jetzt so gekommen ist. Anders als bei den letzten markanten Einbrüchen chinesischer Aktien sind die Erklärungen sämtlicher Finanzblätter sehr dünn. Während es letztes Jahr noch deutlichere Katalysatoren gab, wie das Verschwinden von Jack Ma, Kryptoverbote oder weitreichende Razzien, so überzeugen die aktuellen Erklärungen gar nicht. Zum einen wird die diplomatische Nähe zu Russland als Argument gebracht, aber das wissen wir ja wohl nicht seit heute Morgen, dass die beiden Länder starke Verbündete sind. Zudem hält sich China ja aus dem laufenden Konflikt weitestgehend raus. Ein anderes Argument ist, dass Tencent womöglich eine Rekordstrafe zahlen muss, weil es beim Zahlungsanbieter WeChat Pay bestimmte Regelverstöße des Anti-Geldwäschegesetzes geben soll. Drittes Argument ist, dass die Angst vor dem Ausschluss chinesischer Titel auf den nordamerikanischen Handelsplätzen wächst – ebenfalls eine Entwicklung, von der wir nicht erst heute Morgen erfahren haben. Was ist es also?
Hier möchte ich keine absolute Aussage treffen und diese mit Brustpanzer und Axt in der Hand verteidigen, aber ich habe eine starke Mutmaßung, weshalb die chinesischen Titel schwächeln – und weshalb das auf lange Sicht gut ist. Beginnen wir mal mit der aktuellen Lage in Russland. Wie Sie auch verfolgt haben, ist Russland finanziell in eine extrem schwierige Lage verfallen und das als Land, welches sowieso eher weniger in die westliche Wirtschaft integriert war. Hier dürfte spätestens jetzt klar sein, wie mächtig auch private Wirtschaftsakteure im Westen sind. Was uns jetzt erst exemplarisch vor Augen geführt wird, wissen die Chinesen schon längst. Deshalb haben sie ja auch einen so unglaublich starken Binnenmarkt aufgebaut und nutzen die externen Handelsplätze nur als zusätzliche Geldquelle zu einem sonst fast autarken Finanzsystem. Dies könnte China dazu nutzen, aus politischer Sicht einen Gegenpol zur westlichen Finanzwelt zu schaffen, um anderen Ländern eine Alternative zur westlichen Wirtschaftswelt zu bieten.
Nun ist aber der Kapitalfluss nach China stark begrenzt und wird akribisch kontrolliert, damit man das feste Wechselkursregime aufrechterhalten kann. Dies war wichtig, da China als Massenexporteur billiger Produkte eine gewisse Währungssicherheit brauchte, seine autonome Geldpolitik aber nicht aufgeben wollte. Zum einen aber transformiert sich die chinesische Wirtschaft aber zu einer innovativen Wirtschaft, was den Massenexport auf lange Sicht ablösen könnte. Zum anderen muss China, um ein politisch attraktiver Partner für andere Länder zu sein, seine Kapitalgrenzen öffnen. Derzeit werden Investorengelder über die autonome Region Hong Kong nach China gebracht, indem chinesische Unternehmen mehrere Aktienklassen haben, die an verschiedenen Handelsplätzen gelistet sind und nur für bestimmte Anlegergruppen gedacht sind. Über die letzten Jahre jedoch fokussieren sich chinesische Unternehmen aber immer mehr auf die nationalen Handelsplätze Shenzhen und Shanghai.
Meine Vermutung ist, dass China in der Zukunft den freien Kapitalfluss zulassen wird. Hong Kong wird dann als Handelsplatz von Shenzhen und Shanghai abgelöst. Kein Wunder, dass seit Jahren nun die Autonomie Hong Kongs eingegrenzt wird, sodass man es in das inländische Finanzsystem integrieren kann. Außerdem würde das auch erklären, warum die Regierung so viel Druck auf die Unternehmen macht. Die ganzen Razzien und Verfahren hätte man ja auch im Geheimen regeln können. Stattdessen macht die Regierung klar, dass man die Unternehmen auf die internationalen Standards der guten Unternehmensführung bringen möchte. Saubere Bilanzen, hohe Produktions- und Datenschutzstandards, härtere Maßnahmen gegen Monopole und Geldwäsche, all das muss die Wirtschaft können, bevor sie international wird. Passiert es danach, hat man den Zweck verfehlt.
Natürlich ist die nur eine Vermutung. Kommt es aber so, wie ich sage, dann können wir uns auf was gefasst machen, denn dann wird es einen unvergleichbaren Bullen-Run auf diese Aktien geben. Womöglich könnten also die aktuellen Korrekturen nochmal exzellente Gelegenheiten zum Nachkaufen sein.
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