- Zoom enttäuschte die Investoren am Montag mit seinen Q2-Zahlen und der Prognose für das Gesamtjahr
- Das Quartalsergebnis passt zu der These, wonach Zoom nur ein Pandemie-Gewinner ist, der in einem normaleren Umfeld Schwierigkeiten haben wird
- Ein genauerer Blick auf das Business-Geschäft lässt jedoch vermuten, dass für Zoom mehr drin sein könnte
Zoom Video Communications (NASDAQ:ZM) sorgte am Montag für Schlagzeilen, als der Kommunikationsspezialist zum ersten Mal seit vierzehn Quartalsberichten die Konsensschätzung der Wall Street verfehlte.
Fairerweise muss man sagen, dass Zoom nur eine Zahl verpasst hat - und das auch nur knapp. Der Umsatz in Höhe von 1,10 Mrd. USD blieb um ca. 20 Mio. USD oder weniger als 2 % hinter dem Konsens zurück. Zusammen mit einem schwachen Ausblick für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2023 (das im Januar endet) empfand der Markt die Ergebnisse von Zoom jedoch als enttäuschend.
Daraufhin gab Zoom zu Handelsbeginn am Dienstag rund 13 % nach.
Oberflächlich betrachtet ist dieser Kursrutsch vielleicht berechtigt. Ähnlich wie Peloton Interactive (NASDAQ:PTON) oder Teladoc Health (NYSE:TDOC) war Zoom ein Pandemie-Gewinner - wahrscheinlich sogar der größte Gewinner. Zwischen Januar und Mitte Oktober 2020 konnte Zoom seine Marktkapitalisierung auf fast 150 Mrd. USD steigern. Zum Vergleich: Intel (NASDAQ:INTC)) hat derzeit eine Marktkapitalisierung von 141 Mrd. USD.
Jetzt ist zum Glück wieder Normalität eingekehrt. Die Arbeitnehmer kehren in ihre Büros zurück, Familien treffen sich persönlich, und Videokonferenzen sind nur noch eine gute Nische im technischen Ökosystem. Hinzu kommt die Konkurrenz von Microsoft (NASDAQ:MSFT) mit seinem Produkt Teams, so dass das Wachstum von Zoom zu Ende geht und die Zoom-Aktie noch weiter fallen könnte.
Zugegeben - diese einfache Darstellung könnte richtig sein. Aber wenn man sich das 2. Quartal des Unternehmens genauer ansieht, besteht die Möglichkeit, dass das nicht der Fall ist.
Ein Gedankenexperiment
Stellen Sie sich ein börsennotiertes Unternehmen vor, das in diesem Jahr einen Umsatz von etwa 2,4 Mrd. USD erwirtschaften dürfte, wobei dieser Umsatz im Jahresvergleich um etwa 22 bis 25 % wächst. Neue Produkte, die sich bereits in der Anfangsphase großer Beliebtheit erfreuen, deuten darauf hin, dass dieses Wachstum noch lange anhalten wird.
Das Betriebsergebnis ist derzeit bescheiden, aber hier drücken Investitionen in Bereiche wie Forschung und Entwicklung und Vertrieb auf den Gewinn. Das Unternehmen erzielt beeindruckende Bruttomargen von über 70 % - nicht ganz so stark wie die über 80 %, die einige Softwareunternehmen erzielen, aber immer noch weit über dem Durchschnitt. Das Unternehmen verfügt außerdem über rund 5,5 Mrd. USD an liquiden Mitteln in seiner Bilanz - und hat keine Schulden.
Natürlich gibt es hier nicht genügend Informationen, um die Bewertung genau festzulegen - aber diese Art von Unternehmen sollte mit einem angemessenen Umsatz-Multiple bewertet werden, selbst in einem Markt, der weniger bereit ist, für Wachstum zu zahlen, als es noch vor einem Jahr der Fall war.
Workday (NASDAQ:WDAY) erzielt zum Beispiel eine Bruttomarge von 72 %. Analysten erwarten für dieses Jahr ein Umsatzwachstum von 21 %. Auf GAAP-Basis (US-amerikanische Rechnungslegungsvorschriften) war Workday in den letzten vier Quartalen leicht unrentabel. Es wird mit dem knapp 7-fachen des für dieses Jahr erwarteten Umsatzes gehandelt.
Fortinet (NASDAQ:FTNT) hat ein ähnliches Profil, aber ein schnelleres Umsatzwachstum: auf Grundlage der durchschnittlichen Wall-Street-Schätzung 31% in diesem Jahr. Es wird mit dem 9-fachen der diesjährigen Umsätze bewertet.
Wir können also grob schätzen, dass das 7,5-fache des Umsatzes für unser fiktives Geschäft zumindest im Bereich des Angemessenen liegt, wenn man andere Aktien mit ähnlichen Profilen betrachtet.
Das Business-Geschäft von Zoom
Unser theoretisches Geschäft ist Zoom - allerdings konzentrieren wir uns nur auf das Geschäft mit Unternehmenskunden. (Zoom definiert Unternehmenskunden als diejenigen, an die Zoom direkt verkauft, im Gegensatz zu Verbrauchern und kleinen Unternehmen. Zoom definiert letztere Kunden als sein Online-Geschäft).
Etwa 55 % des diesjährigen Umsatzes dürfte von Unternehmenskunden stammen (im ersten Quartal lag der Anteil bei 52 % und im zweiten Quartal bei 54 %). Nach dem 2. Quartal prognostizierte Zoom für dieses Segment ein prozentuales Umsatzwachstum im "niedrigen bis mittleren Zwanzigerbereich".
Das Interessante an Zoom zum nachbörslichen Kurs von unter 90 USD ist, dass das Unternehmensgeschäft fast die gesamte Bewertung trägt. Das 7,5-fache des diesjährigen Umsatzes deutet auf eine Bewertung von etwa 18 Mrd. USD hin, selbst wenn Zoom seine Kanäle für Durchschnittsverbraucher und kleine Unternehmen schließen würde. Ohne Berücksichtigung der liquiden Mittel liegt die Bewertung von Zoom jetzt bei etwa 22 Mrd. USD.
Und das Unternehmensgeschäft ist lohnend. Die Netto-Dollar-Expansion (d. h. das flächenbereinigte Umsatzwachstum bei bestehenden Kunden) lag im zweiten Quartal bei 120 %, was zeigt, dass Zoom weiterhin mehr Aufträge von den Kunden erhält, die es bereits in den Büchern hat.
Wichtig im Vergleich zu den einfachen Annahmen über Zoom ist hier, dass die Unternehmensstrategie von Zoom auch ein umfangreiches Angebot über einfache Videokonferenzen hinaus vorsieht. Zoom Phone und Zoom Contact Center sind beide umsatzstark, befinden sich aber noch in einer sehr frühen Phase ihres Wachstums. Der Kommunikationsriese Avaya Holdings (NYSE:AVYA) befindet sich erneut in finanziellen Schwierigkeiten, was Zoom möglicherweise die Tür öffnet, um insbesondere mit Zoom Phone weitere Marktanteile zu übernehmen.
Selbst bei den Videokonferenzen scheint hybrides Arbeiten ein fester Bestandteil des weltweiten Büroalltags geworden zu sein.
Und obwohl die Prognosen enttäuschten, ist es erwähnenswert, dass der Großteil der Schwäche auf das Online-Geschäft zurückzuführen ist, wobei auch der stärkere USD eine Rolle spielt. Im Großen und Ganzen scheint die Unternehmensstrategie auf dem richtigen Weg zu sein.
Ist die ZM-Aktie ein Kauf?
Die Frage ist, ob das Business-Geschäft ausreicht, um den Kursrutsch zu bremsen. Immerhin klafft hier eine Lücke von etwa 4 Mrd. USD zwischen unserer groben Bewertung des Unternehmensgeschäft (18 Mrd. USD) und der Marktkapitalisierung von Zoom abzüglich der liquiden Mittel (22 Mrd. USD). Dieser Wert von 4 Mrd. USD basiert auf etwa 2 Mrd. USD an Online-Einnahmen, die in diesem Jahr voraussichtlich um 7 bis 8 Prozent zurückgehen werden.
Vor dem Hintergrund der eindeutig negativen Stimmung gibt es im Moment nicht wirklich einen triftigen Grund, sich auf die Aktie zu stürzen, zumal angesichts des Risikos eines allgemeinen Marktrückgangs die 90 USD nicht zwangsläufig auch der Tiefpunkt der ZM-Aktie sein werden.
Dennoch sollten Anleger im Falle einer weiteren Kursschwäche ein Auge auf Zoom haben. Zumindest sollten sie ZM nicht einfach so abschreiben, wie einige meinen.
Offenlegung: Vince Martin ist in keinem der hier erwähnten Wertpapiere investiert.