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Veröffentlicht am 13.10.2011, 20:51
Börsen-Zeitung: Rückkehr der Houdinis, Kommentar zu J.P. Morgan von

Sebastian Schmid

Frankfurt (ots) - Die Märkte sind in Aufruhr: Aktien-, Anleihe-

und Wechselkurse zeigen eine seit der Finanzkrise nicht gesehene

Volatilität. Die europäische Staatsschuldenkrise bleibt ungelöst, die

Konjunktur flaut ab und der amerikanische Arbeitsmarkt kommt nicht in

Schwung. An der zweitgrößten US-Bank J.P. Morgan Chase scheint dies

derweil nahezu spurlos vorüberzugehen. Zumindest, wenn man der Zahl

Glauben schenkt, die für das dritte Quartal unter dem Strich

ausgewiesen wird: 4,3 Mrd. Dollar Gewinn nach 4,4 Mrd. Dollar im

Vorjahr.

Alles halb so schlimm? Eher nicht. Vielmehr waren wieder

Bilanzierungs-Houdinis am Werk - völlig legal selbstverständlich,

diese Zaubertricks. Auf der einen Seite profitierte die Bank von der

gesunkenen Risikovorsorge für Kreditausfälle. Obwohl sich die

Aussichten in den Monaten Juli bis September merklich eingetrübt

haben, ist die Vorsorge im Jahresvergleich um 800 Mill. Dollar

gesunken. Im ersten Halbjahr war sie sogar um 7 Mrd. Dollar

geschrumpft. Angesichts der gestiegenen Risiken für die

Gesamtwirtschaft ist dies allenfalls ein kurzfristiger Effekt. Diesen

herausgerechnet lag der Gewinn in den ersten neun Monaten 5 Mrd.

Dollar unter dem Vorjahresniveau.

Ein weiterer Trick zur Ergebnissteigerung ist ebenfalls

altbekannt. So profitierte das Investment Banking von J.P. Morgan vor

allem von Wertberichtigungen der bankeigenen Verbindlichkeiten. Die

US-Bilanzierung erlaubt es Banken, ihre Finanzpositionen zum 'fairen'

Marktwert zu bilanzieren. Wenn eine Bank sich also 1000 Dollar

geliehen hat, deren Marktwert in der Folge auf 900 Dollar gesunken

ist - etwa aufgrund des Kreditmarktumfeldes und gesunkener Bonität -,

kann sie die Differenz ergebniswirksam geltend machen. Fundamental

ändert sich an der Verschuldung zwar nichts. Der Gewinn steigt aber

um 100 Dollar.

J.P. Morgan hat diese Praxis im dritten Quartal 1,9 Mrd. Dollar

eingebracht. Moody's warnt die Investoren bereits seit Längerem, die

im Februar 2007 eingeführte Bilanzierungsregel könne in der Praxis

einen falschen Eindruck von der tatsächlichen Finanzkraft einer Bank

vermitteln.

An der Börse blieb der Applaus am Donnerstag dann auch aus: Die

J.P.-Morgan-Aktie rutschte in New York um mehr als 5% ab. Auch die

Aktien anderer Banken wurden mit ins Minus gerissen. Den Investoren

dürfte klar sein, dass die besseren Tage im Investment Banking schon

wieder vorbei sind. Stattdessen müssen sie sich wohl auf die Rückkehr

der Bilanz-Houdinis gefasst machen.

Originaltext: Börsen-Zeitung

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