Wir werden für 2025 „taktisch bärischer“ – aber keine Crash-Prognose

Veröffentlicht am 19.01.2025, 14:15
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In der vergangenen Woche habe ich in einem Gespräch mit Thoughtful Money erwähnt, dass wir uns auf dem Weg ins Jahr 2025 allmählich „taktisch bärischer“ positionieren. In den letzten zwei Jahren waren wir in Sachen Aktienallokation eher „taktisch bullisch“ eingestellt. Mittlerweile mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass es sinnvoll sein könnte, etwas vorsichtiger zu agieren.

Was bedeutet „taktisch bärisch“? Zunächst ist wichtig zu verstehen, dass „taktisch bärisch“ keineswegs eine Vorhersage eines Bärenmarkts oder gar eines heftigen Crashs ist. In der Portfolioverwaltung unterscheidet sich eine „taktisch bullische“ von einer „taktisch bärischen“ Sicht vor allem in der Frage, wie viel Aktienrisiko wir in den Portfolios unserer Kunden tatsächlich eingehen.

  • In den letzten beiden Jahren, als wir noch „taktisch bullisch“ waren, haben wir höhere Aktienanteile in Bereichen gehalten, die vom Markt und der allgemeinen Anlegersentiment besonders profitiert haben.
  • „Taktisch bärisch“ würde hingegen bedeuten, den Fokus stärker auf fundamental orientierte Value-Aktien oder Dividendentitel zu legen, um die Volatilität im Portfolio zu reduzieren. Das könnte auch heißen, den Gesamtanteil der Aktien zu senken und stattdessen etwas mehr Liquidität aufzubauen.

Crash? Ja, kann passieren – aber selten von heute auf morgen 

Selbstverständlich kann es jederzeit zu einem plötzlichen Einbruch kommen. Häufig kündigen sich jedoch Bärenmärkte schon im Vorfeld an, sodass es Anlegern möglich ist, ihre Risiken frühzeitig zu reduzieren. Schaut man beispielsweise auf einen einfachen technischen Indikator wie den 48-Wochen-Durchschnittskurs (Moving Average), könnte man bereits vor einem Großteil einer größeren Korrektur aussteigen. So verpasst man zwar nicht den absoluten Hoch- oder Tiefpunkt punktgenau, nimmt aber einen erheblichen Teil der Gewinne mit und vermeidet einen großen Teil der Verluste.

S&P 500 Index

Frühe Signale in den Kreditmärkten

Wie bereits in “Credit Spreads” erwähnt, ist der Unterschied zwischen den Renditen von US-Staatsanleihen und hochverzinslichen Unternehmensanleihen (Junk Bonds) ein früher Indikator dafür, ob der Anleihemarkt steigende Risiken einpreist. Während der Aktienmarkt manchmal noch von kurzfristigem Optimismus oder spekulativem Handel getragen wird, spiegelt sich in Kreditmärkten oftmals schneller eine Verschlechterung der Fundamentaldaten wider.

Treasury Bond zu BB Yield Spread

Optimistische Analystenprognosen treffen auf hohe Bewertungen

Die meisten Analysten an der Wall Street blicken sehr optimistisch auf das Jahr 2025 und rechnen mit weiterhin kräftigen Unternehmensgewinnen. Das Problem dabei: Die Schätzungen liegen deutlich über den langfristigen Wachstumsraten und die aktuellen Aktienkurse spiegeln bereits „perfekte“ Szenarien wider. Wenn dann doch etwas schiefläuft – etwa eine abflauende Konjunktur –, droht eine Neubewertung, weil die Kurse zu viel vorweggenommen haben.

Bewertung Vs BIP

Zinsanstiege als unterschätzter Risikofaktor

In den letzten zwei Monaten sind die Zinsen rasant gestiegen, unter anderem durch Befürchtungen von „Zöllen“ unter der neuen Regierung und die Sorge, die US-Notenbank könne die Zinssenkungen (oder weitere Lockerungen) verzögern. Auch wenn makroökonomische Daten in einem längeren Abwärtstrend liegen, treiben kurzfristige Ängste die Zinsen nach oben.

Eine von Michael Lebowitz präsentierte Modellrechnung kombiniert die Cleveland-Fed-Inflationserwartungen mit dem BIP-Wachstum. Die Annahme dahinter: Wirtschaftliche Aktivität (Angebot und Nachfrage) bestimmt die Inflation – und damit auch das Zinsniveau. Laut diesem Modell müssten die Zinsen aktuell näher bei 3 % liegen, während die tatsächlichen Renditen nahe 5 % stehen.

Inflationsmodell

Der nächste Chart illustriert diese Abweichung noch deutlicher. Der orange Punkt markiert das aktuelle Verhältnis, das den höchsten Wert in den letzten 35 Jahren darstellt.

Inflationsmodell vs Renditen

Höhere Zinsen als Belastung für Wirtschaft und Unternehmen

Steigen die Zinsen, verteuert sich die Kreditaufnahme. Unternehmen geraten dadurch unter Druck, weil ihre Finanzierungskosten wachsen. Zwar wirkt sich das nicht sofort auf die Gewinne aus, aber wenn die Konjunktur dadurch ins Stocken gerät, schlägt das irgendwann auch auf die Ertragslage durch.

Zinsen vs Earnings

Ein weiterer Punkt: Unternehmen und Verbraucher mit hohen Schulden leiden besonders unter steigenden Zinsen, was in einem Umfeld wachsen kann, in dem ohnehin viel Fremdkapital im Spiel ist. Kein Wunder also, dass die Zahl der Firmenpleiten in den letzten zwei Jahren stark zugelegt hat.

Pleiten vs Credit Spreads

Wenn Zinsen steigen, müssen Anleger außerdem ihre Gewinnerwartungen und damit die Unternehmensbewertungen anpassen. Wird das Wachstum schwächer, sinken die erwarteten künftigen Gewinne und die Kurse müssen sich gegebenenfalls nach unten einpendeln. Da sich die aktuellen Bewertungen bereits auf einem sehr hohen Niveau befinden, nimmt die Gefahr einer deutlichen Korrektur zu – vor allem, wenn die optimistischen Marktprognosen nicht aufgehen sollten.

Zinsen und Bewertungen

Das Positive dabei: In Abschwungphasen fallen die Zinsen in der Regel wieder deutlich. Die Märkte werden „neu bepreist“, was die Basis für den nächsten Bullenmarkt legen kann. Doch das ist ein Thema für einen späteren Zeitpunkt.

Technische Analyse: Mehr Vorsicht für 2025

Jenseits der gesamtwirtschaftlichen Faktoren signalisieren auch die technischen Indikatoren eine etwas vorsichtigere Herangehensweise im laufenden Jahr. Ein Blick auf den S&P 500 in einer logarithmischen Wochenchartdarstellung zeigt den intakten Aufwärtstrend, der seit 2009 besteht. Immer wenn sich der Index dem oberen oder unteren Ende dieses Kanals nähert, war es historisch gesehen an der Zeit, die Allokation anzupassen.

Die beiden unteren Panels zeigen kurz- und langfristige Versionen des wöchentlichen MACD (Moving Average Convergence Divergence). Beide Indikatoren haben sich nach 2020 durch die enorme Liquiditätsschwemme und Marktspekulation deutlich von ihren üblichen Mustern entfernt. Aktuell scheinen beide Indikatoren zu „toppen“ und deuten auf eine bevorstehende Marktberuhigung hin. Zwar können diese Signale noch eine Weile auf hohem Niveau bleiben, doch sollte der Markt in einen erneuten Korrekturmodus übergehen, werden sich die Trends aus dem Jahr 2022 wiederholen.

Risk Management

Noch ist es nicht so weit, den sprichwörtlichen Alarmknopf zu drücken – schließlich notiert der Markt weiter über seinen langfristigen Durchschnittswerten. Dennoch spricht die Kombination aus höheren Zinsen, überzogenen Bewertungen und schwächer werdendem Gewinnwachstum dafür, die eigenen Portfolios defensiver aufzustellen.

Warum Unsicherheit ein guter Ratgeber ist

Angesichts dieser Gemengelage – steigende Zinsen, hohe Bewertungen, unsicheres Wachstum – hilft uns die Maxime, dass unser Ziel darin besteht, „Risiken zu managen statt Renditen nachzujagen“. So definierte es auch der ehemalige US-Finanzminister Robert Rubin:

„Die einzige Gewissheit ist, dass es keine Gewissheit gibt. Jede Entscheidung beruht daher auf Wahrscheinlichkeiten. Trotz der Unsicherheit müssen wir handeln. Und am Ende sind nicht nur die Ergebnisse entscheidend, sondern auch die Art und Weise, wie wir unsere Entscheidungen getroffen haben.“

Viele Marktteilnehmer machen sich vor, sie könnten das Unvorhersehbare sicher vorhersagen – so halten Astrologen, Wahrsager und manche Börsenexperten die Geschäfte am Laufen. Für deine eigenen Entscheidungen ist es jedoch wesentlich besser, Wahrscheinlichkeiten abzuwägen und sich dann für den Weg mit dem günstigsten Chancen-Risiko-Profil zu entscheiden.

Fazit

Diese Denkweise unterstreicht auch unsere Aussicht auf 2025. Wir werden „taktisch bärischer“, denn wir respektieren die derzeitige Unsicherheit und verfehlen uns nicht in der Annahme, wir wüssten genau, was kommt. Wer Unsicherheit akzeptiert, verringert letztlich das Risiko. Wer sie ignoriert, erhöht es.

Und genau das ist der Schlüssel zum langfristigen Kapitalerhalt und zum Erfolg an der Börse. Niemand kann Marktbewegungen vollständig kontrollieren. Aber du kannst die Wahrscheinlichkeit einer guten Entscheidung erhöhen, indem du Risiken managst und nicht blindlings die höchsten Renditen jagst.

Sprich: Bei uns stehen jetzt wieder etwas mehr Sicherheit, solide Dividendenzahler und eine gute Cash-Quote auf dem Programm. Ob der Markt wirklich dreht oder nicht, werden wir weiter genau beobachten. Und sollte der Zeitpunkt kommen, an dem sich Chancen klar auftun, wird man mit mehr Kapital in der Hinterhand flexibel agieren können.

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