FRANKFURT (dpa-AFX) - Chinesische Investoren sind derzeit zum Großeinkauf in Europa unterwegs. In der ersten Hälfte des Jahres haben sie bereits angekündigt, Firmen mit einem Rekord-Transaktionsvolumen von 72,4 Milliarden Dollar (65,2 Mrd Euro) übernehmen zu wollen, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Aufstellung der Beratergesellschaft EY (Ernst & Young) hervorgeht. Mit 164 Transaktionen wurde bereits zur Jahresmitte nahezu der Wert aus dem Vorjahr (183) erreicht, weitere Übernahmegeschäfte seien in Vorbereitung.
Mit 37 Firmenübernahmen oder Beteiligungen war Deutschland das beliebteste Ziel der chinesischen Investoren vor Frankreich (23) und Großbritannien (20). Die Summe, die in deutsche Firmen investiert wurde oder laut Plan investiert werden soll, stieg sprunghaft auf 10,8 Milliarden Dollar (9,7 Mrd Euro) nach nur 526 Millionen Dollar (474 Mio Euro) im gesamten Vorjahr.
Fast die Hälfte davon (4,7 Milliarden Dollar/4,2 Mrd Euro) entfällt auf die geplante Übernahme des Maschinenbauers Kuka (XETRA:KU23) durch den China-Konzern Midea. Der Deal ist in diesem Jahr der drittgrößte in Europa - nach der ebenfalls noch nicht abgeschlossenen 44 Milliarden Dollar schweren Übernahme des schweizerischen Chemie-Unternehmens Syngenta (FSE:SVJ) (VTX:SYNN) durch Chemchina und dem 8,6 Milliarden Dollar schweren Geschäft mit dem finnischen Spiele-Entwickler Supercell. Auf Platz vier in diesem Jahr liegt bislang der Verkauf der deutschen Entsorgungs- und Energiefirma EEW an Bejing Enterprises Holding.
Die EY-Berater erwarten für die zweite Jahreshälfte weitere spektakuläre Übernahmen durch chinesische Investoren, die wegen des verlangsamten Wachstums auf ihrem Heimatmarkt eine Spezialisierung anstrebten und Gelegenheiten suchten. Sie träfen hier auf einen Markt, auf dem sich viele Investmentgesellschaften von ihren Beteiligungen trennen wollten. Das Interesse richte sich nicht nur auf Technologie- und Maschinenbau-Unternehmen, erklärte EY-Partner Alexander Kron. Auch Kliniken, Altenheime, Pharma- und Biotechunternehmen seien zuletzt in den Fokus geraten.
Eine Übernahme müsse nicht zum Nachteil der Beschäftigten verlaufen, erklärte die EY-China-Expertin Yi Sun. Tendenziell bauten die Chinesen parallel zu den hiesigen Kapazitäten weitere Werke in China auf. Bei Hochtechnologie-Unternehmen sei eine Standortverlagerung wegen des hochkomplexen Know-hows sogar häufig völlig unmöglich. "Die Zeiten, in denen hier ein Stahlwerk abgebaut und in China wieder aufgebaut wurde, sind längst vorbei.