Segen oder Fluch? Trumps Bruch mit dem alten System

Veröffentlicht am 11.04.2025, 07:52

(Bibel Fünftes Buch Mose 11:26) – „Siehe, ich lege euch heute einen Segen und einen Fluch vor.“ Diese Bibelstelle wurde schon unzählige Male zitiert, wenn es darum ging, die seit 1944 bestehende globale Wirtschaftsordnung zu beschreiben.

Während der Zweite Weltkrieg wütete und Großbritannien mit massiven finanziellen Problemen zu kämpfen hatte, unterzeichneten die Alliierten das Abkommen von Bretton Woods. Im Zuge dieses Abkommens löste der US-Dollar das britische Pfund als Weltreservewährung ab.

Viele der ursprünglichen Vereinbarungen existieren heute nicht mehr – doch Freunde wie Gegner der USA sind weiterhin stark vom USD als globale Reservewährung abhängig. Damit nehmen sie sowohl die Vorteile als auch die Schattenseiten dieses Systems in Kauf. Der „ungeschriebene Pakt“ rund um den Dollar war dabei nie wirklich tragfähig. Trotzdem haben alle US-Präsidenten seit 1944 dieses System gestützt.

Donald Trump könnte der Erste sein, der nicht mehr bereit ist, dieses Erbe einfach weiterzutragen. Seine überraschenden wirtschafts- und außenpolitischen Kurswechsel deuten auf nichts Geringeres als eine wirtschaftliche Zeitenwende hin.

Die Einschätzungen in diesem Artikel stützen sich auf Aussagen von Trump selbst, von Mitgliedern seiner Regierung sowie auf konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen. Wir gehen nicht davon aus, dass er das System des USD als Weltreservewährung komplett abschaffen will. Aber – wie wir im Folgenden zeigen – strebt er offenbar danach, zentrale Elemente des „ungeschriebenen“ Bretton-Woods-Systems zu reformieren:

  • Beendigung oder starker Abbau der Handelsungleichgewichte

  • Massive Einschränkungen bei der Militärhilfe – und klare Forderungen an andere Länder, sich finanziell zu beteiligen

  • Reduktion der staatlichen Schulden

  • Rückverlagerung der industriellen Fertigung in die USA

Die aktuelle Lage im internationalen Zollgefüge ist extrem komplex und in ständiger Bewegung – mit möglicherweise tiefgreifenden Folgen für Wirtschaft und Märkte. Dieser Artikel ist daher vermutlich nur der Auftakt zu einer ganzen Serie, in der wir beleuchten, wie sich die Veränderungen der über Jahrzehnte gewachsenen US-Wirtschaftspolitik auswirken könnten.

Bevor wir fortfahren, sollten Sie einen Moment innehalten und die folgenden Passagen aus einer Rede von Steve Miran, dem Vorsitzenden des Council of Economic Advisers (CEA), aufmerksam lesen. Die Rede wurde am 7. April 2025 gehalten:

„Heute möchte ich über die Bereitstellung dessen sprechen, was Ökonomen als ‚globale öffentliche Güter‘ bezeichnen – und zwar für die gesamte Welt. Erstens bieten die Vereinigten Staaten einen Sicherheitsschirm, der die größte Ära des Friedens ermöglicht hat, die die Menschheit je erlebt hat. Zweitens stellen die USA den US-Dollar und Staatsanleihen zur Verfügung, die das globale Handels- und Finanzsystem tragen – und damit die größte Ära des Wohlstands, die die Menschheit je erlebt hat.“

„Beides ist für uns mit hohen Kosten verbunden. In der Verteidigung setzen unsere Männer und Frauen in Uniform täglich ihr Leben aufs Spiel, um unsere Nation und die Welt sicherer zu machen – und um unsere Freiheiten über Generationen hinweg zu schützen. Gleichzeitig belasten wir hart arbeitende Amerikaner mit erheblichen Steuern, um diese globale Sicherheit zu finanzieren. Auf der finanziellen Seite hat die Reservewährungsrolle des US-Dollars zu anhaltenden Währungsverzerrungen geführt. Zusammen mit den unfairen Handelspraktiken anderer Länder haben sie massive Handelsdefizite erzeugt – Defizite, die unsere Industrieproduktion geschwächt und zahlreiche Arbeiterfamilien sowie ganze Gemeinden über Jahre hinweg getroffen haben, nur um den Handel mit Nicht-Amerikanern zu ermöglichen.“

Das Triffin-Dilemma

Wir haben bereits mehrere Artikel über den Status des USD als Weltreservewährung und seine weitreichenden Auswirkungen auf die US- und die Weltwirtschaft veröffentlicht. Da dieses Thema entscheidend ist, um die aktuelle Zollpolitik richtig einordnen zu können, möchten wir im Folgenden einige zentrale Passagen aus unserem Beitrag „Unsere Währung, das Problem der Welt – Teil 1“ zitieren:

„1960, elf Jahre bevor Nixon die Goldkonvertibilität aufhob und das Bretton-Woods-Abkommen de facto endete, warnte Robert Triffin in seinem Buch „Gold and the Dollar Crisis: The Future of Convertibility“ vor genau diesem unausweichlichen Problem. Seiner Analyse zufolge würde das Privileg, die Weltreservewährung zu stellen, den USA letztlich mehr schaden als nützen.“

„Damals fanden Triffins Überlegungen nur wenig Beachtung. Dennoch wurde er im Dezember desselben Jahres vor den Gemeinsamen Wirtschaftsausschuss des US-Kongresses geladen.“

„Was er in seinem Buch und in seiner Aussage vor dem Kongress darlegte, ist heute als Triffin-Dilemma bekannt. Und tatsächlich haben sich die Entwicklungen seitdem weitgehend so abgespielt, wie er es vorhergesagt hatte. Triffin argumentierte im Kern, dass der Reservestatus des US-Dollars dazu führt, dass ein erheblicher Teil des Welthandels in USD abgewickelt wird. Damit dieser Handel – und die globalen Volkswirtschaften – in einem solchen System wachsen können, müssen die USA kontinuierlich neue Dollar in Umlauf bringen.“

„Und um die Welt mit US-Dollar zu versorgen, müssen die Vereinigten Staaten dauerhaft Handelsdefizite aufweisen. Das wiederum führt langfristig dazu, dass die USA zur Schuldnernation werden.“

Ein zirkuläres, nicht nachhaltiges System

Ausländische Staaten benötigen US-Dollar, um mit den USA Handel zu treiben – aber auch, um mit vielen anderen Ländern weltweit Geschäfte abzuwickeln. Deshalb halten sie Dollarreserven und investieren diese häufig in den US-Finanzmärkten. Auch ausländische Unternehmen und Regierungen leihen sich US-Dollar, um ihre Liquidität in der Reservewährung zu sichern.

Diese Notwendigkeit, US-Dollar zu halten, stärkt den Wert der Währung gegenüber anderen – was zur Folge hat, dass US-Exporte teurer und damit weniger wettbewerbsfähig werden, während Importe günstiger erscheinen und an Attraktivität gewinnen. So entsteht ein strukturelles Handelsungleichgewicht, das sich weiter verfestigt, weil ausländische Staaten den USA Dollar leihen – und damit einen schuldenfinanzierten Konsum von Importgütern ermöglichen.

Mit dem Wachstum sowohl der US-Wirtschaft als auch der Weltwirtschaft sind auch das Handelsdefizit und die Gesamtverschuldung der USA gestiegen. Die Abhängigkeit von Krediten hat zugenommen – ebenso wie der Druck, die Zinsen niedrig zu halten, um die stetig steigende Schuldenlast tragbar zu machen. Dieser Mechanismus verstärkt sich selbst: Der Konsum bleibt hoch, während gleichzeitig die industrielle Produktionsbasis in den USA immer weiter schrumpft – denn günstige Importe verdrängen heimische Fertigung.

Werfen Sie im Folgenden einen Blick auf die wichtigsten Kennzahlen – und die dazugehörigen Schaubilder:

  • Das Verhältnis der US-Staatsverschuldung zum BIP ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

  • Das Außenhandelsdefizit der USA hat sich in den letzten 30 Jahren um das 25-fache erhöht.

  • Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der US-Wirtschaft nimmt stetig weiter ab.

  • Laut den TIC-Daten des US-Finanzministeriums halten ausländische Investoren US-Wertpapiere und Aktien im Wert von rund 26 Billionen US-Dollar. Diese Zahl dürfte die tatsächlichen Gesamtinvestitionen von Ausländern in den USA allerdings noch unterschätzen.

Schulden zu BIP

Anstieg des Handelsdefizits

Anteil der verarbeitenden Industrie am BIP

Schulden des Bundes

Ausländische Beteiligungen an US-Finanzanlagen

Weitere Überlegungen

Im Gegenzug für das, was viele als ein „exorbitantes Privileg“ bezeichnen – nämlich die Weltreservewährung zu stellen und sich dadurch nahezu unbegrenzt verschulden zu können – haben die USA stillschweigend zugestimmt, ihren Verbündeten militärischen Schutz zu bieten und Waffen zu liefern. Diese Sicherheitsgarantien haben die Staatsverschuldung weiter steigen lassen und die Abhängigkeit von ausländischer Finanzierung und dauerhaft niedrigen Zinssätzen nochmals verstärkt.

Ein Vorteil dieses Systems: Die USA sind nicht in dem Maße dem Risiko einer Währungsabwertung ausgesetzt wie viele andere Länder, bei denen ein solcher Kursverfall gravierende Folgen haben kann. Da wir keine US-Dollar in andere Währungen tauschen müssen, um ausländische Waren und Dienstleistungen zu kaufen, wirken sich Phasen eines schwächeren Dollars kaum spürbar auf die Inflation aus.

Zudem richtet die Fed ihre Geldpolitik in erster Linie nach den wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen innerhalb der USA aus. Gleichzeitig hat die weltweite Bedeutung des US-Dollars zur Folge, dass ein großer Teil der Weltwirtschaft indirekt ebenfalls der US-Geldpolitik unterliegt – unabhängig davon, ob diese Politik zu den jeweiligen lokalen Gegebenheiten passt oder nicht.

Durch den Reservestatus des US-Dollars konnten die USA sowohl ihre wirtschaftliche als auch ihre militärische Führungsrolle ausbauen. Und wie die untenstehenden Daten zeigen, ist Amerika heute reicher als nahezu jedes andere Land. Für diesen Wohlstand gibt es viele Gründe – aber der Status des USD als Weltreservewährung gehört zweifellos zu den zentralen Säulen.

Länder mit den meisten vermögenden Privatpersonen

Weltweites Vermögen pro Person

Segen und Reichtum

Der größte Vorteil des US-Dollar-Reservestatus für die Vereinigten Staaten liegt in der Möglichkeit, sich günstig zu verschulden. Wie bereits erwähnt, hat das zu enormem Wohlstand geführt. Allerdings basiert dieser Wohlstand zum Teil auf fremdfinanzierten Geschäften und stark aufgeblähten Vermögensbewertungen.

Sollten ausländische Investoren beginnen, ihre Bestände an US-Schuldtiteln und -Wertpapieren abzubauen, wäre ein Rückgang der Finanzmarktpreise sehr wahrscheinlich – und damit auch ein spürbarer Rückgang unseres Wohlstands.

In einem solchen Szenario müsste die Fed, wie schon in den Jahren 2008 und 2020, eingreifen und Liquidität bereitstellen. Zwar mag die US-Notenbank in der Lage sein, auch ein weiteres Mal die Märkte zu stabilisieren, doch unsere wachsende Abhängigkeit von solchen Eingriffen ist ein weiteres deutliches Zeichen dafür, dass das aktuelle System langfristig nicht tragfähig ist.

Der Fluch – Produktivität

Leider haben die dauerhaft niedrigen Zinssätze dazu geführt, dass Schulden häufig für wenig produktive Zwecke verwendet wurden. Aktienbewertungen nahe ihrer Rekordhochs, spekulative „Meme-Coins“ und überteuerte Immobilienpreise sind nur einige Beispiele für Vermögenswerte, die derzeit stark überbewertet erscheinen.

Wären die aufgenommenen Schulden stattdessen in produktivere Bereiche geflossen, wäre das Wirtschaftswachstum heute vermutlich deutlich robuster – und die Rückzahlung der Schulden entsprechend einfacher.

Mit anderen Worten: Die Schuldenquote des Bundes läge unter eins und würde sinken, statt wie aktuell immer schneller zu steigen. Stattdessen wächst unsere Abhängigkeit von niedrigen Zinssätzen und regelmäßigen Eingriffen der Fed – ein weiteres Anzeichen für die strukturellen Schwächen des bestehenden Systems.

Donald Trump

Donald Trumps wirtschaftspolitische Botschaften in den Jahren 2018 und 2024 trafen bei vielen Wählern einen Nerv – und trugen maßgeblich zu seinem Wahlerfolg bei. Themen wie die Rückverlagerung von Arbeitsplätzen, der Abbau von Handels- und Haushaltsdefiziten sowie die Reduzierung der globalen militärischen Präsenz der USA stießen auf breite Zustimmung.

Ob seine Anhänger es wahrhaben wollen oder nicht – vieles spricht dafür, dass Trump die Weichen stellt, um sich vom bestehenden wirtschaftlichen Ordnungsrahmen der letzten 80 Jahre zu lösen. Einige seiner jüngsten Maßnahmen und Ankündigungen deuten klar in diese Richtung:

  • Einführung von Zöllen zur Förderung der inländischen Produktion und zur Reduzierung von Importen

  • Abschaffung von USAID

  • Rücknahme bzw. Begrenzung militärischer Aktivitäten und Finanzierungen im Ausland

  • Zielsetzung, das Bundesdefizit durch umfassende Ausgabenkürzungen zu senken

  • Aussetzung der US-Beteiligung an der Welthandelsorganisation

  • Drohungen, die NATO-Mitgliedschaft infrage zu stellen

Fazit

Triffin hatte Recht: Das Bretton-Woods-Abkommen – ebenso wie einige seiner stillschweigenden Folgevereinbarungen – ist langfristig nicht tragfähig.

Sollte es Donald Trump gelingen, die bestehende globale Wirtschaftsstruktur aufzubrechen oder zumindest tiefgreifend zu verändern, hätte das weitreichende Konsequenzen – sowohl für die Weltwirtschaft als auch für das geopolitische Gleichgewicht. Aus Investorensicht wäre das zunächst eine enorme Herausforderung.

Der US-Dollar wird aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin die Rolle der Weltreservewährung behalten – schlicht deshalb, weil es derzeit keine realistische Alternative gibt. Doch viele der unausgesprochenen Abmachungen und Erwartungen, die das heutige Weltwirtschaftssystem prägen, könnten sich grundlegend verändern.

Wir stehen also vor einer Wahl: Entweder wir gestalten den Wandel aktiv und zu unseren Bedingungen – oder wir lassen ihn auf uns zukommen und werden gezwungen, auf äußeren Druck zu reagieren. Beides wird schmerzhaft sein. Aber der Versuch, am Status quo festzuhalten, könnte letztlich die deutlich härteren Konsequenzen mit sich bringen.

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