Börsen-Zeitung: Ölpreis mit Angstprämie, Börsenkommentar 'Marktplatz'
von Thorsten Kramer.
Frankfurt (ots) - Am Ölmarkt ist die Stimmung von enormer
Nervosität geprägt. Wer dafür noch einen Beleg sehen wollte, hat ihn
vor dem Wochenende bekommen. Nachdem in einem englischsprachigen
iranischen Fernsehsender über die Explosion einer Ölpipeline in
Saudi-Arabien berichtet worden war, schoss am Terminmarkt der Preis
für ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent steil nach oben. Bei
128,40 Dollar markierte er am späten Donnerstag den höchsten Stand
seit fast vier Jahren.
Im aktuellen Umfeld ist die Reaktion der Marktteilnehmer sehr
nachvollziehbar, denn in erster Linie ist es die Sorge über einen
Angebotsengpass, die den Ölpreis bereits seit Wochen treibt. Im
laufenden Jahr verteuerte sich Brent-Öl schon um rund 16%. Es spricht
Bände, dass der Preis selbst dann noch höher als zuvor notierte, als
Saudi-Arabien die Meldung über die angebliche Explosion längst
richtiggestellt hatte: Diese sehr selektive Wahrnehmung von
Informationen ist typisch für eine Phase spekulativer Übertreibung.
Analysten beziffern die 'Angstprämie', die bereits in den Ölpreis
eingearbeitet worden ist, auf rund 20 Dollar.
De facto ist ein Engpass in der Ölversorgung bislang nicht zu
erkennen - trotz aller Störungen in wichtigen Förderstaaten wie
Nigeria, Südsudan oder Jemen. Vielmehr zeigen Daten der
Internationalen Energieagentur, dass es am globalen Ölmarkt täglich
ein Überangebot von 1Mill. Barrel gibt, weil die Nachfrage aus den
Industrieländern aufgrund der Rezession in der Eurozone geringer ist
als üblich und die Produktion der Opec-Staaten zugleich das höchste
Niveau seit drei Jahren erreicht hat. Hinzu kommt, dass sich die
Schieferölproduktion in den USA und die Ölgewinnung aus kanadischen
Ölsanden weiterhin gut entwickeln.
Dessen ungeachtet preisen Marktteilnehmer das Risiko eines
Engpasses ein, weil der schwelende Konflikt des Westens mit dem Iran
zurzeit eine neue Prägung erfährt. Weitet das Land seinen
Lieferstopp, der bislang nur Frankreich und Großbritannien betrifft
und somit eher symbolisch ist, weil beide Länder nur wenig Öl aus dem
Iran bezogen haben, auf Italien, Spanien oder Frankreich aus, wäre
dies von Bedeutung. Noch stärker wäre die Wirkung, sollten sich die
größten Abnehmer iranischen Öls - China, Japan, Indien und Südkorea -
dem Beispiel der Europäischen Union anschließen, die ab Sommer
ihrerseits ein Ölembargo ausgesprochen hat, um die Regierung in
Teheran im Konflikt über das iranische Atomprogramm zum Einlenken zu
zwingen. Zwar signalisierte der weltgrößte Ölförderer Saudi-Arabien
bereits, man könne die Produktion kurzfristig ausweiten. Aber dies
würde die global vorhandenen freien Kapazitäten, die zurzeit ohnehin
nur noch bei 2 Mill. Barrel pro Tag liegen dürften, weiter schmälern.
Mitte 2008 hatte der Markt auf eine ähnliche Entwicklung umgehend
reagiert, der Ölpreis kletterte damals auf das Rekordhoch bei 150
Dollar.
Noch dramatischer wäre es, sollte es tatsächlich zu der
angedrohten Blockade der Straße von Hormus durch iranische Schiffe
kommen. Auf diesem Seeweg werden täglich 20% der globalen
Ölproduktion transportiert. Analysten rechnen für diesen Fall mit
einem Ölpreis von 200 Dollar je Barrel, und die davon ausgehenden
Schockwellen hätten weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft und
die globalen Finanzmärkte.
Bleiben die Risikoszenarien aus, zu denen natürlich auch ein
militärischer Konflikt mit dem Iran zählt, spricht fundamental vieles
dafür, dass der Ölpreis zunächst etwas konsolidiert: Im April und Mai
steht die Periode mit der niedrigsten Ölnachfrage im Jahresverlauf
unmittelbar bevor. Allerdings zeigt der starke Anstieg der
Netto-Long-Positionen an den Terminmärkten ein hohes Interesse an
Rohöl, bei dem die üppige Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken
eine gewichtige Rolle spielen dürfte. Nachdem die Europäische
Zentralbank mit ihrem zweiten Dreijahrestender die Banken netto mit
weiteren rund 300 Mrd. Euro versorgt hat, sollte dieser Trend
anhalten. Die Konsolidierung dürfte folglich eher moderat ausfallen,
und eine sich daran anschließende erneute Preissteigerung ist
wahrscheinlich.
Für Aktienanleger muss das aber nicht nachteilig sein: Bei einem
stetig steigenden Preisniveau zogen in der Vergangenheit zumeist auch
die Aktienmärkte an (siehe Grafik). Ölwerte gelten dann in jedem Fall
als aussichtsreich. Zudem bieten 'Rohstoffwährungen' die Aussicht auf
Rendite: Dazu zählen die Devisen aus Norwegen, Malaysia, Russland und
Brasilien.
(Börsen-Zeitung, 3.3.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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von Thorsten Kramer.
Frankfurt (ots) - Am Ölmarkt ist die Stimmung von enormer
Nervosität geprägt. Wer dafür noch einen Beleg sehen wollte, hat ihn
vor dem Wochenende bekommen. Nachdem in einem englischsprachigen
iranischen Fernsehsender über die Explosion einer Ölpipeline in
Saudi-Arabien berichtet worden war, schoss am Terminmarkt der Preis
für ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent steil nach oben. Bei
128,40 Dollar markierte er am späten Donnerstag den höchsten Stand
seit fast vier Jahren.
Im aktuellen Umfeld ist die Reaktion der Marktteilnehmer sehr
nachvollziehbar, denn in erster Linie ist es die Sorge über einen
Angebotsengpass, die den Ölpreis bereits seit Wochen treibt. Im
laufenden Jahr verteuerte sich Brent-Öl schon um rund 16%. Es spricht
Bände, dass der Preis selbst dann noch höher als zuvor notierte, als
Saudi-Arabien die Meldung über die angebliche Explosion längst
richtiggestellt hatte: Diese sehr selektive Wahrnehmung von
Informationen ist typisch für eine Phase spekulativer Übertreibung.
Analysten beziffern die 'Angstprämie', die bereits in den Ölpreis
eingearbeitet worden ist, auf rund 20 Dollar.
De facto ist ein Engpass in der Ölversorgung bislang nicht zu
erkennen - trotz aller Störungen in wichtigen Förderstaaten wie
Nigeria, Südsudan oder Jemen. Vielmehr zeigen Daten der
Internationalen Energieagentur, dass es am globalen Ölmarkt täglich
ein Überangebot von 1Mill. Barrel gibt, weil die Nachfrage aus den
Industrieländern aufgrund der Rezession in der Eurozone geringer ist
als üblich und die Produktion der Opec-Staaten zugleich das höchste
Niveau seit drei Jahren erreicht hat. Hinzu kommt, dass sich die
Schieferölproduktion in den USA und die Ölgewinnung aus kanadischen
Ölsanden weiterhin gut entwickeln.
Dessen ungeachtet preisen Marktteilnehmer das Risiko eines
Engpasses ein, weil der schwelende Konflikt des Westens mit dem Iran
zurzeit eine neue Prägung erfährt. Weitet das Land seinen
Lieferstopp, der bislang nur Frankreich und Großbritannien betrifft
und somit eher symbolisch ist, weil beide Länder nur wenig Öl aus dem
Iran bezogen haben, auf Italien, Spanien oder Frankreich aus, wäre
dies von Bedeutung. Noch stärker wäre die Wirkung, sollten sich die
größten Abnehmer iranischen Öls - China, Japan, Indien und Südkorea -
dem Beispiel der Europäischen Union anschließen, die ab Sommer
ihrerseits ein Ölembargo ausgesprochen hat, um die Regierung in
Teheran im Konflikt über das iranische Atomprogramm zum Einlenken zu
zwingen. Zwar signalisierte der weltgrößte Ölförderer Saudi-Arabien
bereits, man könne die Produktion kurzfristig ausweiten. Aber dies
würde die global vorhandenen freien Kapazitäten, die zurzeit ohnehin
nur noch bei 2 Mill. Barrel pro Tag liegen dürften, weiter schmälern.
Mitte 2008 hatte der Markt auf eine ähnliche Entwicklung umgehend
reagiert, der Ölpreis kletterte damals auf das Rekordhoch bei 150
Dollar.
Noch dramatischer wäre es, sollte es tatsächlich zu der
angedrohten Blockade der Straße von Hormus durch iranische Schiffe
kommen. Auf diesem Seeweg werden täglich 20% der globalen
Ölproduktion transportiert. Analysten rechnen für diesen Fall mit
einem Ölpreis von 200 Dollar je Barrel, und die davon ausgehenden
Schockwellen hätten weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft und
die globalen Finanzmärkte.
Bleiben die Risikoszenarien aus, zu denen natürlich auch ein
militärischer Konflikt mit dem Iran zählt, spricht fundamental vieles
dafür, dass der Ölpreis zunächst etwas konsolidiert: Im April und Mai
steht die Periode mit der niedrigsten Ölnachfrage im Jahresverlauf
unmittelbar bevor. Allerdings zeigt der starke Anstieg der
Netto-Long-Positionen an den Terminmärkten ein hohes Interesse an
Rohöl, bei dem die üppige Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken
eine gewichtige Rolle spielen dürfte. Nachdem die Europäische
Zentralbank mit ihrem zweiten Dreijahrestender die Banken netto mit
weiteren rund 300 Mrd. Euro versorgt hat, sollte dieser Trend
anhalten. Die Konsolidierung dürfte folglich eher moderat ausfallen,
und eine sich daran anschließende erneute Preissteigerung ist
wahrscheinlich.
Für Aktienanleger muss das aber nicht nachteilig sein: Bei einem
stetig steigenden Preisniveau zogen in der Vergangenheit zumeist auch
die Aktienmärkte an (siehe Grafik). Ölwerte gelten dann in jedem Fall
als aussichtsreich. Zudem bieten 'Rohstoffwährungen' die Aussicht auf
Rendite: Dazu zählen die Devisen aus Norwegen, Malaysia, Russland und
Brasilien.
(Börsen-Zeitung, 3.3.2012)
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