Yen-Schwäche sollte langfristig anhalten, kurzfristig spricht einiges für eine Korrektur
13 Prozent hat der japanische Yen gegenüber dem US-Dollar in den vergangenen drei Monaten verloren, der Nikkei stieg in dieser Zeit um fast 19 Prozent. Beides sind einmal mehr perfekte Beispiele dafür, dass an der Börse Erwartungen gehandelt, die aktuelle Lage und Verfassung der jeweiligen Wirtschaft an den Aktien- und Devisenmärkten dagegen immer als Nachrichten von gestern abgehakt werden. Denn seit Oktober vergangenen Jahres spekulierten Investoren zuerst auf Neuwahlen, dann auf einen Machtwechsel in Japan und als dieser im Dezember schließlich erfolgte, handeln sie die großen Worte und Ideen des nicht ganz neuen, vielmehr nur „regenerierten“ Premiers Shinzo Abe.
Dieser hat, so wie es aktuell scheint, und es weltweit auch mehr und mehr salonfähig geworden ist, das Wort „Haushaltsdisziplin“ aus seinem Wortschatz komplett gestrichen und will Nippon nun wie gestern auf dem Parteitag angekündigt mit einem „Raketenstart“, finanziert durch die Notenpresse der Bank of Japan, aus der Deflation und Rezession führen.
Die Wirtschaft soll wieder um drei Prozent pro Jahr wachsen und eine Inflation von zwei Prozent soll nicht nur den inländischen Konsum antreiben und die eigene Währung schwächen, sondern dabei auf lange Sicht auch ganz nebenbei den Schuldenberg Japans in Höhe von 240 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung abbauen. Denn die Rechnung ist ganz einfach: Drei Prozent reales BIP-Wachstum plus zwei Prozent Inflation ergeben fünf Prozent nominales Wachstum. Bei angenommen gleichbleibenden fünf Prozent nominalem Wachstum in den nächsten 15 Jahren hätte sich Japans reale Schuldenquote auf einen Schlag auf nur noch 120 Prozent des BIP halbiert, ohne dass das Land auch nur einen Yen seiner Schulden zurück gezahlt hätte.
In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation verbunden mit deflationärer Tendenz wie zur Zeit in Japan bleibt diese im besten Falle gleich, bzw. erhöht sie sich wie gesehen mit über den Einnahmen liegenden Staatsausgaben verständlicherweise immer weiter. Und genau diese Staatsausgaben sollen dem neuen Premier zufolge nun auch weiter steigen. Mit einem Nachtragshaushalt von rund 12 Billionen Yen (rund 104 Milliarden Euro) für das noch bis März laufende Fiskaljahr, welcher zwei Prozent des aktuellen BIP entspricht, soll die Wirtschaft in den nächsten Monaten angekurbelt werden. Geplant sind Kreditprogramme für die großen schwächelnden Konzerne des Landes, ein Fonds für Zukäufe und Investitionen im Ausland und Finanzierungshilfen für den Mittelstand. Allein zur Finanzierung dieser Milliardenhilfen sollen laut der Nachrichtenagentur Reuters über Anleiheemissionen fünf Billionen Yen am Kapitalmarkt eingesammelt werden.
Zweiter Pfeiler in der Wirtschaftspolitik des neuen Premiers ist die Notenbank, die im Dezember mit der beschlossenen Erhöhung des laufenden Anleihekaufprogrammes auf gut 100 Billionen Yen (rund 870 Milliarden Euro) wohl nur den ersten Schritt hin zu einer Form aggressiver Geldpolitik unternommen hat, wie sie ihresgleichen in der Welt noch sucht. Auf ihrer nächsten Sitzung soll sie Abe zufolge hoffentlich nicht nur das Inflationsziel von zwei Prozent beraten, sondern auch beschließen, und dann sind Zinsen unter Null in Japan wohl nur noch eine Frage der Zeit. Die Wirkung dieser Maßnahmen darf freilich bezweifelt werden. Alles wird auch in Japan davon abhängen, ob diese finanziellen Stimulierungsmaßnahmen tatsächlich in der Wirtschaft ankommen und wenn, ob sie am Ende die gewünschte Wirkung erzielen.
Die Wahrscheinlichkeit in meinen Augen ist hoch, dass auch dieses frische Geld keine weitere Nachfrage erzeugt und Japan auch damit nicht aus der so genannten Liquiditätsfalle kommt. Dafür braucht es wohl vielmehr ein Anpacken der schon Jahre überfälligen Strukturprobleme, wie zum Beispiel eine Deregulierung der japanischen Wirtschaft, wie sie führende Unternehmensvertreter des Landes schon seit Langem fordern, damit sowohl die eigenen Bürger als auch die Welt merkt, dass das einstige durch Innovationen und neueste Technologien glänzende Land nach Jahren des Stillstands endlich wiedergeboren ist. Dafür sorgen könnte auf jeden Fall auch ein weiter fallender japanischer Yen, denn das würde den Spielraum der vom Export abhängigen Unternehmen für Investitionen erhöhen und sie wieder wettbewerbsfähiger machen.
Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der neuen Regierung jedenfalls könnte die Grundlage für eine historische Trendwende von Nippons Währung gelegt haben und weiter legen. Der Anfang zumindest ist gemacht, der Yen ist aus den jahrelangen Aufwärtstrends gegenüber den wichtigsten Währungen ausgebrochen und hat in 2012 erstmals seit sechs Jahren wieder an Wert verloren. Ich bin auch davon überzeugt, dass dieser Trend in 2013 weiter anhalten wird und halte einen Kurs des US-Dollars gegenüber dem Yen von 100 USD/JPY und des Euro von 130 EUR/JPY auf Sicht der nächsten zwölf Monate durchaus für realistisch. Auch möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf meine Idee, den Australischen Dollar gegenüber dem Yen zu handeln, hinweisen. Das Währungspaar hat mein im August 2012 anvisiertes Kursziel von 90 AUD/JPY zum Jahreswechsel hinter sich gelassen und notiert mit aktuell 92 AUD/JPY rund zwölf Prozent höher als noch vor fünf Monaten.
Sorgen bereitet mir allerdings das Tempo, mit der die Abwärtsbewegung des Yen in den vergangenen Wochen erfolgt ist, und die aktuelle Stimmung kontra Yen. Daher würde ich den Anlegern, die jetzt noch mit einem Engagement in diese Richtung liebäugeln, eher raten, eine Korrektur abzuwarten. Auch der Speculative Sentiment Index (SSI) von FXCM, den meine Kollegen in New York beobachten, spricht eher für eine kurzfristige Gegenreaktion der japanischen Währung nach oben. Das ändert allerdings nichts an meiner langfristigen Einschätzung, der SSI sollte neben einer fundamentalen Einschätzung vielmehr als zusätzliche Indikation für Ein-, bzw. Ausstiegszeitpunkte gewählt werden.
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