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Börse Frankfurt-News: 'Aktien und die Eurokrise' (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 30.08.2012, 15:09
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 30. August 2012. Deutschland macht derzeit eine ungewöhnliche Erfahrung: Bei den Aktienkurssteigerungen liegt es international an der Spitze. Das ist unter anderem auf die Eurokrise und Fluchtgelder aus Südeuropa zurückzuführen. Denken Sie bei Aktienengagements aber auch an die Zeit nach der Eurokrise.

Was verbindet Deutschland mit Ländern wie der Türkei, Pakistan, Venezuela oder Ägypten? Eigentlich nicht viel, würde man auf den ersten Blick sagen. Außer der Tat­sache natürlich, dass diese Staaten für deutsche Unter­nehmen und Investoren wichtige Partner sind. Was aber die Wenigsten wissen: Diese Länder gehören zusam­men mit Deutschland (und einigen anderen Plätzen in der Welt) zu den Aktienmärkten mit den größten Kurs­steige­rungen der Welt in diesem Jahr.

In Deutschland sind die Aktienkurse seit Anfang Januar per Saldo um insgesamt 19 Prozent gestiegen. In der Türkei waren es 29 Prozent, in Ägypten 42,5 Prozent, in Pakistan 32,2 Prozent und in Venezuela sogar 150 Prozent. Die Entwicklung in die­sen Ländern ist aber nicht unmittelbar vergleichbar mit der in Deutschland. Es handelt sich zumeist um enge Märkte, bei denen schon geringe Bewegungen zu gro­ßen Kursausschlägen führen. In der Vergangenheit wa­ren die besten Aktienperformer in der Regel Länder mit relativ kleinen Märkten (die daher auch schwer prognos­tizierbar sind.

Wichtiger ist, dass die deutsche Aktienmarktentwicklung unter den Industrieländern als einsame Spitze herausragt (siehe Grafik). In den meisten Staaten erhöhten sich die Kurse der Dividendenpapiere seit Jahresbeginn bestenfalls nur halb so stark: USA 7,8 Prozent, Japan 8 Prozent, Großbritannien 3,6 Prozent, Schweiz 9,1 Prozent. In China haben sich die Kurse in den ersten acht Monaten dieses Jahres sogar um 4,2 Prozent verringert.

Die gute Aktienmarktentwicklung in Deutschland ist ungewöhnlich. Die Bundesrepublik gilt normalerweise nicht als Aktienland. Ihre Stärke sind eher Rentenpapiere. Weshalb ist das diesmal anders?

Zwei Gründe: Der eine ist, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer guten Verfassung befindet. Die Unternehmen haben ihre Produktpalette gestrafft und sich regional auf Wachstumsmärkte ausgerichtet. Die Verbesserungen durch die Hartz-Reformen auf dem Arbeitsmarkt wirken weiter. Die Finanzpolitik hat zwar nicht verhindern können, dass die Staatsverschuldung stark angestiegen ist. Deutschland steht hier aber wesentlich besser da, als viele andere Industriestaaten.

Der zweite Grund ist paradoxerweise die Eurokrise. Sie schadet dem Aktienmarkt nicht, sondern nutzt ihm im Gegenteil. Wir klagen zwar über die hohen Transfers in die Schuldnerstaaten in Südeuropa. Die Unsicherheit über das weitere Schicksal des Euro belastet den Export und die Investitionsentscheidungen der Unternehmen.

Aber es gibt auch eine andere Seite, die oft übersehen wird. Als Folge der Eurokrise sucht unendlich viel Geld aus Südeuropa Anlagen im Norden. Zuerst ging es vornehmlich in Bundesanleihen. Nachdem die Zinsen aber so tief gefallen sind, fließt es jetzt auch in Immobilien und Aktien. Von Januar bis Mai 2012 haben Ausländer deutsche Aktien in Höhe von 9,8 Milliarden Euro gekauft, allerdings unter großen Schwankungen von Monat zu Monat. Das ist mehr als in den letzten zwei Jahren zusammen mit 7,6 Milliarden Euro. Es wäre aber merkwürdig, wenn dabei nicht auch Fluchtgelder gewesen wären. Hinzu kommt, dass auch deutsche Anleger aus Mangel an Anlagealternativen bei den niedrigen Zinsen, Aktien erwerben. Die Zahl der deutschen Aktionäre. also der direkten Aktienanleger plus Fondsbesitzer, ist im ersten Halbjahr 2012 nach Berechnungen des Deutschen Aktieninstituts um 1,5 Millionen gestiegen.

Das kann noch eine Weile so weitergehen. Deutsche Aktien können trotz der schlechter werdenden Konjunktur weiter steigen. Aber eines Tages ist das zu Ende. Manches spricht dafür, dass sich die Eurokrise dem Finale nähert. Es wird den Beteiligten immer klarer, dass das Durchwursteln der vergangenen Jahre nicht hilft. Es muss etwas Grundlegendes geschehen.

Zwei Alternativen sind denkbar. Einmal kann der Euro endgültig auseinanderbrechen. Das wäre ein schwerer Schlag, auch für den Aktienmarkt. Deutschland würde in die Rezession fallen. Die Unternehmen würden unter ei­ner Aufwertung der neuen Währung leiden. Es würden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Es würde erheb­liche Zeit dauern, bis sich die Wirtschaft davon wieder erholt.

Es kann aber auch dazu führen, dass die Eurokrise da­durch überwunden wird, dass die politischen Bedingun­gen für eine stabile Währungsunion geschaffen werden. Also eine Fiskalunion, eine Bankenunion und letztlich eine politische Union. Das kommt heute vielen unwahrscheinlich vor, weil die Regierungen dazu zu schwach sind. Aber Krisen mobilisieren manchmal ungeahnte Kräfte. Ich gebe sowohl dem Zerfall des Euros, als auch dem stabilen Überleben der Gemeinschaftswährung je­weils eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent.

Wenn der Euro gerettet wird, dann wäre das ein un­glaublicher Schub für den Aktienmarkt. Freilich weniger für die deutschen Kurse, weil es dann weniger Kapital­zuflüsse aus dem Ausland gäbe. Profitieren würden aber Märkte wie Italien, Spanien, auch Griechenland. Ihnen würde helfen, dass das Wachstum wieder auf die Beine käme. Die wirtschaftlichen und finanziellen Strukturrefor­men würden sich auszahlen. Der Euroraum würde für Investoren zu einer der attraktivsten Regionen der Welt werden.

Für den Anleger

Ziehen Sie sich für den Herbst warm an. Es kann eine Zuspitzung der Eurokrise geben. Sie spült zwar weiter Geld nach Deutschland, verschlechtert aber die Stim­mung der Investoren. Denken Sie aber auch an die Zeit nach der Krise. Das könnte - freilich nur mit einer Wahr­scheinlichkeit von 50 Prozent - eine gute Zeit werden. Ich schaue mir derzeit auch an, was man in einem solchen Fall tun sollte.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

© 30. August 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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