Istanbul (Reuters) - Inmitten der Wirtschaftskrise hält die türkische Zentralbank die Zinsen konstant und verabschiedet sich von Plänen für eine Erhöhung.
Die Währungshüter beließen den Schlüsselsatz bei 24 Prozent. Sie strichen in ihrem Begleittext zugleich eine Passage, wonach sie eine Anhebung erwägen würden, falls die Preisentwicklung es erfordern sollte. Stattdessen heißt es nun eher vage, man werde Faktoren "genau beobachten", die Inflation beeinflussten. Die meisten von Reuters befragten Experten gehen davon aus, dass nun die Weichen für eine geldpolitische Lockerung gestellt sind: Bereits im Juni oder Juli dürfte es demnach soweit sein und die Zinsen könnten bis zum Jahresende um 2,5 Prozentpunkte sinken.
Ende 2018 schrumpfte die türkische Wirtschaft so stark wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt sank zwischen Oktober und Dezember binnen Jahresfrist um drei Prozent. Die Wirtschaft leidet vor allem unter dem Sinkflug der heimischen Währung: Die Lira verlor im vorigen Jahr rund 30 Prozent an Wert. 2019 ging es um weitere 15 Prozent nach unten. Hintergrund sind auch Unsicherheiten wegen diplomatischer Spannungen mit den USA.
Die wiederholte Kritik des mächtigen Staatspräsidenten und erklärten Zinsgegners Recep Tayyip Erdogan an der Zentralbank hat unter Anlegern Zweifel aufkommen lassen, ob die Währungshüter unabhängig agieren können. Sie hatten den Leitzins 2018 um insgesamt 11,25 Prozentpunkte angehoben. Hintergrund war die ausufernde Inflation, die im Oktober auf 25,2 Prozent und damit den höchsten Stand seit 15 Jahren gestiegen war. Mittlerweile liegt sie knapp unter 20 Prozent. Für die Währungshüter ist dies jedoch kein Grund zur Entwarnung, da teurere Lebensmittel und Importe weiterhin die Preisstabilität gefährdeten. Vor diesem Hintergrund findet es Ökonom Guillaume Tresca von der Bank Credit Agricole (PA:CAGR) enttäuschend, dass die Notenbank die Passage zu möglichen Zinserhöhungen gestrichen hat: "Sie bleiben im Ungefähren. Das genügt nicht, um Investoren davon zu überzeugen, dass sie mehr zum Eindämmen der Inflation tun werden."