Investing.com - Die Welt der Ölmärkte bleibt weiterhin volatil. In den letzten Handelstagen haben die Ölpreise eine leichte Korrektur durchlaufen, nachdem sie zuvor ein Zehnmonatshoch erreicht hatten.
Doch, was hat diese spektakuläre Kletterpartie eigentlich ausgelöst und wie geht es weiter? Die Antwort liegt in den großen Spielern auf dem globalen Ölmarkt. Ein Haupttreiber war zweifelsohne die Entscheidung von zwei Schwergewichten der Ölproduktion, Saudi-Arabien und Russland, ihre Produktionskürzungen weiter auszudehnen. Diese OPEC+-Mitglieder beschlossen, ihre gemeinsamen Produktionskürzungen um 1,3 Millionen Barrel pro Tag bis zum Jahresende zu verlängern. Diese Maßnahme wirkte wie ein kräftiger Motor, der die Ölpreise nach oben trieb und den Druck auf die globale Angebots- und Nachfragebilanz verstärkte.
Die OPEC selbst steht unter ständiger Beobachtung und prüft ihre Strategien auf monatlicher Basis. Analysten bei der ING (AS:INGA) Bank warnen, dass der Druck auf die Fördergemeinschaft weiter zunehmen könnte, je höher die Ölpreise steigen. Es sei sogar nicht auszuschließen, dass die OPEC oder zumindest Saudi-Arabien in diesem Jahr beginnen könnten, ihre Förderkürzungen wieder schrittweise zu lockern, um den Markt zu stabilisieren, meint Warren Patterson, Leiter der Rohstoffabteilung bei der ING.
Ein weiterer Faktor, der die Ölpreise beeinflusst, ist die Entwicklung der US-Ölproduktion in den wichtigen Schieferölregionen. Im Oktober wird der EIA zufolge erwartet, dass sie auf den niedrigsten Stand seit Mai 2023 sinken wird, was den dritten monatlichen Rückgang in Folge darstellt. Gleichzeitig sind die US-Rohöllagerbestände laut aktuellen Daten der Energy Information Administration etwa 3 % unter dem Fünfjahresdurchschnitt für diese Jahreszeit. Gestern vermeldete die US-Energiebehörde einen Rückgang der Ölreserven um 2,13 Millionen Barrel. Dieser Lagerabbau trägt zur angespannten Lage an den Ölmärkten bei und verleiht den Preisen zusätzlichen Auftrieb.
Allerdings gibt es auch Unsicherheitsfaktoren. Die US-Notenbank Fed hat auf ihrer gestrigen Sitzung den Leitzins unverändert gelassen, aber gleichzeitig mindestens eine weitere Zinserhöhung in diesem Jahr in Aussicht gestellt und ihre mittel- und langfristigen Zinsprognosen deutlich nach oben korrigiert. Dies hat vorerst den Dollar gestärkt und den Aufwärtsdruck auf die Ölsorten WTI und Brent gemindert.
Expertenmeinungen über den weiteren Verlauf der Ölpreise gehen auseinander. Edward Morse, Global Head of Commodities bei Citi, sieht kurzfristig die Möglichkeit, dass die Ölpreise die magische Marke von 100 Dollar pro Barrel überschreiten könnten. Seine Prognosen gehen davon aus, dass die globalen Öllagerbestände im dritten Quartal 2023 weiter schrumpfen werden, gefolgt von einem moderaten Aufbau im vierten Quartal. Daher erwartet er, dass die Ölpreise bis zum Jahresende zurückgehen, jedoch immer noch auf einem respektablen Niveau verharren werden.
Die Strategen von Goldman Sachs (NYSE:GS) hingegen sind optimistischer gestimmt. Sie haben ihr 12-Monats-Preisziel für ein Barrel Öl von 93 auf 100 Dollar angehoben, um die Aussicht auf einen stärkeren Lagerabbau zu berücksichtigen. Sie argumentieren, dass die Kombination aus niedrigerem OPEC-Angebot und steigender Nachfrage das höhere Angebot aus den USA ausgleichen wird. Ihrer Meinung nach könnte die OPEC den Brent-Preis bis 2024 in einer Bandbreite von 80 bis 105 Dollar halten, gestützt durch wachsende Nachfrage in Asien und ihre starke Preissetzungsmacht.
Im Gegensatz dazu schlossen die UBS-Strategen ihre Long-Position in Brent, die sie Ende März eingegangen waren. Der Eröffnungskurs lag bei 78,65 Dollar mit einem Kursziel von 95 Dollar. "Wir erwarten, dass sich Brent in den kommenden Monaten in einer Bandbreite von 90 bis 100 Dollar pro Barrel bewegen wird, mit einem Jahresendziel von 95 Dollar pro Barrel. Wir empfehlen risikofreudigen Anlegern weiterhin, in Brent-Kontrakte mit längeren Laufzeiten zu investieren, die mit einem Abschlag zum Spotpreis gehandelt werden", so die Strategen um Giovanni Staunovo.