- von David Lawder und Eric Beech
Washington/Berlin/Brüssel (Reuters) - Die verlängerte Atempause im Handelsstreit zwischen den USA und der EU stimmt die Wirtschaft nicht zufrieden.
Zahlreiche Verbände in Deutschland kritisierten US-Präsident Donald Trump am Dienstag, für immer mehr Unsicherheit zu sorgen. Er hatte am Montagabend kurz vor Ablauf einer selbst gesteckten Frist entschieden, die EU einen weiteren Monat von Schutzzöllen auf Stahl und Aluminium auszunehmen. Die Schonfrist gelte nun bis zum 1. Juni auch für Firmen aus Kanada und Mexiko, erklärte das US-Präsidialamt. Diese Zeit solle für weitere Verhandlungen genutzt werden, forderten unter anderem die Regierungen in Berlin und Paris. Der Konflikt schaffe aber bereits Fakten und verändere die Handelsströme, warnte die Wirtschaftsvereinigung Stahl.
Die EU-Kommission betonte, die US-Entscheidung verlängere die Unsicherheit für Unternehmen. Dies wirke sich schon auf viele Geschäfte aus. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der deutschen Industrie: "Es ist schädlich und falsch von den USA, die Ausnahmen wieder zu befristen. Die neuerliche Schonfrist verunsichert die Unternehmen erheblich", sagte BDI-Präsident Dieter Kempf. Dadurch werde das Verhältnis der EU zu den USA vor eine enorme Belastungsprobe gestellt.
Auch die Wirtschaftsvereinigung Stahl forderte eine dauerhafte Befreiung von den neuen US-Zöllen. Erste Tendenzen der befürchteten Umlenkungen von Handelsströmen in die EU seien zu erkennen, sagte Verbandschef Hans Jürgen Kerkhoff. Die EU-Kommission müsse jetzt rasch für die Umsetzung der eingeleiteten Schutzklausel-Maßnahmen sorgen. "Sonst tragen wir in Europa die Last des Protektionismus der USA und deren Wirtschaftspolitik." Es wird befürchtet, dass der europäische Stahlmarkt mit Billig-Exporten etwa aus China geschwemmt wird, das von den US-Maßnahmen bereits getroffen werden.
ANGEBLICH LETZTE VERLÄNGERUNG DER SCHONFRIST
Bei Aluminium könnte es ein ähnliches Bild geben. Für Stahlexporte in die USA gilt nach der neuen Regelung ein Zoll von 25 Prozent, Aluminium-Einfuhren werden mit zehn Prozent belegt. Die EU hatte sich bis zur letzten Minute um eine Einigung mit den USA bemüht. Eine weitere Fristverlängerung werde es nicht geben, hieß es im Umfeld der US-Regierung. Trump hatte die Einfuhrzölle bereits im März verhängt, Handelspartner wie die EU, Kanada, Mexiko, Südkorea davon aber zunächst bis zum 1. Mai ausgenommen.
Mit Argentinien, Australien und Brasilien sind die Verhandlungen US-Angaben zufolge weit fortgeschritten. Hier gebe es Grundsatzeinigungen, deren Einzelheiten in Kürze geklärt werden sollten. Südkorea hat sich bereits verpflichtet, seine Stahlexporte in die USA um 30 Prozent zu senken und wird dafür dauerhaft von den Zöllen ausgenommen.
Trump beruft sich auf ein Handelsgesetz aus dem Jahr 1962, um die heimische Stahl- und Aluminiumbranche zu schützen. Für ihn sind die neuen Zölle eine Frage der nationalen Sicherheit, was die EU für vorgeschoben hält. Die 28 EU-Staaten exportieren jährlich insgesamt für 6,4 Milliarden Euro Stahl und Aluminium in die USA. Dies ist angesichts des gesamten Ausfuhrvolumens von 375 Milliarden Euro wenig.[nL8N1S32W6] Dennoch gibt es die Befürchtung, dass sich der Streit immer weiter hochschaukeln könnte. Die EU hat als Gegenmaßnahme zusätzliche Zölle auf US-Produkte wie Jeans, Erdnussbutter, Whiskey oder Motorräder im Volumen von 2,8 Milliarden Euro angedroht. Die EU will zudem vor der Welthandelsorganisation WTO klagen, sollten die US-Zölle in Kraft treten.
ALTMAIER: WIR BRAUCHEN MEHR HANDEL, NICHT WENIGER
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte, die EU sei zu weiteren Verhandlungen mit den USA bereit. "Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Zölle im weltweiten Handel", so der CDU-Politiker. Es komme nun darauf an, gemeinsam mit den USA Regelungen zu finden, um nicht mehr Protektionismus zu haben und einen Wettlauf in puncto Zollerhöhungen auszulösen. Europa werde geschlossen agieren und Obergrenzen im Handel nicht akzeptieren.
Für die EU führt Handelskommissarin Cecilia Malmström die Verhandlungen. Sie will laut EU-Kommission das Gespräch mit US-Handelsminister Wilbur Ross und dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer suchen. Die französische Regierung betonte, nach raschen Lösungen suchen zu wollen. Dies sei aber erst möglich, "wenn wir sicher sind, dass wir dauerhaft von einer einseitigen Zollerhöhung ausgenommen werden".
Um den Konflikt zu entschärfen, wurde zuletzt wieder öfter angeregt, die Gespräche für ein transatlantisches Freihandelsabkommen wieder aufzunehmen. "Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken, weil wir das Freihandelsabkommen TTIP nicht hinbekommen haben, sondern müssen auf einer anderen Basis neu starten, gegebenenfalls auch mit weniger Inhalten", sagte der Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwochausgabe). Ähnlich äußerte sich der Maschinenbau-Verband VDMA: "Die EU sollte in die Offensive gehen und versuchen, mit neuen transatlantischen Freihandelsgesprächen die Themen Zölle, Ursprungsregeln und nicht-tarifäre Handelshemmnisse zu lösen", so VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.