Börsen-Zeitung: Rückkehr der Houdinis, Kommentar zu J.P. Morgan von
Sebastian Schmid
Frankfurt (ots) - Die Märkte sind in Aufruhr: Aktien-, Anleihe-
und Wechselkurse zeigen eine seit der Finanzkrise nicht gesehene
Volatilität. Die europäische Staatsschuldenkrise bleibt ungelöst, die
Konjunktur flaut ab und der amerikanische Arbeitsmarkt kommt nicht in
Schwung. An der zweitgrößten US-Bank J.P. Morgan Chase scheint dies
derweil nahezu spurlos vorüberzugehen. Zumindest, wenn man der Zahl
Glauben schenkt, die für das dritte Quartal unter dem Strich
ausgewiesen wird: 4,3 Mrd. Dollar Gewinn nach 4,4 Mrd. Dollar im
Vorjahr.
Alles halb so schlimm? Eher nicht. Vielmehr waren wieder
Bilanzierungs-Houdinis am Werk - völlig legal selbstverständlich,
diese Zaubertricks. Auf der einen Seite profitierte die Bank von der
gesunkenen Risikovorsorge für Kreditausfälle. Obwohl sich die
Aussichten in den Monaten Juli bis September merklich eingetrübt
haben, ist die Vorsorge im Jahresvergleich um 800 Mill. Dollar
gesunken. Im ersten Halbjahr war sie sogar um 7 Mrd. Dollar
geschrumpft. Angesichts der gestiegenen Risiken für die
Gesamtwirtschaft ist dies allenfalls ein kurzfristiger Effekt. Diesen
herausgerechnet lag der Gewinn in den ersten neun Monaten 5 Mrd.
Dollar unter dem Vorjahresniveau.
Ein weiterer Trick zur Ergebnissteigerung ist ebenfalls
altbekannt. So profitierte das Investment Banking von J.P. Morgan vor
allem von Wertberichtigungen der bankeigenen Verbindlichkeiten. Die
US-Bilanzierung erlaubt es Banken, ihre Finanzpositionen zum 'fairen'
Marktwert zu bilanzieren. Wenn eine Bank sich also 1000 Dollar
geliehen hat, deren Marktwert in der Folge auf 900 Dollar gesunken
ist - etwa aufgrund des Kreditmarktumfeldes und gesunkener Bonität -,
kann sie die Differenz ergebniswirksam geltend machen. Fundamental
ändert sich an der Verschuldung zwar nichts. Der Gewinn steigt aber
um 100 Dollar.
J.P. Morgan hat diese Praxis im dritten Quartal 1,9 Mrd. Dollar
eingebracht. Moody's warnt die Investoren bereits seit Längerem, die
im Februar 2007 eingeführte Bilanzierungsregel könne in der Praxis
einen falschen Eindruck von der tatsächlichen Finanzkraft einer Bank
vermitteln.
An der Börse blieb der Applaus am Donnerstag dann auch aus: Die
J.P.-Morgan-Aktie rutschte in New York um mehr als 5% ab. Auch die
Aktien anderer Banken wurden mit ins Minus gerissen. Den Investoren
dürfte klar sein, dass die besseren Tage im Investment Banking schon
wieder vorbei sind. Stattdessen müssen sie sich wohl auf die Rückkehr
der Bilanz-Houdinis gefasst machen.
Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
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Frankfurt (ots) - Die Märkte sind in Aufruhr: Aktien-, Anleihe-
und Wechselkurse zeigen eine seit der Finanzkrise nicht gesehene
Volatilität. Die europäische Staatsschuldenkrise bleibt ungelöst, die
Konjunktur flaut ab und der amerikanische Arbeitsmarkt kommt nicht in
Schwung. An der zweitgrößten US-Bank J.P. Morgan Chase scheint dies
derweil nahezu spurlos vorüberzugehen. Zumindest, wenn man der Zahl
Glauben schenkt, die für das dritte Quartal unter dem Strich
ausgewiesen wird: 4,3 Mrd. Dollar Gewinn nach 4,4 Mrd. Dollar im
Vorjahr.
Alles halb so schlimm? Eher nicht. Vielmehr waren wieder
Bilanzierungs-Houdinis am Werk - völlig legal selbstverständlich,
diese Zaubertricks. Auf der einen Seite profitierte die Bank von der
gesunkenen Risikovorsorge für Kreditausfälle. Obwohl sich die
Aussichten in den Monaten Juli bis September merklich eingetrübt
haben, ist die Vorsorge im Jahresvergleich um 800 Mill. Dollar
gesunken. Im ersten Halbjahr war sie sogar um 7 Mrd. Dollar
geschrumpft. Angesichts der gestiegenen Risiken für die
Gesamtwirtschaft ist dies allenfalls ein kurzfristiger Effekt. Diesen
herausgerechnet lag der Gewinn in den ersten neun Monaten 5 Mrd.
Dollar unter dem Vorjahresniveau.
Ein weiterer Trick zur Ergebnissteigerung ist ebenfalls
altbekannt. So profitierte das Investment Banking von J.P. Morgan vor
allem von Wertberichtigungen der bankeigenen Verbindlichkeiten. Die
US-Bilanzierung erlaubt es Banken, ihre Finanzpositionen zum 'fairen'
Marktwert zu bilanzieren. Wenn eine Bank sich also 1000 Dollar
geliehen hat, deren Marktwert in der Folge auf 900 Dollar gesunken
ist - etwa aufgrund des Kreditmarktumfeldes und gesunkener Bonität -,
kann sie die Differenz ergebniswirksam geltend machen. Fundamental
ändert sich an der Verschuldung zwar nichts. Der Gewinn steigt aber
um 100 Dollar.
J.P. Morgan hat diese Praxis im dritten Quartal 1,9 Mrd. Dollar
eingebracht. Moody's warnt die Investoren bereits seit Längerem, die
im Februar 2007 eingeführte Bilanzierungsregel könne in der Praxis
einen falschen Eindruck von der tatsächlichen Finanzkraft einer Bank
vermitteln.
An der Börse blieb der Applaus am Donnerstag dann auch aus: Die
J.P.-Morgan-Aktie rutschte in New York um mehr als 5% ab. Auch die
Aktien anderer Banken wurden mit ins Minus gerissen. Den Investoren
dürfte klar sein, dass die besseren Tage im Investment Banking schon
wieder vorbei sind. Stattdessen müssen sie sich wohl auf die Rückkehr
der Bilanz-Houdinis gefasst machen.
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