London (Reuters) - Die wirtschaftlichen Folgen der Brexit-Entscheidung treiben die Inflation in Großbritannien immer weiter in die Höhe.
Die Jahresteuerung war im August mit 2,9 Prozent so hoch wie seit Mai nicht mehr, wie das Statistikamt ONS am Dienstag mitteilte. Experten hatten lediglich einen Anstieg um 2,8 Prozent erwartet - nach einem Plus von 2,6 Prozent im Juli. Damit entfernt sich die Inflationsrate weiter vom Ziel der Notenbank, die eine Jahresteuerung von zwei Prozent anstrebt. Getrieben werden die Preise vor allem durch das schwächere Pfund, das nach dem Anti-EU-Referendum der Briten vom Juni 2016 unter Druck geraten ist.
Die Bank of England dürfte am Donnerstag dennoch das historisch niedrige Zinsniveau beibehalten, wie Ökonom Paul Hollingsworth vom Beratungshaus Capital Economics prognostiziert: "Der geldpolitische Ausschuss wird wohl nicht gleich in Panik geraten und die Zinsen sofort hochsetzen." Die Währungshüter erwarten, dass der Preisauftrieb im Oktober mit rund drei Prozent seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen wird. Doch die anhaltende Schwäche der britischen Währung dürfte nach Ansicht von Experten dafür sorgen, dass der Inflationsdruck noch länger als erwartet hoch bleiben wird.
Ökonom Daniel Vernazza von der Großbank UniCredit (MI:CRDI) rechnet damit, dass die Notenbank trotz des erhöhten Inflationsdrucks den Leitzins für die Dauer der EU-Austrittsgespräche mit der EU nicht antasten wird. Diese sollen bis Ende März 2019 beendet sein. Für eine Verlängerung der Frist muss Großbritannien laut EU-Verträgen die Zustimmung aller 27 Partner bekommen. Nach einem holprigen Start sind jedoch die größten Streitpunkte noch längst nicht geklärt. "Angesichts der schleppenden Verhandlungen dürfte die Notenbank Vorsicht walten lassen", so Vernazza.
Die Notenbank hat den Leitzins im August 2016 nach dem Brexit-Schock auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Das Vereinigte Königreich ist wegen des bevorstehenden Austritts aus der EU in einer wirtschaftlich schwierigen Lage: Die Konjunktur war im ersten Halbjahr 2017 so schwach wie seit 2012 nicht mehr, weil sich Verbraucher wegen der vergleichsweise hohen Inflation zurückhalten.
Insbesondere Importgüter werden teurer, was die Lebenshaltungskosten auf der Insel nach oben treibt. Besonders tief in die Tasche greifen mussten die Briten im August für Bekleidung: Die Kosten stiegen um 4,6 Prozent. Auch die Energiepreise zogen kräftig an. Das Pfund Sterling erhielt durch die höher als erwartet ausgefallenen Inflationsdaten einen kräftigen Schub: Die britische Währung verteuerte sich zwischenzeitlich um 1,1 Prozent und kostete mit 1,1131 Euro so viel wie zuletzt vor sechs Wochen.