Die neuen Regeln zur Machteinschränkung der Ratingagenturen
sind ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen.
Wien (APA-ots) - Standard & Poor's, Moodys und Fitch: Vor ihren
Beurteilungen über die Bonität der Staaten zittern Politiker rund um
den Erdball. Doch zuerst haben die Ratingagenturen Luft in den
Finanzballon geblasen und danach sein Platzen noch beschleunigt. Die
immer stärker werdende Kritik an ihrer Arbeit führte schließlich zu
neuen Regeln - die aber nur der Anfang eines Prozesses sein können,
fordert die AK.
'AAA' - drei Buchstaben, mit denen bis vor kurzer Zeit nur die
wenigsten etwas anzufangen wussten. Doch als Österreich vor knapp
einem Jahr einen dieser drei Buchstaben und damit sein Top-Rating
verlor, war der Aufschrei in der Politik groß. Konkret stufte die
weltweit größte Ratingagentur, Standard & Poor's (S&P), unser Land um
eine Stufe auf 'AA+' ab und setzte den Ausblick vorübergehend auf
'negativ'. Dieser wurde mittlerweile zwar wieder auf 'stabil' erhöht,
die Bestnote konnte aber noch nicht wieder zurückerobert werden.
Österreich ist aber bei Weitem kein Einzelfall, wo die drei großen
US-amerikanischen Ratingagenturen S&P, Moodys und Fitch im besten
Fall für Aufregung im schlechtesten Fall für eine dramatische
Verschärfung der finanziellen Lage sorgten. Sie haben durch ihre
Ratings zuerst Luft in die Finanzblase gepumpt und so die Kurse an
den internationalen Finanzmärkten hinauf getrieben. So wurden etwa
von der US-Investmentbank Lehman Brothers begebene Zertifikate noch
kurz vor dem Kollaps der Bank im September 2008 positiv bewertet -
und verleiteten so viele AnlegerInnen zum Kauf dieser Papiere. Zudem
sind die privaten und gewinnorientierten Agenturen vor allem als
'Schiedsrichter' gegenüber souveränen Staaten aufgetreten. In
schnellen Schritten purzelten so die Bewertungen vor allem für die
südlichen Länder Europas wie Griechenland, Spanien und Portugal. Der
frühere Eurogruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker hat den
Ratingagenturen in diesem Zug 'irrationales Verhalten' vorgeworfen.
Milliarden-Klage
Die sich verschärfende Kritik an den Ratingagenturen gipfelte
zuletzt in einer Klage gegen S&P. Konkret verklagte das
US-Justizministerium das Unternehmen auf fünf Milliarden US-Dollar.
Der Vorwurf: S&P habe im Vorfeld der Finanzkrise in vollem Wissen zu
gute Bewertungen für amerikanische Hypothekenpapiere vergeben. S&P
weist die Vorwürfe zurück.
Auch aus diesem aktuellen Anlass war die systematische Macht der
Ratingagenturen am gestrigen Abend Thema einer hochkarätig besetzen
Veranstaltung der AK Wien. Nach einer Keynote des freien Journalisten
und Buchautors Werner Rügemer diskutierten EU-Abgeordnete Evelyn
Regner, FMA-Vorstand Helmut Ettl und Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt
der UniCredit Bank Austria auch die kürzlich auf Ebene der
Europäischen Union beschlossenen neuen Regeln für Ratingagenturen.
Für Werner Rügemer fasst Brüssel nicht weit genug. 'Die EU muss
beschließen, dass die Ratingagenturen ihre Bewertungen aus allen
Regelwerken der EU entfernen, dass sich die EU nur noch nach eigenen
Bewertungen richtet und nur nach eigenen Bewertungen auch ihre
Staaten behandelt, was Kredite angeht', betonte der Autor.
In die gleiche Kerbe schlug auch FMA-Vorstand Ettl: 'Ratings
sollten als das interpretiert und genutzt werden, was sie sind,
nämlich schlicht und ergreifend Meinungen. In den Gesetzen und ihrer
Anwendung geht der Trend weg von Ratings.'
Für UniCredit Bank Austria-Chefvolkswirt Bruckbauer hat aber auch
'der naive Glaube vieler Investoren, aber auch die durch die
Aufsichtsbehörden übertragene Macht den Ratingagenturen vor der
Finanzkrise besonders bei komplexen Produkten eine unhinterfragte
Machtposition verliehen'. Seiner Meinung nach spielten die Agenturen
in der Euro- und Staatsschuldenkrise in den vergangenen Jahren keine
maßgebliche Rolle, da 'die Investoren meist deutlich früher in ihrem
Urteil waren als die Ratingagenturen'. Trotzdem sei die durch
Aufsicht und Investoren verliehene Macht kritisch zu hinterfragen,
besonders dann, wenn Ratings mechanisch zu Investitionsentscheidungen
verwendet werden.
Diese überdimensionale Macht ist auch EU-Abgeordneter Regner ein
Dorn im Auge: 'Wenn die drei großen Ratingagenturen ihre Daumen
senken, können ganze Volkswirtschaften in finanzielle Schwierigkeiten
kommen. Wir müssen die Marktmacht der Drei Großen durchbrechen und
eine eigene, unabhängige Europäische Agentur etablieren.'
Erster Schritt
Summa summarum müssen Ratingagenturen daher auf der Agenda
bleiben, fordert die AK. Zwar konnten sich die Europäische
Kommission, das Europäische Parlament und der Rat auf neue Regeln für
die Agenturen einigen, und diese bringen auch einige wesentliche
Verbesserungen mit sich, von einem Systemwechsel ist man aber noch
weit entfernt.
Die AK hatte gefordert, die Ratingagenturen und deren Urteile
konsequent aus allen Gesetzen und verbindlichen Regelwerken zu
streichen. Außerdem forderte die AK ein Fusions- und Übernahmeverbot
für große Ratingagenturen, die Nichtigkeit von Klauseln in
Kreditverträgen, die sich auf Ratingänderungen beziehen, eine
verpflichtende Rotation sowie die Haftbarmachung der Ratingagenturen
für ihre Urteile. Dazu gehört auch, die Beweislast bei den
Ratingagenturen zu verorten und den Gerichtsstand an den Sitz des
Geschädigten zu bringen.
In den Debatten in Brüssel stellte sich heraus, dass eine Mehrheit
im Europäischen Parlament durchaus gewillt war, die Ratingagenturen
zu zähmen. Im Kompromiss mit dem Rat wurden schärfere Regeln jedoch
wieder zurückgenommen, sodass die neuen Regeln lediglich als erster
Schritt in Richtung einer stärkeren Regulierung betrachtet werden
können.
Die Bezugnahme auf Ratingagenturen in der europäischen Gesetzgebung
soll in Zukunft reduziert werden, außerdem gibt es künftig strengere
Regeln für die Veröffentlichung von Länderratings (ab 2014 dürfen
Länderratings nur noch an drei fixen Freitagen veröffentlicht
werden), die Ratings sollen zudem transparenter und unabhängiger
werden.
Die Beweislastumkehr ist allerdings nicht mehr in der Verordnung,
auch findet sich die Bestimmung, wonach der Gerichtsstand des
Geschädigten anzuwenden ist, nicht im Normtext. Auch das von der AK
geforderte Verbot von Fusionen und Übernahmen kommt nicht.
Einige Kernforderungen der AK wurden aufgegriffen, andere,
dringend nötige Punkte wurden nicht mitaufgenommen. Es geht aber
weiter darum, den Ratingagenturen ihre quasi-behördliche Macht zu
entziehen und die überbordende Marktmacht des Oligopols der 'großen
Drei' zu bekämpfen. Dies ist mit den derzeitigen neuen Regeln sicher
noch nicht erreicht. Deshalb müssen diesem Schritt weitere folgen,
fordert die AK.
Rückfragehinweis:
AK Wien Kommunikation
Michaela Lexa
Tel.: Tel.: (+43) 50165-2141, mobil: (+43)664 8454166
mailto:michaela.lexa@akwien.at
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OTS0012 2013-02-22/08:45
sind ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen.
Wien (APA-ots) - Standard & Poor's, Moodys und Fitch: Vor ihren
Beurteilungen über die Bonität der Staaten zittern Politiker rund um
den Erdball. Doch zuerst haben die Ratingagenturen Luft in den
Finanzballon geblasen und danach sein Platzen noch beschleunigt. Die
immer stärker werdende Kritik an ihrer Arbeit führte schließlich zu
neuen Regeln - die aber nur der Anfang eines Prozesses sein können,
fordert die AK.
'AAA' - drei Buchstaben, mit denen bis vor kurzer Zeit nur die
wenigsten etwas anzufangen wussten. Doch als Österreich vor knapp
einem Jahr einen dieser drei Buchstaben und damit sein Top-Rating
verlor, war der Aufschrei in der Politik groß. Konkret stufte die
weltweit größte Ratingagentur, Standard & Poor's (S&P), unser Land um
eine Stufe auf 'AA+' ab und setzte den Ausblick vorübergehend auf
'negativ'. Dieser wurde mittlerweile zwar wieder auf 'stabil' erhöht,
die Bestnote konnte aber noch nicht wieder zurückerobert werden.
Österreich ist aber bei Weitem kein Einzelfall, wo die drei großen
US-amerikanischen Ratingagenturen S&P, Moodys und Fitch im besten
Fall für Aufregung im schlechtesten Fall für eine dramatische
Verschärfung der finanziellen Lage sorgten. Sie haben durch ihre
Ratings zuerst Luft in die Finanzblase gepumpt und so die Kurse an
den internationalen Finanzmärkten hinauf getrieben. So wurden etwa
von der US-Investmentbank Lehman Brothers begebene Zertifikate noch
kurz vor dem Kollaps der Bank im September 2008 positiv bewertet -
und verleiteten so viele AnlegerInnen zum Kauf dieser Papiere. Zudem
sind die privaten und gewinnorientierten Agenturen vor allem als
'Schiedsrichter' gegenüber souveränen Staaten aufgetreten. In
schnellen Schritten purzelten so die Bewertungen vor allem für die
südlichen Länder Europas wie Griechenland, Spanien und Portugal. Der
frühere Eurogruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker hat den
Ratingagenturen in diesem Zug 'irrationales Verhalten' vorgeworfen.
Milliarden-Klage
Die sich verschärfende Kritik an den Ratingagenturen gipfelte
zuletzt in einer Klage gegen S&P. Konkret verklagte das
US-Justizministerium das Unternehmen auf fünf Milliarden US-Dollar.
Der Vorwurf: S&P habe im Vorfeld der Finanzkrise in vollem Wissen zu
gute Bewertungen für amerikanische Hypothekenpapiere vergeben. S&P
weist die Vorwürfe zurück.
Auch aus diesem aktuellen Anlass war die systematische Macht der
Ratingagenturen am gestrigen Abend Thema einer hochkarätig besetzen
Veranstaltung der AK Wien. Nach einer Keynote des freien Journalisten
und Buchautors Werner Rügemer diskutierten EU-Abgeordnete Evelyn
Regner, FMA-Vorstand Helmut Ettl und Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt
der UniCredit Bank Austria auch die kürzlich auf Ebene der
Europäischen Union beschlossenen neuen Regeln für Ratingagenturen.
Für Werner Rügemer fasst Brüssel nicht weit genug. 'Die EU muss
beschließen, dass die Ratingagenturen ihre Bewertungen aus allen
Regelwerken der EU entfernen, dass sich die EU nur noch nach eigenen
Bewertungen richtet und nur nach eigenen Bewertungen auch ihre
Staaten behandelt, was Kredite angeht', betonte der Autor.
In die gleiche Kerbe schlug auch FMA-Vorstand Ettl: 'Ratings
sollten als das interpretiert und genutzt werden, was sie sind,
nämlich schlicht und ergreifend Meinungen. In den Gesetzen und ihrer
Anwendung geht der Trend weg von Ratings.'
Für UniCredit Bank Austria-Chefvolkswirt Bruckbauer hat aber auch
'der naive Glaube vieler Investoren, aber auch die durch die
Aufsichtsbehörden übertragene Macht den Ratingagenturen vor der
Finanzkrise besonders bei komplexen Produkten eine unhinterfragte
Machtposition verliehen'. Seiner Meinung nach spielten die Agenturen
in der Euro- und Staatsschuldenkrise in den vergangenen Jahren keine
maßgebliche Rolle, da 'die Investoren meist deutlich früher in ihrem
Urteil waren als die Ratingagenturen'. Trotzdem sei die durch
Aufsicht und Investoren verliehene Macht kritisch zu hinterfragen,
besonders dann, wenn Ratings mechanisch zu Investitionsentscheidungen
verwendet werden.
Diese überdimensionale Macht ist auch EU-Abgeordneter Regner ein
Dorn im Auge: 'Wenn die drei großen Ratingagenturen ihre Daumen
senken, können ganze Volkswirtschaften in finanzielle Schwierigkeiten
kommen. Wir müssen die Marktmacht der Drei Großen durchbrechen und
eine eigene, unabhängige Europäische Agentur etablieren.'
Erster Schritt
Summa summarum müssen Ratingagenturen daher auf der Agenda
bleiben, fordert die AK. Zwar konnten sich die Europäische
Kommission, das Europäische Parlament und der Rat auf neue Regeln für
die Agenturen einigen, und diese bringen auch einige wesentliche
Verbesserungen mit sich, von einem Systemwechsel ist man aber noch
weit entfernt.
Die AK hatte gefordert, die Ratingagenturen und deren Urteile
konsequent aus allen Gesetzen und verbindlichen Regelwerken zu
streichen. Außerdem forderte die AK ein Fusions- und Übernahmeverbot
für große Ratingagenturen, die Nichtigkeit von Klauseln in
Kreditverträgen, die sich auf Ratingänderungen beziehen, eine
verpflichtende Rotation sowie die Haftbarmachung der Ratingagenturen
für ihre Urteile. Dazu gehört auch, die Beweislast bei den
Ratingagenturen zu verorten und den Gerichtsstand an den Sitz des
Geschädigten zu bringen.
In den Debatten in Brüssel stellte sich heraus, dass eine Mehrheit
im Europäischen Parlament durchaus gewillt war, die Ratingagenturen
zu zähmen. Im Kompromiss mit dem Rat wurden schärfere Regeln jedoch
wieder zurückgenommen, sodass die neuen Regeln lediglich als erster
Schritt in Richtung einer stärkeren Regulierung betrachtet werden
können.
Die Bezugnahme auf Ratingagenturen in der europäischen Gesetzgebung
soll in Zukunft reduziert werden, außerdem gibt es künftig strengere
Regeln für die Veröffentlichung von Länderratings (ab 2014 dürfen
Länderratings nur noch an drei fixen Freitagen veröffentlicht
werden), die Ratings sollen zudem transparenter und unabhängiger
werden.
Die Beweislastumkehr ist allerdings nicht mehr in der Verordnung,
auch findet sich die Bestimmung, wonach der Gerichtsstand des
Geschädigten anzuwenden ist, nicht im Normtext. Auch das von der AK
geforderte Verbot von Fusionen und Übernahmen kommt nicht.
Einige Kernforderungen der AK wurden aufgegriffen, andere,
dringend nötige Punkte wurden nicht mitaufgenommen. Es geht aber
weiter darum, den Ratingagenturen ihre quasi-behördliche Macht zu
entziehen und die überbordende Marktmacht des Oligopols der 'großen
Drei' zu bekämpfen. Dies ist mit den derzeitigen neuen Regeln sicher
noch nicht erreicht. Deshalb müssen diesem Schritt weitere folgen,
fordert die AK.
Rückfragehinweis:
AK Wien Kommunikation
Michaela Lexa
Tel.: Tel.: (+43) 50165-2141, mobil: (+43)664 8454166
mailto:michaela.lexa@akwien.at
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Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/26/aom
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