FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 24. März 2016. Der mögliche Brexit bewegt weiterhin die Anlegergemüter am Devisenmarkt. Euro und Yen laufen entgegen den Erwartungen der jeweiligen Währungshüter zur Höchstform auf.
Die Zentralbanken, Erholungstendenzen bei einigen Rohstoffen sowie der mögliche Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Gemeinschaft bestimmen das Bild an den Devisenmärkten. Zu den größten Gewinnern zählen der russische Rubel und der brasilianische Real, die zum Euro stattliche 12 und 10 Prozent gutmachen konnten.
"Anleger hoffen, dass die Talsohle beim Ölpreis durchschritten ist", bemerkt Sintje Boie. Nach dem starken Rückgang zum Jahresbeginn sehe man Licht am Ende des Tunnels. Mit der fallenden Ölproduktion in den USA besteht nach Meinung der HSH Nordbank-Analystin die Aussicht auf einen Abbau der Überkapazitäten im zweiten Halbjahr. Das könne den Ölpreis in moderaten Schritten gen Norden schicken.
Kopf an Kopf-Rennen
Die Abwertung des britischen Pfund im Verhältnis zur Gemeinschaftswährung von knapp 6 Prozent seit Jahresbeginn verbucht Boie auf das Konto des für den 23. Juni geplanten Referendums. "Die Verunsicherung an den Märkten hat zugenommen." Aktuelle Umfrageergebnisse ergäben kein klares Bild, momentan spräche sich die Mehrheit der britischen Bevölkerung gar für einen Austritt aus. "Das wird eine ganz enge Kiste."
Boie erwartet dennoch, dass die Diskussionen über die aus ihrer Sicht erheblichen Nachteile für das Königreich bei Austritt Wirkung zeigen und die Bürger zugunsten eines Verbleibs stimmen werden. Denn die tatsächlichen Kosten für die dortige Wirtschaft seien nicht absehbar. Bei einem Brexit rechnet beispielsweise der Industrieverband CBI mit Gesamtkosten bis zu 100 Milliarden Pfund bis 2020, das entspricht etwa 130 Milliarden Euro. Bleiben die Briten Teil der Gemeinschaft erwartet Boie im weiteren Jahresverlauf spürbaren Aufwind für das Britische Pfund.
"Ein EU-Austritt hätte zumindest während der anschließenden Unsicherheitsphase deutlich negative Folgen für die britische Wirtschaft und das Pfund", schätzt Christian Apelt. Die langfristigen Konsequenzen seien abhängig vom Ausgang der Scheidungsverhandlungen mit der Europäischen Union, die mit einem Anteil von knapp 50 Prozent wichtigster Handelspartner des Landes sei. Auch für den Helaba-Analysten ist allerdings ein Ja zur EU wahrscheinlicher. "In dem Fall dürfte sich das Pfund im zweiten Halbjahr spürbar erholen, zumal die Zinswende der Bank of England nicht vom Tisch ist", stimmt Apelt zu.
Gegen die Laufrichtung
So hat sich Draghi das nicht vorgestellt. Auf die Ankündigung weiterer umfangreicher EZB-Maßnahmen am 10. März hat der Euro zunächst mit einer Aufwertung zum US-Dollar auf 1,11 reagiert. Auch die Renditeniveaus der Staatsanleihen hätten entgegen der EZB-Erwartungen zugelegt. "Immerhin habe der EZB-Präsident mehr als erwartet geliefert", bemerkt Boie. Anleger hätten aber mittlerweile den Eindruck, dass der Gestaltungsspielraum der Europäischen Zentralbank immer kleiner wird.
Nach der Projektion der Federal Reserve, in diesem Jahr noch zwei Zinsanhebungen vorzunehmen, hat der US-Dollar nochmals Federn lassen müssen. Zwischenzeitlich kostete ein Euro 1,13 US-Dollar und ist aktuell für 1,12 US-Dollar zu haben. "Wenn die Risikoaversion zunimmt, werden Carry Trades zurückgedreht", begründet Boie die Marktreaktion. Bei Carry Trades nutzen Anleger die Zinsunterschiede zwischen einzelnen Währungsräumen.
Helicopter-Geld für Schweizer und EU-Bürger?
Zwischen dem Schweizer Franken und dem Euro hat sich in den vergangenen Wochen wenig getan. Spekulationen, dass die Schweizer Notenbank nach den zusätzlichen EZB-Lockerungsmaßnahmen nachziehen würde, hätten sich nicht erfüllt. Diese Woche bewies die SNB eine ruhige Hand ließ die Zinspolitik unverändert. Um der schwachen Kaufkraft der Schweizer und dem starken Franken entgegenzuwirken und die Wirtschaft anzukurbeln, ist Medien zufolge vom Dachverband Handel Schweiz nun der Vorschlag gekommen, jedem Bürger in zwölf Jahresraten 1.200 Franken zu schenken, was über die Krankenkassen abgerechnet werden könne.
Dieses Konzept, auch Helicopter-Geld genannt, wird derzeit häufig diskutiert und von der EZB laut Draghi zumindest beobachtet. Robert Halver von der Baader Bank findet es absurd, an die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu glauben. "Wenn selbst Notenbanken kapitulieren, ist steigendes Misstrauen und Verunsicherung in unserem Finanzsystem nicht mehr zu verhindern", meint der Baader Bank-Analyst. Im besten Fall führten die geldpolitischen Wohltaten nur zu einem konjunkturellen Strohfeuer.
Teurer Yen
Japanischen Währungshütern geht es übrigens ähnlich wie der EZB. Trotz Bemühungen der Bank of Japan, die eigene Währung nach unten zu drücken, kletterte der Yen in diesem Jahr zum Greenback um 7 Prozent. Für einen US-Dollar sind derzeit etwa 112 Yen fällig. Anfang Januar waren es noch 120. Auch hier bedeutet Boie zufolge die Auflösung von Carry Trades, dass Geld zurück in den Yen fließt und damit die Währung stützt.
von: Iris Merker© 24. März 2016 - Deutsche Börse (DE:DB1Gn) AG
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