Wir haben in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn der Markt noch einmal die jüngsten Tiefststände testet. Genau das haben wir zu Monatsbeginn gesehen – direkt zur Eröffnung –, bevor sich die Wall Street deutlich von diesem Niveau erholen konnte. Diese Erholung hielt allerdings nicht lange an: Präsident Trumps Ankündigung des "Befreiungstags" am Mittwochnachmittag sorgte dafür, dass der Markt die Gewinne der vorherigen drei Tage wieder abgab. Wir gehen auf die Auswirkungen dieser Ankündigung in unserem heutigen Kommentar noch näher ein – werfen wir vorher aber einen Blick auf die technischen Eckdaten.
Zunächst die schlechte Nachricht: Die Ankündigung der Zölle fiel deutlich härter aus als erwartet – das führte zu einem kräftigen Rücksetzer an den Märkten. Hinzu kam, dass die Berechnungsgrundlage der „Befreiungstag“-Zölle gravierende Schwächen aufwies, weshalb Investoren die Auswirkungen auf den Welthandel und die Unternehmensgewinne schnell neu bewerten mussten.
Die gute Nachricht? Dass die Zölle schlimmer ausfielen als erwartet, lässt dem Markt nun Spielraum nach oben – etwa, wenn Verhandlungen neu aufgenommen oder überzogene Reaktionen wieder relativiert werden.
Am Freitag wurde klar: Mit einer solchen Reaktion Chinas hatte der Markt nicht gerechnet. Anstatt Gespräche aufzunehmen, reagierte Peking mit einem Gegenzoll von 34 % auf US-Produkte und kündigte zusätzlich Ausfuhrkontrollen für Seltene Erden an – eine strategisch wichtige Ressource für die Technologiebranche. China begegnet den Verhandlungen mit Trump ganz offensichtlich „mit harten Bandagen“.
Aus taktischer Sicht war das ein kluger Schritt: Präsident Xi verschafft sich damit eine stärkere Ausgangsposition für weitere Gespräche über mögliche Zolllockerungen. Ohne Einigung über diese Sonderzölle wird der Markt jedoch weiterhin anfällig bleiben.
Technisch betrachtet testet der Markt nun eine weitere wichtige Unterstützungsmarke. Schon letzte Woche hatten wir Folgendes festgehalten:
„Der folgende Chart zeigt die wahrscheinlichsten Retracement-Niveaus, falls es zu einem solchen kommt. Ausgehend von den Tiefstständen im Oktober 2022 hat der Markt kürzlich ein 23,6 %-Retracement dieser Rallye vollzogen. Eine Fortsetzung der Korrektur wird bei den folgenden Werten Unterstützung finden:"
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Die jüngsten Tiefs lagen bei rund 5500 Punkten. (Dieses Niveau wurde erfolgreich getestet)
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Direkt darunter liegt das 38,2 %-Retracement-Level bei 5134. (Wird aktuell getestet)
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Sollte es zu einem weiteren Rückgang kommen, könnte das 50 %-Retracement bei 4816 als nächste Unterstützung dienen – vorausgesetzt, es tritt kein schwerwiegendes fiskalisches Ereignis oder eine Rezession ein.
Am Freitag wurde das 38,2 %-Retracement-Level getestet. Der Markt schloss knapp unter der Marke von 5134. Angesichts des aktuell überverkauften Zustands besteht durchaus die Chance, dass dieses Niveau kurzfristig hält – was eine technische Gegenbewegung in der kommenden Woche begünstigen könnte.
Trotzdem bleibt das Risiko bestehen, dass der Markt bis auf 4816 Punkte fällt. Das würde einem 50 %-Retracement der vorherigen Aufwärtsbewegung entsprechen. Jede positive Nachricht über das Wochenende hinweg – insbesondere aus dem politischen oder wirtschaftlichen Umfeld – könnte allerdings eine kräftige technische Gegenbewegung auslösen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Index derzeit mehr als drei Standardabweichungen unter seinem 50-Tage-Durchschnitt liegt.
Wie bereits in der Vorwoche angemerkt, halten wir es weiterhin für möglich, dass die Märkte in einen breiteren Korrekturprozess übergehen – vergleichbar mit dem Jahr 2022. Dennoch raten wir von überhasteten, nachrichtengetriebenen Verkäufen ab. Selbst wenn neue Zölle das Risiko einer Rezession erhöhen, ist mit zwischenzeitlichen Erholungen zu rechnen.
Wie wir bereits sagten: Am Markt gibt es keine Garantien. Umso wichtiger ist es, das Risikomanagement konsequent beizubehalten. In der aktuellen Phase empfehlen wir, in einem „Sell the rally“-Modus zu agieren – also Erholungen eher für Gewinnmitnahmen zu nutzen –, solange der Markt sein Gleichgewicht noch nicht wiedergefunden hat. Wann dieser Punkt erreicht ist, lässt sich schwer vorhersagen.
Deshalb beobachten wir die technischen Signale weiterhin genau, passen die Portfolios schrittweise an und reduzieren das Volatilitätsrisiko, wo nötig.
Im nächsten Schritt analysieren wir nun die „Liberation Day“-Zölle im Detail – und welche Auswirkungen sie auf die Unternehmensgewinne und das Marktsentiment haben könnten.
Die Zölle am „Tag der Befreiung“ – nicht das, was der Markt erwartet hatte
Über die neuen Zölle wurde in den letzten Tagen bereits ausführlich berichtet – daher will ich an dieser Stelle nicht zu sehr ins Detail gehen. Es gibt aber ein paar zentrale Punkte, die man nicht übersehen sollte – wahrscheinlich sogar entscheidende.
Das erste Problem liegt in der Berechnungsgrundlage der sogenannten Gegenzölle. Wären diese tatsächlich auf Gegenseitigkeit beruhend – etwa nach dem Prinzip: Japan erhebt 700 % Zoll auf US-Reis, und die USA reagieren mit 350 % auf japanischen Reis – dann hätte der Markt vermutlich weit weniger heftig reagiert. Doch genau das war nicht der Fall. Die tatsächliche Methode zur Berechnung der Zollsätze war eine andere – und sie war alles andere als transparent oder nachvollziehbar.
CNBC fasste es treffend zusammen:
„Es dauerte nicht lange, bis Marktbeobachter versuchten, die Formel zu knacken – mit verwirrenden Ergebnissen. Viele, darunter der Journalist und Autor James Surowiecki, kamen zu dem Schluss, dass die USA offenbar das Handelsdefizit durch die jeweiligen Einfuhren geteilt haben, um die Zollsätze für die einzelnen Länder zu berechnen.“
Und genau hier liegt der Knackpunkt: Ein Handelsdefizit ist kein Zollereignis. Es handelt sich dabei um zwei völlig verschiedene Dinge. Deshalb wirken die von der Trump-Regierung am Donnerstag angekündigten Zölle nicht nur überraschend, sondern schlichtweg unglaubwürdig.
Hinzu kommt, dass bei dieser Methode offenbar ausschließlich der Warenhandel berücksichtigt wurde – der Dienstleistungshandel blieb außen vor. Das hat massive Auswirkungen auf das Ergebnis.
Ein Beispiel: Die US-Regierung behauptet, China erhebe faktisch einen Zoll von 67 %. Zur Einordnung: Im Jahr 2024 betrug das Handelsdefizit der USA gegenüber China laut offiziellen Angaben 295,4 Mrd. USD, während die Importe aus China bei 438,9 Mrd. USD lagen.
Teilt man das Defizit (295,4 Mrd.) durch die Importmenge (438,9 Mrd.), ergibt sich – korrekt – ein Wert von rund 67 %. Es sieht also ganz so aus, als hätte man das Handelsdefizit pauschal durch 50 % der Einfuhren geteilt – eine völlig willkürliche Berechnung, die sich in ähnlicher Form auch bei anderen Ländern auf der Liste wiederfindet.
Wie CNBC am Freitag feststellte: Trumps Zölle und die tatsächlichen, realen Zollsätze klaffen weit auseinander. Und genau deshalb hat der Markt in der vergangenen Woche so heftig reagiert.
„Bei der Formel geht es um Handelsungleichgewichte mit den USA und nicht um gegenseitige Zölle im klassischen Sinne – also weder um tarifäre noch um nichttarifäre Verzerrungen.
Genau das macht es für viele asiatische Länder – vor allem für ärmere Staaten – besonders schwierig, der US-Forderung nach einer schnellen Senkung ihrer Zölle nachzukommen. Denn die „Benchmark“ dieser Formel bestraft Länder, die schlichtweg mehr US-Waren importieren, als sie selbst in die USA exportieren.
Das Problem dabei: US-Produkte sind im Vergleich oft deutlich teurer, während die Kaufkraft vieler betroffener Länder geringer ist. Für sie ist es schlicht unrealistisch, die Handelsbilanz durch höhere US-Importe kurzfristig auszugleichen. Ein Beispiel ist Vietnam: Das Land weist den viertgrößten Handelsüberschuss gegenüber den USA auf – hat seine Zölle gegenüber amerikanischen Waren aber bereits vor der Ankündigung der neuen US-Zölle gesenkt, und das ohne jede Übergangsfrist.“ (Quelle: Natixis)
Grundsätzlich krankt dieser Ansatz an einem grundlegenden Denkfehler: Es gibt Länder, gegenüber denen die USA aus guten Gründen ein Handelsdefizit haben – und haben sollten. So beziehen wir aus bestimmten Regionen Rohstoffe oder Produkte, die essenziell für unsere Produktion sind und die in den USA gar nicht oder nur eingeschränkt verfügbar sind. Diese Importe sind wirtschaftlich sinnvoll, auch wenn das jeweilige Land nur geringe Mengen US-Waren zurückkauft.
Solche Handelskonstellationen entstehen nicht aus „böser Absicht“, sondern aus globaler Arbeitsteilung. Trotzdem würden solche Länder nach der neuen Logik nun wirtschaftlich bestraft – nicht für protektionistisches Verhalten, sondern für ein strukturelles Ungleichgewicht, das in vielen Fällen sogar notwendig ist.
Wohlgemerkt: Das bedeutet nicht, dass unsere Handelspartner überhaupt keine Handelshemmnisse gegenüber den USA haben. Natürlich gibt es sie. Aber sie bewegen sich nicht annähernd auf dem Niveau, das von der Trump-Regierung aktuell dargestellt wird.
Peter Tchir brachte es wahrscheinlich am treffendsten auf den Punkt:
„Das ist eine so seltsame Rechnung, dass es unglaublich schwierig ist, überhaupt einen Ausgangspunkt für Verhandlungen zu finden.“
Ob man persönlich mit Trumps „Liberation Day“-Zöllen einverstanden ist oder nicht, spielt für die Marktentwicklung letztlich keine Rolle. Entscheidend ist, wie sich diese Maßnahmen auf die Gewinnerwartungen auswirken – und genau das ist für Anleger relevant.
Wie wir bereits gezeigt haben, hängt vieles davon ab, welche Bewertung der Markt diesen zukünftigen Earnings beimisst. Werden die Gewinnerwartungen nach unten revidiert – etwa aufgrund von Zöllen, höheren Kosten oder schwächerem globalem Handel –, kann sich das deutlich auf die Bewertungen und damit auf die Kursentwicklung auswirken.
Liz Ann Sonders von Charles Schwab (NYSE:SCHW) brachte es auf den Punkt:
„Was wir meines Erachtens wahrscheinlich bald sehen werden, ist eine Neueinstufung der Rezessionswahrscheinlichkeit. Es würde mich überhaupt nicht überraschen, wenn diese deutlich ansteigt. Zumindest dürften die Schätzungen für die Rentabilität von Unternehmen für das Jahr 2025 weiter nach unten korrigiert werden. Der Weg des geringsten Widerstands für die Earnings führt von hier aus klar nach unten.“
Dem können wir nur zustimmen.
Die Auswirkungen auf die Earnings - nur das zählt wirklich
Trotz der Marktturbulenzen, die durch die Zölle ausgelöst wurden, wird es in den kommenden Wochen vor allem darauf ankommen, wie die Wall Street die zukünftigen Erträge und Bewertungen einschätzt. Schon in der vergangenen Woche haben wir es so formuliert:
„Da sich die Wirtschaft verlangsamt, wird das Ertragswachstum wahrscheinlich nicht auf dem aktuellen Niveau bleiben. Bereits im letzten Monat haben wir einen deutlichen Rückgang der Schätzungen für das 1. Quartal gesehen. Wir gehen davon aus, dass sich diese Abwärtskorrekturen in der Berichtssaison zum 2. Quartal noch beschleunigen könnten.“
Am Freitag startet die Berichtssaison für das 1. Quartal. Unsere Grafik zeigt die Entwicklung der Ertragsrevisionen für dieses Quartal. Wie man sieht, sind die Gewinnschätzungen seit der ersten Veröffentlichung von 226,54 USD pro Aktie auf 217,99 USD im März zurückgegangen.
Bemerkenswert ist auch der längerfristige Trend: Zwischen August letzten Jahres und heute sind die Schätzungen von rund 226 USD auf 217 USD gefallen – ein klares Signal für ein nachlassendes Wirtschaftswachstum.
Mit dem Start des 2. Quartals rechnen wir bis zum Jahresende mit einer weiteren, tiefergehenden Revision der Gewinnerwartungen. Auch Goldman Sachs (NYSE:GS) hat kürzlich seine Prognose für 2025 nach unten angepasst – begleitet von einer aktualisierten Einschätzung der Bewertungsmultiplikatoren.
Man sieht inzwischen deutlich, dass sich das Rezessionsszenario mit einem Gewinn von 220 USD pro Aktie für viele Analysten der Wall Street bestätigt hat. Bereits am 20. Dezember 2024 haben wir unsere eigene Prognose für das Jahr 2025 veröffentlicht – und erklärt, warum wir 220 USD/Aktie als realistischstes Szenario ansehen. In unserem damaligen Bericht hieß es unter anderem:
„Ein optimistisches Szenario ist durchaus denkbar, aber das Jahr 2025 bringt eine ganze Reihe an Herausforderungen mit sich – nicht zuletzt, weil der Markt bereits auf relativ hohen Bewertungsniveaus gehandelt wird. Selbst im Fall einer ‚sanften Landung‘ ist mit nachlassenden Erträgen zu rechnen, was es schwieriger macht, die aktuellen Bewertungen zu rechtfertigen.“
Geht man davon aus, dass die Unternehmensgewinne wieder näher an ihren langfristigen Trend zurückkehren, würde das bedeuten, dass die Schätzungen bis Ende 2025 auf rund 220 USD pro Aktie sinken. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Perspektiven am Aktienmarkt:
Im günstigsten Fall würde der S&P 500 ein Niveau von etwa 6380 Punkten erreichen – ein Plus von rund 4,5 %. Alle anderen Szenarien hingegen deuten auf Rückgänge zwischen 2,6 % und bis zu 20,6 % hin.
Die zentrale Frage für die kommenden Monate lautet: Welchen Bewertungsmultiplikator ist die Wall Street künftig bereit zu zahlen?
Seit März befindet sich der Markt in einem Prozess der Bewertungsanpassung – und der Rückschlag in dieser Woche hat diesen Trend weiter verstärkt. Sollte das Rezessionsrisiko durch die Einführung neuer Zölle zusätzlich steigen, dürfte das zu einer noch stärkeren Abwärtskorrektur der Schätzungen durch die Analysten führen.
Noch ist es nicht so weit – aber es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.
Zwar sind die Prognosen zuletzt etwas vorsichtiger geworden, doch das von Goldman Sachs ermittelte Niveau von 220 USD/Aktie liegt weiterhin im Bereich des langfristigen Wachstumstrends der Unternehmensgewinne.
Gerade mit Blick auf den deutlichen Kursrückgang an den Märkten in den letzten Tagen wird deutlich: Die Bewertungsumkehr ist längst im Gange.
Im vergangenen Monat ist das Bewertungsniveau – gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der erwarteten Gewinne (Forward Earnings) – von 22,5 auf 18,5 gefallen. Zum Vergleich: Der langfristige Durchschnitt liegt eher bei einem 16-fachen Gewinn.
Diese Entwicklung bei den Forward Earnings unterstreicht, dass noch weiteres Abwärtspotenzial bei der Bewertung besteht – die Korrektur ist also möglicherweise noch nicht abgeschlossen.
Damit sind wir bei unserer Einschätzung vom Dienstag angekommen, in der wir die Überlegung aufgegriffen haben, dass die Marktentwicklung des Jahres 2022 als eine Art „Drehbuch“ für das laufende Jahr dienen könnte.
Das Szenario 2022
Ich kann nicht oft genug betonen, wie entscheidend es ist, die Richtung und den Trend des Wirtschaftswachstums im Blick zu behalten. In den vergangenen zwölf Monaten haben wir in zahlreichen Beiträgen den engen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Inflation beleuchtet.
In unserem Artikel über "Paul Tudor Jones" – der bereits 1980 seinen eigenen Hedgefonds gründete – haben wir unter anderem erläutert, warum seine Forderung nach deutlich höheren Zinssätzen aus unserer Sicht nicht zutreffend war. Dort hieß es:
„Der aktuelle Anstieg von Inflation und Zinssätzen ist nicht das Ergebnis organischen Wirtschaftswachstums. Vielmehr war er getrieben von einem durch Stimuli ausgelösten Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach dem pandemiebedingten Stillstand. Wenn diese fiskalischen und monetären Zuflüsse nachlassen, wird auch der unterstützende Effekt verschwinden. In Zukunft müssen wir uns verstärkt mit den Faktoren auseinandersetzen, die die Zinsen langfristig beeinflussen: Wirtschaftswachstum, Löhne und Inflation. Auf Basis dieser Komponenten – BIP, Löhne und Inflation – lässt sich ein zusammengesetzter visueller Index erstellen, der im Verhältnis zu den Zinssätzen steht.“
Diese fehlende monetäre Unterstützung ist inzwischen Realität geworden – das Wirtschaftswachstum hat sich spürbar abgeschwächt.
Vor dem Hintergrund der zusätzlichen Belastung durch die neu eingeführten Zölle beginnen nun auch die Ökonomen an der Wall Street, ihre Wachstumsprognosen für das zweite Quartal nach unten zu korrigieren.
Der Rückgang ist in erster Linie auf eine Trendwende bei den US-Exporten infolge der neuen Zölle zurückzuführen.
Während Präsident Trump davon ausgeht, dass die Zölle auf exportierte Waren den USA jährlich Hunderte Milliarden Dollar an Einnahmen bringen könnten, dürfte die tatsächliche Folge eine andere sein: Die sinkenden Inlands-Exporte werden das Wirtschaftswachstum spürbar bremsen.
Die Bedeutung dieser Entwicklungen darf nicht unterschätzt werden. Verbraucherausgaben machen nahezu 40 % der Umsätze amerikanischer Unternehmen aus. Sollte es also tatsächlich zu einem Rückgang kommen, wird sich das direkt in einem schwächeren Ertragswachstum niederschlagen – ein Risiko, das in den aktuellen Schätzungen der Wall Street bislang kaum eingepreist ist.
Ein solcher Rückgang bei den Unternehmensgewinnen würde eher einem Szenario wie im Jahr 2022 ähneln – nicht dem dramatischen Einbruch von 2020, als große Teile der US-Wirtschaft zum Stillstand kamen. Wenn wir erneut in eine Korrekturphase wie 2022 eintreten, könnten bestimmte technische Parallelen als eine Art „Drehbuch“ dienen, an dem sich Anleger trotz offensichtlicher Unterschiede orientieren können.
Im Jahr 2022 hob die Fed die Zinsen deutlich an, die Inflation stieg rasant, und unter Ökonomen galt eine Rezession als kaum vermeidbar. In der Folge wurden die Ertragsschätzungen deutlich gesenkt, was zu einer Neubewertung an den Märkten führte.
Heute erleben wir eine umgekehrte Situation: Die Fed senkt die Zinsen, da die Inflation zurückgeht – gleichzeitig steigt jedoch wieder das Risiko einer Rezession. Und erneut beginnen die Analysten, ihre Erwartungen nach unten anzupassen.
Was wir dabei nicht aus dem Blick verlieren dürfen: Die Auswirkungen der neu eingeführten Zölle könnten die Lage schnell verändern – und damit auch die Einschätzung der Märkte.
Wie bereits erwähnt: Auch wenn die jüngsten Wirtschaftsdaten bislang noch nicht klar auf eine Rezession hindeuten, beginnen viele Ökonomen bereits, ihre Erwartungen für das kommende Jahr erneut nach unten anzupassen.
Ob diese Prognosen am Ende zutreffen oder nicht, ist zunächst zweitrangig. Entscheidend sind sowohl die Erwartungen als auch die tatsächliche Entwicklung der Unternehmensgewinne.
Der jüngste Bruch des 200-Tage-Durchschnitts (200-DMA) könnte ein erstes technisches Signal für eine tiefere Korrektur sein – vor allem dann, wenn die kommenden Wirtschaftsdaten auf ein weiter nachlassendes Wachstum hindeuten und die Gewinnprognosen dadurch weiter unter Druck geraten.
Wie ich bereits früher erläutert habe:
Im März 2022 gab der Markt ein wöchentliches „Verkaufssignal“, als er stark nachgab. Nach diesem Signal kam es zu einer deutlichen Erholung – was nicht ungewöhnlich ist, denn nach dem Auslösen solcher Signale sind Märkte oft kurzfristig überverkauft.
Diese Aufwärtsbewegung bot damals eine gute Gelegenheit, Risiko abzubauen, denn sie war nicht nachhaltig: Als die Erholung scheiterte, kehrten die Verkäufer rasch zurück.
Es folgte ein typisches Muster: Rückgang, Aufschwung, erneuter Rückgang – bis der Markt im Oktober 2022 schließlich seinen Tiefpunkt erreichte.
Angesichts der Kombination aus schwächeren Wirtschaftsdaten, den neu eingeführten Zöllen und einer weiterhin restriktiven Geldpolitik gehen wir davon aus, dass die Phase erhöhter Marktvolatilität in diesem Jahr noch nicht vorbei ist.
Dennoch ist es wichtig, sich zu erinnern: Auch im Jahr 2022 sah es zwischenzeitlich so aus, als könne der Markt nur noch weiter fallen. Am Ende wurde der Abwärtstrend jedoch gebremst.
Genauso wird auch der aktuelle Korrekturprozess irgendwann ein Ende finden. Und wenn der Zeitpunkt gekommen ist, um wieder in den Markt einzusteigen, werden Sie sich – wie so oft – wahrscheinlich nicht motiviert fühlen, genau dann zu kaufen.
Wenn die Zeit zum Kaufen kommt, werden Sie nicht motiviert sein
Sollte man also jetzt schon wieder mit dem Kaufen beginnen?
Vor dem Hintergrund der aktuellen technischen Lage und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lautet unsere Einschätzung: Nein, noch nicht.
Das heißt allerdings nicht, dass es in der Zwischenzeit nicht zu starken Gegenbewegungen kommen kann. Der Markt hat die Angewohnheit, genau dann kurzfristige Erholungen zu zeigen, wenn Anleger das Gefühl haben, völlig den Halt zu verlieren. Wie die obige Grafik zeigt, haben wir dieses Muster während der Korrektur im Jahr 2022 mehrfach beobachten können.
Unsere Analyse enthält aber auch eine wichtige Erkenntnis: Anleger übersehen oft, dass Marktkorrekturen auch Chancen mit sich bringen.
Sie bieten die Möglichkeit, in Qualitätswerte unterhalb ihres fairen Werts einzusteigen. Besonders auffällig ist das aktuell bei den größten Mega-Caps, die in den letzten zwei Monaten besonders stark unter Druck geraten sind. Diese Titel werden derzeit auf dem günstigsten Bewertungsniveau im Verhältnis zum S&P 500 der letzten zehn Jahre gehandelt.
Das bedeutet allerdings nicht, dass man sich jetzt sofort mit Aktien der „Glorreichen Sieben“ eindecken sollte.
Der laufende Umkehrprozess hat zwar einen Teil der Überbewertungen in diesen Unternehmen bereits abgebaut – aber genau an diesem Punkt wird Investieren wieder deutlich anspruchsvoller.
Als Anleger wissen wir theoretisch, dass wir günstig kaufen und teuer verkaufen sollten. In der Praxis ist das jedoch gerade in Korrekturphasen unglaublich schwer – vor allem wegen unserer natürlichen emotionalen Neigung zur Verlustvermeidung.
„Die Verlustaversion ist ein Phänomen aus der verhaltensorientierten Finanzwelt, bei dem Anleger Verluste stärker gewichten als gleich hohe Gewinne. Je häufiger jemand Verluste erlebt, desto stärker wird die Tendenz, Risiken zu meiden – selbst wenn es bedeutet, potenzielle Chancen zu verpassen.“ – Corporate Finance Institute
Diese Angst vor weiteren Verlusten führt dazu, dass viele Anleger eher günstig verkaufen, anstatt teuer zu kaufen – obwohl sie es eigentlich besser wissen.
Deshalb legen wir unseren Fokus auf drei zentrale Elemente:
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die Marktstimmung,
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die technische Analyse,
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und die Fundamentaldaten der Unternehmen, in die wir investieren möchten.
Wir behaupten dabei nicht, dass man mit diesem Instrumentarium den Tiefpunkt exakt erwischen oder den Höchststand perfekt treffen kann. Aber wenn das Ziel lautet, Kapital langfristig zu mehren, dann helfen genau diese Werkzeuge, um in volatilen Märkten handlungsfähig zu bleiben.
Es wird nicht lange dauern, bis der Markt wieder einen Anlass für eine Erholung findet – möglicherweise sogar schon in der kommenden Woche. Wenn es so weit ist, empfehlen wir, sich auf die Grundprinzipien des Investierens zu besinnen. Sie sind essenziell, um mit der erwarteten Volatilität im weiteren Jahresverlauf souverän umzugehen.
Irgendwann wird der Markt seinen Tiefpunkt erreichen – genau wie 2022. Und wie damals werden Sie wahrscheinlich nicht glauben, dass es wirklich der Tiefpunkt ist. Ihre Unsicherheit wird groß sein, die Angst zu kaufen vielleicht noch größer. Doch genau das wird der Moment sein, in dem es sich lohnt, aktiv zu werden.
Käufe in der Nähe von Markttiefs sind nie einfach – sie fühlen sich oft falsch an. Wahrscheinlich sind wir noch nicht ganz dort angekommen, aber womöglich näher, als viele denken.
Wenn Sie jetzt ans Verkaufen denken, stellen Sie sich eine einfache Frage: Wäre es nicht vielleicht besser, stattdessen zu kaufen?
Wie wir uns positionieren
Wie bereits erwähnt, rechnen wir in naher Zukunft mit einer spürbaren Erholung. Auch wenn eine solche Aufwärtsbewegung zweifellos für mehr Optimismus unter den Anlegern sorgen dürfte, werden wir sie gezielt nutzen, um die Volatilität im Portfolio weiter zu verringern – zumindest solange, bis der Markt eine stabilere, nachhaltigere Talsohle gefunden hat.
Darüber hinaus wurde nun ein wichtiges Verkaufssignal auf Wochenbasis ausgelöst.
Gleichzeitig notieren die Märkte aktuell rund drei Standardabweichungen unter ihrem längerfristigen gleitenden Durchschnitt – was die Gültigkeit der aufsteigenden Trendlinie seit den Tiefstständen vom Oktober 2022 infrage stellt. Solch überverkaufte Zustände gehen erfahrungsgemäß häufig kurzfristigen Erholungen voraus. Deshalb planen wir, unser Aktienengagement im Bereich zwischen 5500 und 5700 schrittweise zu reduzieren. Selbst wenn die Erholung stärker ausfällt, werden wir genau diese Niveaus nutzen, um gezielt Risiko abzubauen.
Unser Vorgehen dabei im Überblick:
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Reduktion bestehender Positionen um ¼ bis ½ ihrer Zielgewichtung
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Erhöhung der Kassenbestände, um flexibel agieren zu können
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Anpassung von Stop-Loss-Marken bei langfristigen Positionen nach oben
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Verkauf von Positionen, die frühere technische Unterstützungsniveaus unterschritten haben oder bei denen die Risikotoleranz überschritten wurde
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Aufbau neuer Positionen, die gut positioniert sind, um in einem volatilen Marktumfeld zu bestehen
Nach Umsetzung dieser Maßnahmen werden wir das Portfolio weiterhin aktiv überwachen und bei Bedarf anpassen.
Irgendwann wird der Bewertungsrückgang abgeschlossen sein – und dann können wir die Portfolioallokationen wieder auf ein Umfeld mit Aufwärtspotenzial ausrichten. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, werden wir:
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Anleihepositionen abbauen
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Einkommensorientierte Allokationen von Staatsanleihen zu Unternehmensanleihen verschieben
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und Aktienquoten in den Portfolios wieder übergewichten
Doch dazu werden wir in kommenden Beiträgen noch ausführlicher Stellung nehmen.
Vorerst bleibt das Marktumfeld herausfordernd und von Unsicherheit geprägt. Wer sich jedoch gut vorbereitet, diszipliniert handelt und seine Strategie flexibel anpasst, kann auch volatile Phasen mit Zuversicht meistern.
Wenn technische Indikatoren warnen, ist ein strukturiertes Risikomanagement der Schlüssel – es schützt Kapital und schafft die Basis für nachhaltige, langfristige Renditen.
Ich hoffe, diese Gedanken sind hilfreich für Ihre Überlegungen.
Schöne Woche!