Investing.com - In einer Welt, die von ständigen Veränderungen geprägt ist, sind es oft die unscheinbaren Faktoren, die die größten Auswirkungen auf unsere Wirtschaft haben. Die aktuelle Rallye des europäischen Erdgaspreises, ausgelöst durch wachsende Angebotssorgen, ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür.
In der jüngsten Folge dieses Dramas stehen australische LNG-Terminals im Rampenlicht, die normalerweise ganz gelassen Erdgas nach Asien schicken. Doch plötzlich tauchen Streikaufrufe auf und lassen die globalen Märkte erzittern. Die Nachrichten über mögliche Streiks an drei australischen LNG-Terminals, die rund 10 % der weltweiten LNG-Lieferungen ausmachen, haben die globalen Erdgaspreise in die Höhe getrieben.
Gestern schloss der richtungweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung im September an der Börse in Amsterdam auf 40,78 Euro je Megawattstunde (MWh). Das sind fast 44 % mehr als zum Monatsende im Juli. Allerdings liegt der Preis für europäisches Erdgas nach wie vor deutlich unter dem Niveau, das er im Zuge des Beginns des Ukraine-Kriegs erreicht hatte. In der Spitze wurde letzten Sommer ein Rekordpreis von knapp 240 Euro je MWh gezahlt.
Die Verwundbarkeit der globalen Märkte wird uns schmerzlich vor Augen geführt, nachdem sich Europa nach der Invasion Russlands in der Ukraine von russischem Pipeline-Gas abgewandt und sich den fragilen Reizen von LNG zugewandt hat. Wie es im Drehbuch steht, wird diese Entscheidung mit höheren Durchschnittspreisen erkauft. Europa und Asien reichen sich die Hand und klagen über die gestiegenen Preise, während die USA ihre eigenen Energieträume exportieren und die Lage noch komplizierter machen.
Es ist eine absurde Ironie, dass die Preise auf den Ölmärkten, auf denen das Spiel der Spekulationen oft wilder tobt als in einem Zirkuszelt, vergleichsweise ruhig wie eine Sommernacht sind. Erdgas hingegen verhält sich wie ein aufgeregtes Kind in einem Süßwarenladen, das zwischen Europa und Asien hin- und herrennt und die Preisschilder durcheinanderwirbelt.
Die Experten von Capital Economics sagen voraus, dass dieser finanztechnische Thriller noch bis mindestens 2025 andauern wird, bis die erhofften Investitionen in neue LNG-Exportterminals endlich die Bühne betreten und für eine Portion Stabilität sorgen. Bis dahin werden wir alle als Zuschauer dieses außergewöhnlichen Schauspiels auf der Stuhlkante sitzen, mit gebanntem Blick auf die volatile Bühne der globalen Erdgasmärkte.
Ob es ein Happy End geben wird, in dem die Volatilität sich ihren historischen Normen annähert, oder ob uns weitere überraschende Wendungen erwarten, bleibt ein Geheimnis, das nur der Regisseur "Angebot und Nachfrage" kennt.