Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die US-Notenbank hat erwartungsgemäß erstmals seit dem Jahr 2008 den Leitzins erhöht. Allerdings handelt es sich lediglich um eine Mini-Anhebung um 0,25 Basispunkte - die ultra-lockere Geldpolitik bleibt uns damit weiterhin erhalten. Der amerikanische Zins hatte seit der Lehman-Pleite auf einem historisch niedrigen Niveau von Null bis 0,25 Prozent gelegen. Die nächste US-Zinserhöhung wird aktuell erst für den Juli 2016 prognostiziert. Wie reagieren die Ölpreise? Klar, weiter abwärts. Momentan scheint es nur eine Richtung zu geben.
Talfahrt der Ölpreise ungebremst
Das Öl der europäischen Sorte Brent notiert aktuell nur noch bei 37,45 US-Dollar je Barrel (159 Liter). Ein Barrel der amerikanischen Sorte Rohöl kosten aktuell rund 37 US-Dollar glatt. Damit notieren die Preise der Energieträger in der Nähe ihrer Jahrestiefststände.
In der folgenden Abbildung ist die Entwicklung des Brent-Öls seit Mai 2015 dargestellt (in US-Dollar je Barrel):
Öl: Verkaufsdruck über die Emerging Markets
Die US-Zinsanhebung war in Amerika längst überfällig geworden. Die dortige Wirtschaft wächst wieder kräftig, die Finanzkrise ist in weite Ferne gerückt. Jedoch hat die US-Notenbank mit der Zinsentscheidung auch starken Einfluss auf die Schwellenländer, weshalb sie möglicherweise so lange mit dem Schritt gewartet hat. Durch die US-Zinsanhebung werden festverzinsliche Anlagen attraktiver, die Kapitalflucht aus den Emerging Markets dürfte dadurch weiter anhalten bzw. ausgebaut werden.
Die ohnehin problembehafteten Länder kommen damit mehr und mehr in Bedrängnis. Und was hat das mit dem Ölpreis zu tun? Die Fortsetzung der Konjunkturschwäche in Schwellenländern wie China, Südafrika, Brasilien oder Russland senkt die Nachfrage nach Rohöl und belastet damit den Preis.
Zahlreiche Belastungsfaktoren
Dass es auf der Welt momentan Öl im Überfluss gibt, ist bereits lange bekannt. Die Lagerbestände des schwarzen Goldes steigen und steigen. Die OPEC-Staaten fluten den Weltmarkt mit Öl, um Wettbewerber wie die US-Fracking-Industrie oder andere Öl-Staaten mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Gleichzeitig wird aufgrund der Wirtschaftsschwäche rund um den Globus aktuell weniger Öl nachgefragt als bislang erwartet wurde.
Ein zusätzlicher Belastungsfaktor ist durch den sanften Winter entstanden. Dazu erwägt die USA, ihr bestehendes Exportverbot für Öl aufzuheben. Ab Januar könnte ein weiterer Aspekt dazukommen: Falls die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, wird der Ölmarkt noch stärker als bislang mit billigem Öl geflutet.
Öl-Investments vorerst zurückstellen
Das ermäßigte Preisniveau der Ölpreise lockt verständlicherweise zahlreiche Schnäppchenjäger auf den Plan. Denn kaum jemand kann sich vorstellen, dass Öl noch günstiger wird. Allerdings ist dies auch schon seit einem Jahr so - an der Börse ist eben wirklich alles möglich. Natürlich können die Preise vorerst weiter sinken, weshalb Anleger erst einmal gut beraten sind, vorerst keine Investments einzugehen.
Eine Trendwende der Ölpreise ist bislang nicht in Sicht. Erst nach einem richtigen Ausverkauf und der Insolvenz einiger Öl-Unternehmen rechne ich mit einer Bodenbildung. Möglicherweise sehen wir die Trendwende schon im nächsten Jahr.
Freundliche Grüße aus Köln
Bernd Raschkowski