London/Berlin (Reuters) - Der britische Notenbankchef Mark Carney pocht einem Zeitungsbericht zufolge nach dem geplanten Brexit auf eine jahrelange Übergangsphase.
Unter anderem sollten die Unternehmen des Landes für weitere zwei Jahre Zugang zum europäischen Binnenmarkt erhalten, berichtete die "Sunday Times" ohne Angabe von Quellen. Einen entsprechenden Plan habe Carney bei Treffen mit den größten britischen Banken in der vergangenen Woche vorgestellt. Ein Notenbank-Sprecher lehnte eine Stellungnahme dazu ab.
Zuletzt hatte Carney vor Abgeordneten dafür geworben, dass Unternehmen insbesondere aus der Finanzbranche so lange Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten sollten, bis neue Handelsabkommen vereinbart sind. Dies dauere normalerweise vier bis sieben Jahre. Die Bank von England wird nicht direkt an den Scheidungsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU beteiligt sein, kann die Regierung in London aber unterstützen. Premierministerin Theresa May will nach dem Brexit-Referendum von Juni bis Ende März 2017 den offiziellen Antrag für den EU-Austritt stellen.
Nach Einschätzung des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier werden sich die Verhandlungen über das künftige Verhältnis Großbritanniens zur EU über Jahre hinziehen. "Der Brexit wird nach meiner Überzeugung mindestens fünf Jahre dauern. Ich halte es für groben Unfug, wenn mir einer erzählt, dass das in zwei Jahren erledigt ist", sagte der CDU-Vizechef in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Deutschlandfunks. Allein der EU-Binnenmarkt habe 8000 Gesetze, über die man reden müsse. Der Finanzstandort Frankfurt werde das "Weltfinanzzentrum London" nicht ersetzen können, aber wegen der Verlagerung von Dienstleistungen in die EU profitieren.
Auch der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Fuchs, geht davon aus, dass Frankfurt an Bedeutung gewinnt. "Ich verstehe gut, dass sich US-Banken mit Sitzen in London im Hinblick auf einen harten Brexit jetzt nach starken Standbeinen im Euro-Raum umsehen", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Denn der sogenannte EU-Pass für Banken, der einen vollen Zugang zum Binnenmarkt erlaube, sei ein Privileg für Mitgliedstaaten. Banken, die von Großbritannien aus arbeiten, könnten ihn verlieren, wenn das Land nach einem Austritt nicht alle Grundfreiheiten der EU akzeptiert.